Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil | |
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zurück, welche Sie kurz vorher von Ihm empfangen hatte.
Es ist folglich das richtige Verhältniß der hebenden Zartheit zur geschmeidigen Stärke, es ist die darauf beruhende Ahndung einer in jedem der beyden Körper hervorzubringenden Gleichmaße der aufs höchste getriebenen thätigen und leidenden Spannung und Zärtelung; es ist das Bestreben nach dem Gefühle einer überschwenglichen Lebenskraft, welche bey der Lüsternheit der Manns- und Frauensperson zum Grunde liegen, und ihre Körper unter sich mehr als zu andern, wiewohl keinesweges ausschließend, anziehen.
Dieß ist so wahr, daß Menschen von roher Sinnlichkeit in der Blüthe des Lebens wechselseitig durch solche Eigenschaften des Körperbaues angezogen werden, woraus sich auf ein Wohlverhältniß der stärkeren Organisation zur zärteren schließen läßt. Männer unter allen roheren Nationen und Ständen fühlen die stärkste Lüsternheit nach Weibern, deren völliger Bau und sanfte Haut ein Uebergewicht der zärteren Disposition der Lebenskraft, und lockere Werkzeuge derselben andeuten; während daß die Weiber unter eben diesen Nationen und Ständen durch die Größe und schlanke Festigkeit der äußern Hülle des Mannes, welche auf ein Uebergewicht der stärkeren Disposition der Lebenskraft und festern Werkzeuge derselben schließen lassen, am leichtesten in den Zustand der Lüsternheit versetzt werden. Daher der Geschmack der Orientaler und so vieler unverfeinerten Männer unter uns an wohlgenäherten Schönen; daher der Geschmack gewöhnlicher Buhlerinnen an Athleten-Figuren.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_1.djvu/150&oldid=- (Version vom 1.8.2018)