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Allein am anderen Tage ließ ihn die schöne Elsa wieder ihren Kummer merken.

Da fragte der Herzog abermals: „Mein liebes Gemahl, worüber trauert Ihr?“

Da sprach sich die schöne Elsa schon deutlicher aus und sagte: „O mein lieber Herr, wie sollte ich nicht trauern? Hat doch die Herzogin von Cleve gesagt, es wisse niemand, woher Ihr kommen wäret, als Ihr von dem Schifflein stieget, das der Schwan hinter sich herzog.“

Allein Lohengrin that abermals, als hätte er ihre Worte nicht vernommen und redete freundlich von allerlei anderen Dingen, als suchte er seine Gemahlin von ihren Gedanken abzubringen.

Indessen das gelang ihm nicht, und als die schöne Elsa am dritten Tage mit ihm allein war, zeigte sie sich wieder so betrübt, daß Lohengrin fragen mußte: „Mein liebes Gemahl, worüber trauert Ihr?“

„Mein hoher Herr“, antwortete die schöne Elsa jetzt, „Ihr seid so mannhaft und stark! Den Ritter Friedrich von Telramonde, der den Drachen in Schweden erschlagen hat, habt Ihr vor den Augen des Kaisers überwunden! Als Ihr aus Eurem Schifflein ans Land stieget, da seid Ihr allen meinen Mannen sogleich wie ein geborener Fürst erschienen, und sie standen alle um Euch her, als wären sie zu Euren Dienern bestellt. So saget mir denn nun auch, von wannen Ihr kommen seid und wer Euer Vater ist, denn es kann kein Zweifel sein, daß Ihr von einem sehr hohen Geschlechte abstammet.“

Da wandte sich Lohengrin stillschweigend ab, denn sobald er ihr auf diese Fragen eine Antwort erteilt hatte, mußte er Frau und Kinder verlassen. Aber am andern Morgen stand er frühe auf, kleidete sich an, weckte auch seine beiden Kinder und sprach zu seiner Gemahlin: „O Du mein liebes Weib, mich hat Gott selbst zu Dir gesendet! Vom heiligen Grale bin ich zu Dir kommen und mein Vater ist Herr Parcival. Diese Antwort gebe ich Dir auf Deine Fragen, damit Du allen stolz unter die Augen treten kannst, die unser Glück beneidet und Dich in diese Unruhe versetzet haben. Ich ermahne auch meine beiden Kinder, daß sie nicht hoffärtig sein sollen weder in dem hohen Gedanken an Deine noch an meine Vorfahren. Aber damit sie sich der Hoheit und des Ansehens ihres Vaters einst desto

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Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/256&oldid=- (Version vom 1.8.2018)