Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 1.djvu/143

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es eine Ausgelassenheit, die angespannt, und eine andere, die aufgelößt und schmelzend ist. [1]

Laßt uns folglich auch hier den zweyfachen Zustand einer Spannung und Zärtelung unserer Lebenskraft annehmen.

Es ist unläugbar, daß jeder dieser beyden Zustände in unserm Körper durch Annäherung an andere belebte Körper, bey denen sich die eine oder die andere Disposition in Wirksamkeit befindet, erweckt und erhöhet werden könne. Aber eben so gewiß ist es auch, daß wir den Zustand, in dem sich unsere Lebenskraft befindet, in andre übergehen lassen können. Wärme und Kälte, Bewegung und Ruhe theilen sich mit. Seht die Mutter, deren Wange die erhitzte Wange des schlafenden Säuglings berührt, deren Busen das Klopfen seines Herzens fühlt; bald sticht sie eine ähnliche Wallung an, bald fühlt sie ihr Herz dem seinigen mit ähnlichem Aufschlag sich entgegenheben. So nimmt sie leidend seinen Zustand an. Aber sie kann ihm auch den ihrigen mittheilen. Der wallende oder allmählige Zustand ihres Bluts, die heftigere oder mildere Bewegung ihrer Fibern, wird die Lebensgeister des Säuglings bald erhöhen, bald besänftigen. Nicht das allein! Indem sie auf ihn einwirkt, kann sie die eine oder die andere Disposition ihrer eigenen Lebenskraft verstärken, verbessern; sie kann sich feuriger, angestrengter fühlen, indem sie ihn stärker an ihren Busen drückt; sie kann sich milder, ruhiger fühlen, indem sie ihn auf ihrem Schooße einwiegt. So gewinnt sie, indem sie thätig mittheilt. Ja! Oft kann durch die Verbindung der


  1. Plattners N. Anthropologie §. 665. 724. und 1305.