Boden, und die andern drei Heymonskinder kamen herbei, um ihrem Bruder beizustehen. Da rief Heymon: „O Ihr jungen Helden, schlagt mich nicht; ich bin Heymon, Euer lieber Vater, und will Euch auf den Abend alle vier zu Rittern machen.“ Aber nun ergriff Reinold wieder zuerst das Wort und sagte: „O Gott, seid Ihr mein Vater, so wäre es mir von Herzen leid, wenn ich Euch geschlagen hätte.“
Reinold hieß seinen Vater aufstehen. Der aber drückte ihn so freundlich an Brust und Wangen, daß ihm die Nase blutete. Da rief Reinold wieder: „So wahr mir Gott helfe, wenn Ihr mein Vater nicht wäret, ich wollte Euch dermaßen schlagen, daß Ihr möchtet liegen bleiben.“
Darauf versicherte ihn Heymon, wie sehr er sich seiner Erhaltung freue. Da sprach die Mutter, Frau Aya: „Gnädiger Herr, was unsere Söhne zum ritterlichen Stande bedürfen, als Kleider, Wehr und Waffen, das habe ich alles machen lassen, Ihr könnet sogleich mit den jungen Herzögen an den Königshof reiten.“
So lebte Reinold als ein Held. Endlich aber gedachte er, hinfüro sein Leben in freiwilliger Armut hinzubringen und sein Brot im Schweiße seines Angesichtes zu genießen. Inmittelst hörte er, daß Köln die heiligste und vortrefflichste Stadt in Deutschland sei wegen der Reliquien und der heiligen Leiber, die da ihr Blut um des christlichen Glaubens willen vergossen hätten. Dies bewog ihn, dorthin zu ziehen. Allda lebte er heilig und war Tag und Nacht emsig in seinem Gebete. Gott gab ihm Macht, daß er die Lahmen und Krüppel gerade, die Tauben hörend und die Blinden sehend machen konnte. Auf Reinolds Gebet nahm Gott einst die Strafe der Pestilenz von Köln, wofür alle Bewohner von Köln Gott auf den Knieen dankten. Bei alledem hielt er sich so verborgen als es möglich war, weilte aber schon meistens beim Peterskloster.
Es lebte zu dieser Zeit noch ein anderer Heiliger zu Köln, der Bischof Agilolphus; der war ein kluger und verständiger Mann, führte ein eingezogenes reines Leben und gab Andern ein gutes Exempel. Der fing an, die Sankt Peterskirche beim Sankt Peterskloster zu bauen, und ließ in allen umliegenden Ländern Zimmerleute, Steinmetzen und andere Arbeiter mehr anrufen. Also kam eine große Menge Volks nach Köln. Auch Reinold bot sich an und ward zum Oberaufseher aller Werkleute gesetzt.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 206. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/218&oldid=- (Version vom 1.8.2018)