sei. König Gunther aber gab seinen Rittern, die sich zum Kriege gerüstet hatten, ein Fest. Er lud sie ein zur Jagd im Wasgenwalde. Vor Allen wollte Siegfried an der Jagd teilnehmen. Nur sollte ihm Gunther einen Jäger und einige gute Hunde leihen. „Ich leihe Euch vier,“ antwortete Gunther, „denen alle Wege in den Tannen wohlbekannt sind.“
Kriemhilde aber sprach zu Siegfried: „Mir träumte heute Nacht, wie Euch zwei wilde Schweine jagten über die Heide. Da wurden Blumen rot, darum muß ich weinen.“ Trotz dieser bösen Ahnung ritten die Helden aber doch von dannen in einen tiefen Wald. Viele der Rosse, die vor ihnen über den Rhein gekommen waren, trugen Fleisch und Fische, Brot und Wein für die Jagdgesellen. Auch Siegfried war gekommen. Ein alter Jäger mit einem Hunde brachte ihn dahin, wo sie viel Wild fanden. Was die Bracke aufjagte, das erschlug Siegfried, der kühne Held von Niederland. Er tötete einen Löwen, einen Wiesent, einen Elch, einen Schelch und vier starke Auerochsen. Ein grimmiger Eber wandte sich gegen Siegfried, aber dieser erschlug ihn mit dem Schwerte. Von Allen machte er die meiste Beute auf der Jagd. Der König ließ die Jäger zum Mahle laden. Da fing Siegfried zur Kurzweil für die Jagdgenossen noch einen lebendigen Bären, band ihn auf den Sattel und nahm ihn mit nach der Sammelstelle.
Siegfried trug ein Kleid von schwarzem Zeuge und einen Hut von Zobelfelle. Seinen Bogen mußte man mit einer Winde aufziehen. Auch führte er Balmung, das schmucke breite Schwert von gewaltiger Schärfe. Sein Köcher war voll Pfeile, golden die Röhre.
So herrlich stieg Siegfried vom Rosse. Er löste das Band dem Bären von Fuß und Maul und der Bär wollte wieder zu Walde laufen. Dabei stieß er die Kessel mit mancher guten Speise vom Feuer. Nur Siegfried von Allen vermochte ihm zu folgen. Er schlug ihn tot und trug ihn zurück zum Feuer. Indeß wie viele Speisen von diesen auch noch gar wurden, so kamen doch die Schenken nicht mit dem Wein. Siegfried aber litt nach so gewaltigen Anstrengungen vor allen Anderen Durst. König Gunther machte Hagen, der den Wein an eine falsche Stelle geschickt hatte, für das Ausbleiben des Weines verantwortlich. Aber Hagen sagte, er wisse hier in der Nähe eine kühle Quelle. Dahin schlug er vor zu gehen.
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 17. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/26&oldid=- (Version vom 1.8.2018)