mit seinem Forschen auf ihn ein. Endlich, als all sein Bitten und Flehen unbeachtet blieb, wandte sich der gute Gerhard im heißen Gebet zu Gott. „Du, mein Herr Gott,“ sprach er, „wollest mir vergeben, wenn ich nun, wie zum eitlen Ruhme mir, mein Thun hier ausbreite. Du, Herr Gott, kennst mich, Du prüfest mich und weißt, daß ich’s zu eignem Leide nur jetzt unternehme.“
Darauf zog ihn der Kaiser wieder zu sich auf den sammtenen Ruhesitz und der gute Gerhard begann also zu erzählen:
„Mein Vater ließ mir bei seinem Tode als seinem einzigen Sohne ein nicht unbedeutendes Erbe zurück. Als Kaufmann gedachte ich dasselbe noch zu vermehren. Mein Sohn sollte einst, wie alle seine Vorfahren, der reiche Gerhard genannt werden. So ließ ich denn noch Reichtümer genug zurück, als ich mich eines Tages mit fünfzigtausend Mark zu Schiffe begab, um drei Jahre in ferneren Ländern zu reisen und dort Handel und Wandel zu treiben. Wohlerfahrene Schiffer begleiteten mich und ein treu Ergebener diente mir als Schreiber und Kaplan zugleich.
Nach Lievland und dem bernsteinreichen Strande Preußens ging’s. Wir wandten uns dann dem Lande der Reußen zu, wo wir die feinen Zobelfelle in Fülle fanden. Dann lenkten wir unsere Fahrt der Levante zu, wohin Damaskus und Ninive ihre schönen Zeuge sandten. Aller Orten war mir der Handel wohl gelungen. Der weichen Felle hatte ich besonders viele eingekauft und dachte, daß ich wohl dreifachen Gewinn daran haben würde. Frohen Herzens beschloß ich nun heimzukehren und befahl den Schiffern, die Fahrt zurück zu lenken. Ich hoffte, in kurzer Zeit wieder bei den Meinen zu sein. Da aber begann mein Leid.
Die Sonne verdunkelte sich plötzlich. Schwarze Wolken zogen am Himmel herauf, und ein Sturm erhob sich, daß wir meinten, unser Schiff werde im Kampfe mit den ungestümen Wellen in tausend Splitter gehen. Zwölf Tage und Nächte wurden wir so umher geworfen. Zwölf Tage und Nächte schwankten wir zwischen Himmel und tiefster Tiefe. Schon trieben Trümmer von Bugspriet und Raaen auf dem Wasser umher, die Gefahr war auf’s Höchste gestiegen. Da beruhigte sich der Sturm, da blickte aus zerrissenen Wolken der Himmel blau und klar hervor. Aber Niemand wußte zu sagen, wo wir uns befanden. Zwar sahen wir am hohen Ufer
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/232&oldid=- (Version vom 1.8.2018)