Seite:Proehle Rheinlands Sagen und Geschichten.djvu/161

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Diener dem teuflischen Golo mit dem Befehle zurück, die Gräfin solle so eng eingeschlossen werden, daß niemand mit ihr reden noch zu ihr gelangen könne. Den schalkhaften Koch aber solle Golo mit solchen Martern hinrichten lassen, wie er wüßte, daß seine Missethat verschuldet hätte.

Mit solchem ungerechten Urteile kehrte der Diener eilends zurück. Bei dem bösen Hofmeister verdiente er großen Dank, denn vortrefflich hatte er seinen Auftrag ausgerichtet. Indessen vertraute Golo seiner bösen Sache so wenig, daß er den armen unschuldigen Koch nicht einmal öffentlich hinrichten lassen wollte. Vielmehr ließ er ihm bloß Gift in seine Speisen mengen, und ihn, da er gestorben war, mitsammt den Ketten und Banden, darinnen er gefangen war, in einen Sumpf werfen und etwas Erde darüber schütten. Die unglückliche Gräfin konnte nicht mehr enger gefangen gesetzt werden, als sie schon vorher eingeschlossen war.

Aber das ärgerte nun eben den schändlichen Golo. Dabei mußte er jedoch fürchten, daß seine böse Falschheit und List noch einmal möchte an den Tag kommen. Freilich hatte der bestochene Diener dem Grafen gesagt, daß alle Hofleute von der Untreue der Gräfin überzeugt wären. Aber dem war schlechterdings nicht also. Da nun gar der fromme Koch vergiftet und die edle Gräfin ihres schweren Gefängnisses nicht erledigt war, so waren ihrer viele bei Hofe, welchen solche Unbill mißfiel und die laute Klagen dagegen führten. Golo fürchtete, daß alle diese schwachen Menschen endlich ihre laute Stimme erheben würden, um die tugendhafte Genovefa aus dem Kerker zu erretten, sobald der Graf Siegfried zurückgekehrt wäre.

In dieser seiner Angst wurde nun dem Hofmeister Golo auch noch berichtet, daß der Graf von Karl Martel einen gnädigen Abschied erhalten habe und schon nach Trier unterwegs wäre. Da brach dem Golo der kalte Schweiß aus und mußte sich kurz besinnen, wie er sich in dieser gefährlichen Sache verhalten sollte.

Er setzte sich also selber eilends auf ein Pferd, jagte seinem Herrn entgegen und gelangte nicht eher zu ihm, als bis der Pfalzgraf schon zu Straßburg eingeritten war. In selbiger Stadt aber wohnete eine alte Hexe, die gab sich mit dem Scheine der Heiligkeit für eine gar gottselige Matrone aus. Dem losen Golo war sie schon seit vielen Jahren bekannt,

Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/161&oldid=- (Version vom 1.8.2018)