einen ihrer Handschuhe zur Erde fallen ließ, hob der tapfere Held ihn auf und befestigte ihn an seinem Helme. Fast unbeweglich und ungerührt stand er nun vor der Königin des Festes, welche ihm den ersten Siegespreis erteilen mußte: ihr Blick machte während dieser feierlichen Handlung keinen Eindruck auf ihn, da sein Herz an die Dame vergeben war, deren Handschuh er trug.
Erst bei dem Bankett, welches der Verteilung der Kampfpreise folgte, konnte sich der fremde Ritter der Jungfrau, deren Handschuh er aufgehoben hatte, wieder nähern. Mehr als einmal forderte er sie zum Tanze auf, dann aber legten beide einander auch das Geständnis ihrer Liebe ab.
Es war Guta von dem Ritter verboten worden, ihren Bruder von diesem allen in Kenntnis zu setzen. Als dieser aber auf dem Bankett den Ritter wiederholt mit seiner Schwester tanzen sah, näherte er sich ihm selbst, wie es jedenfalls für den Begleiter der schönen Guta schicklich war. Es befremdete den Grafen von Falkenstein, daß der Ritter auch ihm gegenüber trotz mancher neugierigen Anspielungen, zu denen er sich als Bruder durch das Benehmen des Fremden gegen Guta berechtigt glaubte, seinen Stand und Namen verschwieg. Doch machte der Ritter den Eindruck eines Mannes von ebenso hoher Weltbildung als biederer und treuherziger Gesinnung. Besonders freute es den Grafen, daß der andere sich auf das sorgfältigste nach Guta’s Familie sowie nach ihrer heimatlichen Burg Falkenstein erkundigte, und so trug er denn auch kein Bedenken, den Ritter auf das freundlichste dahin einzuladen.
Nach einiger Zeit erschien der fremde Ritter mit einem Knappen auf der Burg Falkenstein. Er blieb drei Tage dort oben, und wenn er schon durch das Aufheben des Handschuhes, sowie durch seine Gespräche mit Guta auf dem Bankett sich hinlänglich als deren Anbeter erklärt hatte, so schied er diesmal nicht von ihr, ohne daß sich beide das heilige Versprechen gegeben hatten, mit einander ein Ehebündnis zu schließen. Aber auch diesmal wurde der Jungfrau strenge Verschwiegenheit anempfohlen, und der Name des Ritters blieb ihr unbekannt. Der Graf von Falkenstein nahm an, daß er als Engländer der Fahne Richards von Cornwallis folge, welcher damals die Welt mit dem Rufe seines Reichtums und seiner Tapferkeit erfüllte.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/119&oldid=- (Version vom 1.8.2018)