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Gemeinschaft sie mit dem Koch gehalten, daß er aber solches Übel nicht länger dulden könne, woferne er bei seinem Grafen und Herrn bestehen wolle.

Darum solle sie in ein Gefängnis geworfen und nicht eher als auf Befehl ihres Herrn wieder herausgelassen werden.

Nun hoffte aber Genovefa zum ersten Male ein Kindlein zu bekommen, und während sie bisher voller Freude ihres Gemahles Heimkehr entgegengesehen hatte, so wurde sie nun ohne das geringste Vergehen, ja, um ihrer Tugendhaftigkeit willen, von ihrem eigenen Diener gefangen geführt und in den Turm eingeriegelt.

Wie schmerzlich sie da dem lieben Gott ihre Unschuld geklagt hat, das haben die heiligen Engel wohl in Obacht genommen.

In dem Turme aber ging niemand aus und ein als die Amme des Hofmeisters. Dieses alte Weib mußte der Gräfin in ihrer Gefangenschaft tagtäglich eine ganz geringe Nahrung bringen.

Außer ihr besuchte sie noch zum öfteren der Hofmeister, immer noch hoffend, ihr reines Herz zu bethören.

Es half ihm jedoch alles nichts. Die edle Gräfin wollte tausendmal lieber sterben, als von Tugend und Treue lassen.

Endlich mußte auf Anstiften Golo’s das schlechte Weib, seine Amme, versuchen, ob sie durch Versprechung besserer Behandlung und Pflege die Gräfin nicht anderen Sinnes machen könne. Allein Genovefa wollte lieber im Kerker verhungern, als Gott erzürnen.

So lebte die treue Gemahlin des Grafen eine Zeit lang. Da kam der Tag, da Gott ihr ein Knäblein schenkte. Die Alte gab ihr nicht einmal eine Windel, um ihr Neugeborenes dareinzuwickeln.

Sie wickelte es deshalb in eine Serviette. Vergebens bat sie, daß das arme Kindlein zur heiligen Taufe getragen würde. Endlich taufte sie es selbst und nannte es mit Namen Schmerzenreich.

Dabei sprach sie: „Billigerweise nenne ich Dich, meinen lieben Sohn, Schmerzenreich, weil Du unter so vielen Schmerzen das Licht der Welt erblickt hast. Mit noch viel größeren Schmerzen werde ich Dich erziehen, mit den allergrößten Schmerzen aber werde ich Dich vielleicht verschmachten sehen, denn wie werde ich Dich als einen Säugling erhalten können, da

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/159&oldid=- (Version vom 1.8.2018)