Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil | |
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Stärke und Zartheit, beyde im höchsten Grade ihrer Wirksamkeit empfunden, mischen sich in vollkommenster Gleichmaße zu einem neubelebten Ganzen zusammen. – Höchste Spannung und Zärtelung empfangend und gebend, wird der Zustand dieses neuerwachten Geschöpfes! – Ein überschwenglich wollüstiger aber fieberhafter Schauer kündigt das freudige aber gewaltsame Zusammentreten in ein neues Daseyn, und das Verlassen des alten isolierten an; – Letzte Stufe, letzter Zweck der Lüsternheit! – Ach! daß nun nichts Fremdartiges dazwischen trete, oder der Funke des Lebens sprüht, und der Zustand seiner überschwenglichen Kraft ist dahin! – Doch! oft erscheint bey der Bewegung, welche das ganze Wesen erfährt, auch die Wirksamkeit seiner vegetabilischen Kraft! Ein Zusatz bebender Ermattung, der nicht mehr der Lüsternheit gehört, vollendet die Summe physischer Entzückungsarten, und der Zauber vereinter Animalität verschwindet.
Die Lüsternheit wird, besonders in den policierten Staaten von Europa, am auffallendsten bey der Annäherung solcher Körper bemerkt, welche ihren äußern Kennzeichen nach in dem Verhältnisse männlicher Körper gegen weibliche stehen, und fähig scheinen, durch vollständige Befriedigung des unnennbaren Triebes die Zwecke der immer fortbildenden Natur zu erfüllen. – Allein man würde sehr Unrecht haben, diese Erscheinung dahin zu deuten, als ob der Mann als Mannsperson, das Weib als Frauensperson, jener bestimmt zum Vater, dieses bestimmt zur Mutter, bloß um diese Bestimmung auszufüllen, der Lüsternheit gegenseitig
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 148. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_1.djvu/148&oldid=- (Version vom 1.8.2018)