Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil | |
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Bewußtseyn eines Zustandes von höherer Lust, als diejenige ist, welche bloße Gleichgültigkeit oder schwache Willensregung gewähren mag. Daher ist jedes mit Hoffnung verknüpfte Verlangen, oder jede Lust des baren Harrens, Liebe. Ihr steht in dieser Bedeutung Unlust, Abscheu, Gleichgültigkeit, schwache Willensregung, noch mehr aber Furcht und Verzweiflung rückwärts von der Begünstigung des Grundtriebes entgegen; vorwärts aber der aktuelle Genuß einer bereits eingetretenen Erleichterung unsers peinlichen Zustandes.
Das affektvolle Genügen des fortwährenden Bedürfnisses bey eingetretener Erleichterung der Qual, und bey mehr gegründeter Hoffnung auf Rückkehr in den Ruhestand des Lebens, ist wieder Liebe. Rückwärts steht ihr in dieser Bedeutung die Lust des baren Harrens entgegen, vorwärts die affektvolle Zufriedenheit.
Diese ist das Bewußtseyn eines geendigten Bedürfnisses und der völligen Rückkehr in den Ruhestand des Lebens. Sie ist Liebe in etwas bestimmterer Bedeutung, und so steht ihr rückwärts das affektvolle Genügen des fortwährenden Bedürfnisses, vorwärts Wollust und Wonne entgegen.
Wollust und Wonne ist Liebe in bestimmterer Bedeutung. Unmittelbares Gefühl einer ungewöhnlichen Angemessenheit meines Zustandes zu meiner Einrichtung, ohne auffordernde Ueberlegung, ohne anstrengenden Antrieb, ohne Zusammenhaltung des Gegenwärtigen mit dem Vergangenen und Zukünftigen. Kürzer: Bewußtseyn der Ausgelassenheit des Lebens. Dieser Liebe ist rückwärts entgegengesetzt: Zwang und
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Erster Theil. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 278. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_1.djvu/278&oldid=- (Version vom 1.8.2018)