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Wohnsitze einer schönen Wasserfrau gemacht. Alles andere werden vielleicht die Dichter zu der Sage hinzugefügt haben.

So wird denn auch von der Lorelei wie von den griechischen Sirenen erzählt, daß sie die Vorüberfahrenden durch ihren zauberischen Gesang anlocke, bis sie an dem Felsen scheitern und versinken.

Im 13. Jahrhundert glaubte man, daß bei dem Lorelei-Felsen der Nibelungenhort versenkt sei. Aus dem 16. und 17. Jahrhundert wird berichtet, daß man meinte, er sei von Geistern bewohnt.

Folgendermaßen erzählt Clemens Brentano die Sage von der Lorelei in einem Gedichte:

Es wohnte eine Zauberin zu Bacharach am Rheine. Sie war so schön, daß sie alle Herzen bezauberte.

Viele Männer brachte sie rings umher ins Verderben. Niemals war Rettung aus ihren Liebesbanden.

Der Bischof ließ sie vor sein geistliches Gericht fordern. Aber er war gezwungen sie zu begnadigen, so schön war ihre Gestalt.

Gerührt sprach er zu ihr: „Du arme Lore! Wer hat doch Dich nur zur bösen Zauberin gemacht?“

Sie sagte: „Herr Bischof, laßt mich nur sterben, denn ich bin meines Lebens müde, weil jeder verderben muß, der mir in’s Auge blickt.

Meine Augen sind zwei Flammen, und ein Zauberstab ist mein Arm. Darum verurteilt mich zum Tode und laßt mich in’s Feuer werfen.“

Der Bischof erwiderte: „Ich kann Dich nicht verdammen, Du müßtest mir denn gestehen, weswegen mein eigenes Herz schon in diesen Flammen brennt.

Nein, nein, Du schöne Lorelei, ich kann Dir den Stab nicht brechen, weil sonst mein eigenes Herz mit zerbrechen würde.“

Lorelei sprach: „Herr Bischof, treibt nicht so bösen Spott mit mir und bittet lieber unsern himmlischen Vater um Erbarmen für mich.

Ich liebe niemand mehr und kann nicht länger leben. Ich bin zu Euch gekommen, um den Tod zu empfangen.

So wisset denn, mein Schatz hat mich betrogen und sich von mir gewandt. Er hat mich verlassen und ist in die Fremde gegangen.

Wollet Ihr aber erfahren, wie es sich mit meiner Zauberei verhält,

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/123&oldid=- (Version vom 1.8.2018)