Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 1.djvu/187

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

So gewagt, so unbestimmt mir diese Behauptungen zu seyn scheinen, [1] so erscheint doch daraus die allgemeine Bemerkung, daß unsere Seele eines schwärmerischen, begeisterten Aneignungstriebes fähig ist, der seiner großen Aehnlichkeit mit der Lüsternheit des Körpers wegen ihre Lüsternheit genannt zu werden verdient. Hier ist vorläufig meine Erklärung dieser Erscheinung.

Die Lüsternheit der Seele, ihr schwärmerischer Trieb, sich den Geist eines andern Wesens anzueignen, ist allemahl ein Zustand von Begeisterung. Dieß Wort wird aber in sehr verschiedener Bedeutung genommen, so wie das Wort Geist unendliche Bedeutungen hat, von derjenigen an, worin es für jede flüchtige körperliche Materie genommen wird, bis zu derjenigen hin, worin es das Ich im Menschen, und sogar die Weltseele heißt.

Im allgemeinsten Sinne nennt man Begeisterung jede außerordentliche Erhöhung der Wirksamkeit unsers Gemüths: Lebendigkeit unserer Seelenkräfte. In einem etwas engeren Verstande heißt Begeisterung so viel als diejenige Wirksamkeit unsers Gemüths, die wir einer besondern Erhöhung unserer Einbildungskraft zuschreiben, wenn diese die Vorstellungen unsinnlicher Gegenstände, (wohin ich auch das Sinnliche aber Abwesende rechne,) zu anschaulichen Bildern hebt, und sie dadurch den anerkennenden Kräften äußerst nahe bringt. Hier bezeichnet folglich der Ausdruck Begeisterung einen Zustand der Erhebung über die Körperwelt zur sinnlichen Einführung in das Reich des Unkörperlichen, oder der Geister: einen Zustand, der an sich schon mit


  1. Vergleiche das achte Buch dieses Werks.