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ihm gebieterisch, sogleich die Botschaft an seine Schwester auszurichten und sie herbeizuführen, selbst wenn sie krank sei, weil ja – wie er sagte – die Liebe ein Heilmittel gegen Leid und Krankheit habe.

Obgleich Guta sich nicht einmal bei der Nachricht von der Ankunft des Kaisers von ihrem Krankenlager erhoben hatte, so sprang sie doch wie ein Reh empor, als sie durch ihren Bruder die Bestellung erhielt, welche ihr Richard von Cornwallis machen ließ. Sie fand den Kaiser und sein Gefolge im Rittersaale. Ihr erster Blick überflog das Gefolge des Kaisers, welches auch der Graf, der mit ihr in der Saalthüre stehen blieb, mit dem Auge musterte, ehe er die Schwester zum Kaiser führte. Erst als ihr Auge ebensowenig als das ihres Bruders im Stande war, aus dieser Menge sogleich den älteren Besucher herauszufinden, fiel ihr fragender Blick auch auf den Kaiser, gleichsam als wollte sie ihn nun schon von weitem zum Reden und zu einer näheren Erklärung über seinen Lehnsmann, der um ihre Hand geworben hatte, veranlassen. Als aber Guta aus diesem Grunde zuletzt auch den Kaiser betrachtete, hatte er das Visier des Helmes geöffnet und sie erkannte staunend, daß Richard von Cornwallis und jener Ritter aus England ein- und dieselbe Person waren.

Die Burg Falkenstein bei Kaub erhielt von der Kaiserin Guta zum Andenken an diese Begebenheit den Namen Gutenfels.

Wenn wir auch Richard von Cornwallis nur als einen Fremdling ansehen und keineswegs zu den deutschen Kaisern rechnen, auf welche wir stolz sind, so kann es doch als eine Anerkennung für die guten persönlichen Eigenschaften dieses Gemahles der rheinischen Gräfin Guta durch seine deutschen Zeitgenossen angesehen werden, daß sie trotz seines geringen Ansehens im deutschen Reiche doch nicht vor Richard’s Tode Rudolf von Habsburg zu seinem Nachfolger erwählt haben.

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/121&oldid=- (Version vom 1.8.2018)