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Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 1.djvu/158

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und die Wirksamkeit dieser letzten ist nicht unbedingte Ursach zu jenem. Eine heftige Reitzung unsers Physischen ist freylich zu beyden erforderlich, und die Natur scheint diejenige, welche der Lüsternheit eigen ist, mit derjenigen, welche der unnennbare Trieb erfordert, darum in genaue Verwandschaft gesetzt zu haben, damit ihre fortbildenden Zwecke desto eher erfüllt werden möchten. Aber so wie der Wohlgeschmack dem Hunger zugegeben ist, um den Trieb zur Selbsterhaltung desto eher zu befördern; so ist die Wollust der Lüsternheit dem unnennbaren Triebe beygegeben, damit einem allgemeinen Bedürfnisse der Natur desto sicherer abgeholfen würde.


Zweyter Abschnitt.
Geschlechtssympathie der Seele [1]

Siebentes Kapitel.
Von der Ueppigkeit der Seele.

Unser Gemüth ist so gut wie die Sensibilität unsrer äußeren Sinnenorgane, einer zweyfachen Reitzungsart fähig. Es hat so wohl eine Disposition


  1. Ich verstehe unter Seele alles, was nicht Körper, und nicht solche Kraft und Reitzbarkeit ist, die wir unmittelbar am Körper wirksam spüren, und sich dennoch von dem Ich als Subjekt aller Veränderungen, die an mir vorgehen, im Bewußtseyn unterscheiden läßt. Ich gebe gern zu, daß dieser Begriff nicht metaphysisch ist, aber darauf kommt es hier nicht an. Es wird mir nur wichtig, solche Bestimmungen [159] der verschiedenen Adhärenzen unsers Ich’s festzusetzen, die zum praktischen Gebrauche, und besonders zur Unterscheidung verschiedener Gefühle wichtig seyn können.
    Ich habe in den vorigen Kapiteln ein sensitives, ein thierisch lebendiges, ein vegetierendes Wesen als Adhärenzen unsers Ich’s, angenommen. Nicht, weil ich sie für wirklich verschiedene Wesen halte: denn das kann ich nicht beurtheilen; sondern weil ich an meinen Organen, an meiner innern Organisation, und endlich an dem gröbern Stoffe, den ich an mir trage, solche verschiedene Wirkungen wahrnehme, die ich mir unter dem Bilde verschiedener mit Kräften und Reitzbarkeit versehener Wesen, deren Veränderungen das Ich mittelst des Bewußtseyns unmittelbar aufnimmt und vereinigt, am deutlichsten denken kann.
    In eben dem Sinne und in eben der Absicht, um nur Merkmahle von den verschiedenen Veränderungen zu haben, die ich an mir bemerke, theile ich nun wieder die Seele, als Adhärenz meines Ich’s, in zwey Wesen ein, die beyde mit Kräften und Reitzbarkeit versehen sind: in das Gemüth und in den Geist. Unter Gemüth verstehe ich dasjenige Wesen meiner Seele, das der Sensibilität der äußeren Organen meines Körpers durch die Art, wie es Eindrücke von Bildern und Vorstellungen einnimmt, sich mit diesen ins Verhältniß setzt, und von ihnen zur Lust oder Unlust gereitzt wird, so ähnlich ist. Es ist der Inbegriff aller Kräfte und aller Vermögen an mir, die ich nur nicht unmittelbar am Körper wirksam fühle, und die ich nicht zu meinem Geiste rechne: Mit einem Worte: das niedere Seelenwesen. Unter Geist verstehe ich hingegen die engste Adhärenz meines Ich’s, das letzte belebende Princip im Gemüthe, mit dem mein Ich gedacht wird, wenn ich im Bewußtseyn ein vermögendes und reitzbares Wesen in mir noch von den Kräften und der Reitzbarkeit meines Gemüths unterscheide: Mit einem Worte: das höhere Seelenwesen. Ich bin mir bewußt, [160] daß mein Geist noch ungeschwächt und heiter ist, wenn gleich mein Gemüth viele seiner Kräfte verloren hat, durch unangenehme Vorstellungen verfinstert wird, Krankheit meine Lebenskraft erschlafft, Blindheit und Taubheit die Sensibilität der wichtigsten Organe zerstört, und das Alter meine Bildungskraft gehemmt hat. Ich bin mir bewußt, daß mein Geist bey der Betrachtung dessen, was mein Gemüth und mein Körper waren und wieder werden können, sich erhebt, sich froh fühlt, u. s. w. Man dürfte vielleicht sagen: der Geist sey das innerste Wesen im Gemüthe und verhalte sich zu diesem in der Seele, wie die Lebenskraft zur Sensibilität im Körper. Ich bitte aber nicht zu vergessen, daß ich diese Dinge bloß so darstelle, wie sie sich im Bewußtseyn gegen einander zu verhalten scheinen.