Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil | |
|
Begierde entgegen gesetzt wird. Die Lebhaftigkeit, die süße wollüstige Zärtlichkeit, worin der unterscheidende Charakter der sogenannten Freundschaft unter Personen von verschiedenem Geschlechte hier gesucht wird, ist weiter nichts als die Ueppigkeit des Körpers und der Seele; die feinere Geschlechtssympathie, welche mit ins Spiel kommt. [1]
Geschlechtszärtlichkeit findet Statt zwischen Vater und Tochter, zwischen Sohn und Mutter, zwischen Bruder und Schwester; und dabey brauchen der unnennbare Trieb oder die Lüsternheit des Körpers sich nicht deutlich zu melden. Die Empfindungen, die Aeußerungen der Zärtlichkeit zwischen diesen Personen, sind demohngeachtet sehr verschieden von der Zärtlichkeit zwischen Vater und Sohn, Mutter und Tochter, Bruder und Bruder, Schwester und Schwester.
Geschlechtszärtlichkeit findet Statt zwischen Ehegatten, die nicht mehr leidenschaftlich lieben; zwischen allen Personen, welche die völlige Befriedigung der Geschlechtssympathie zärtlich, aber ohne Gefühl der Unentbehrlichkeit genießen.
- ↑ Wichtig in eben dieser Rücksicht sind auch einige Stellen bey den Alten, worin sie diese Freundschaft von der Liebe zu unterscheiden gesucht haben. Man vergleiche das dreyzehnte Buch dieses Werks, worin die hieher gehörigen Stellen aus dem Xenophon, Plato, Cicero, u. s. w. angeführt werden.
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_1.djvu/236&oldid=- (Version vom 1.8.2018)