Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 1.djvu/209

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Man hat gesagt: Freundschaft sey Gutthätigkeit gegen Personen, die wir uns verbinden wollen. Aber Freundschaft ist angewöhnte Stimmung, nicht ein einzelner Akt; Freundschaft ist nicht selbstisch, sie beglückt nicht um verbindlich zu machen. Wie! der Wollüstling, der das unerfahrne Mädchen, das künftige Opfer seiner Lüste durch Geschenke zu gewinnen sucht: der enthusiastische Liebhaber des Schönen, der den Virtuosen liebkoset; handeln die als Freunde?

Man hat gesagt: Freundschaft sey die Knüpfung zweyer Herzen zu einem gemeinschaftlichen Zweck; eine Verschränkung der Herzen und Hände in Leid und Freude, selbst unter Gefahren. – Schönes Bild einer angewöhnten oft liebenden, oft aber auch fein selbstischen Genossenschaft! Unterscheidest du den Gemeingeist der Sekten, der Parteyen, der Familien, der Mitbürger eines Staats, ja, sogar der Theilnehmer einer Lage, von der Freundschaft?

Man hat gesagt: Freundschaft sey Anhänglichkeit an Menschen, die durch ihre innere Vortrefflichkeit uns selbst Nutzen und Vergnügen zuführen, und den Wunsch in uns hervorbringen, sie wieder zu beglücken. Aber diese Anhänglichkeit, wenn sie auch der Liebe und nicht der Pflicht, nicht dem Beschauungshange und der feineren Selbstheit gehören sollte, unterscheidet Freundschaft weder von dem liebenden Patronat, noch von der liebenden Genossenschaft. Ja, es giebt unstreitig auch Freundschaften unter schlechten Menschen.

Man hat gesagt: Freundschaft sey die Zusammensetzung zweyer Personen zu einer. Richtig! Aber unterscheidet sie sich dadurch von Geschlechtszärtlichkeit?