In alter Zeit war der Gaugraf Rupert von Altenbaumburg auch im Besitze dieser Feste. In seiner Jugend hatte er der Absicht, sich zu vermählen entsagt, doch war er seinem Entschlusse nicht treu geblieben und hatte noch im Alter ein Auge auf ein Edelfräulein geworfen, welches bei der heiligen Hildegard auf dem Rupertsberge bei Bingen erzogen wurde.
Das Edelfräulein, Jutta mit Namen, war vielleicht von ihren Verwandten bestimmt, einst den Schleier zu nehmen und wäre darauf auch wohl eingegangen, wenn sie nicht einen jungen Ritter, Heinrich von Stein, kennen gelernt hätte, mit welchem sie sich verband, um alle Hindernisse aus dem Wege zu räumen, welche ihrer Ehe nur immer entgegen gesetzt werden konnten.
Als Jutta’s Verwandte sahen, daß diese Bedenken trug, den Schleier zu nehmen, ja selbst als Novize eine Probezeit einzugehen, verbanden sie sich mit dem alten Ritter Rupert, um diesem alten Freunde und keinem Andern zu einer Verbindung behilflich zu sein. Die beiden Verlobten aber blieben ihrer Absicht getreu, und mit immer steigender Wut überzeugte sich Rupert, daß er darauf werde verzichten müssen, Jutta heimzuführen.
Anstatt nun aber allmählig sich wieder zu beruhigen, schwur Rupert, daß Heinrich von Stein mit ihm kämpfen solle um Jutta, sobald er ihn in den Waldungen träfe, in denen das große und das kleine Jagdgebiet Ruperts und Heinrichs aneinander grenzten. Alle, die solche Reden hörten, mußten darüber lachen, denn Heinrich war zwar viel ärmer an Besitzungen als Rupert, aber durch seine Kräfte ihm weit überlegen. Dies hinderte indessen nicht, daß der ältere Herr, nachdem er den Jüngling lange vergeblich in den Forsten gesucht hatte, ihn einen Feigling schalt. Wirklich vermied Heinrich von Stein, welcher eine Art von Herausforderung von Rupert erhalten hatte, die Begegnung mit dem älteren Ritter, jedoch nicht aus Feigheit, sondern teils um seinen ehrenwerten Nachbar zu schonen, teils um die Verwandten seiner Braut, welche ihm ohnehin zürnten, nicht noch mehr zu reizen.
Statt seinem jugendlichen Nachbar zu begegnen, stieß Ritter Rupert eines Tages im Walde auf einen ungeheuren Eber. Mit seinem gewaltigen
Heinrich Pröhle: Rheinlands schönste Sagen und Geschichten. Tonger & Greven, Berlin 1886, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Proehle_Rheinlands_Sagen_und_Geschichten.djvu/74&oldid=- (Version vom 1.8.2018)