während dieser Woche auf dem Schlosse stattfanden, der Graf vor seine Gäste führen. „Sehet, meine Freunde!“ rief er, „das ist der, welcher so viel Übles angestellet hat, den frommen Koch Dragones mit Gift umgebracht, meine Liebe samt dem Kinde zu töten befohlen. Nun urteilet Ihr, was für eine Strafe ein solcher Verbrecher verdienet hat.“
Die ganze Freundschaft verurteilte ihn zum allergrausamsten Tode. Der gottlose Bösewicht warf sich aber Genovefa zu Füßen und bat um Christi willen, sie solle ihm verzeihen und für ihn um Gnade bitten. Die barmherzige Dame bat inständig, sie wollten diesem armen Sünder um ihretwillen Gnade erweisen und das Leben schenken. Da ließ der Graf seine und Genovefas Freundschaft entscheiden, weil diese durch Genovefas Beschimpfung zugleich beleidigt wäre. Die Freunde aber wollten durchaus dem Golo keine Gnade bewilligen, damit nicht in künftigen Zeiten möchte gesagt werden: Golo ist unschuldig gewesen, darum hat man ihm das Leben nicht nehmen können.
Sie verurteileten ihn deswegen, daß er in ihrer Aller Gegenwart mit Ochsen sollte zerrissen werden. Da band man an Hände und Füße dieses Sünders Stricke, und diese wurden an vier Ochsen angefesselt, welche nach den vier Teilen der Welt getrieben den boshaften Golo in vier Teile zerrissen.
Gleich darauf wurden auch alle diejenigen, die es mit dem Golo gehalten, von dem Henker mit dem Schwerte hingerichtet und ihre Kinder aus der Grafschaft vertrieben. Das Mädchen aber, das der Gräfin Feder und Tinte gereicht hatte, sowie alle anderen, die ihr treu geblieben waren, wurden reichlich belohnt. Unter diesen war noch einer der Diener, welche ihr das Leben geschenkt hatten. Weil aber der andere verstorben war, so haben seine Kinder dessen Belohnung empfangen.
Genovefa lebte nachher mit dem Grafen in größter Heiligkeit. Der Sinn der Gräfin stand nicht nach dem Hofleben, sondern nur nach dem Himmel.
Eines Tages, als sie im Gebete begriffen war, erschien ihr eine Schar vieler heiligen Frauen und Jungfrauen, unter welchen die Mutter Gottes selber am glorwürdigsten einherging. Eine jede von diesen Heiligen präsentierte ihr eine himmlische Blume. Die Mutter Gottes aber
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 167. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/178&oldid=- (Version vom 1.8.2018)