Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 1.djvu/320

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Der Hassende strebt dem Gehaßten das Leben zu nehmen, oder er fristet ihm dieß, um ihn länger zu quälen, oder er raubt es ihm nach vorgängiger Entsagung auf alles Glück in der Zukunft; oder er stürzt sich mit ihm ins Verderben, um des Bewußtseyns willen, ihn unglücklich gemacht zu haben. In allen diesen Fällen sehnen wir uns nach der unentbehrlichen Wonne, den andern entweder ganz zu vertilgen, oder ihm wenigstens alles zu entziehen, was das Gefühl des Bestehens angenehm machen kann.

Beyde, die Leidenschaft der Liebe und des Hasses, kommen darin überein, daß sie eine figierte Wirksamkeit der Phantasie voraussetzen. Dort werden wir von dem Bilde des Ueberganges unsrer Person in eine andere, hier von dem Bilde des Vertilgens einer andern Person durch die unsrige besessen.


Zwanzigstes Kapitel.
Absonderung der Leidenschaft der Liebe von den leidenschaftlichen Bestrebungen der Lüsternheit des Körpers und der Seele.

Wenn es schwer ist, die liebende Anhänglichkeit von der nicht liebenden, aber wohlwollenden und wohlthuenden, abzusondern, so ist es noch schwerer, die Leidenschaft der Liebe von derjenigen, die auf Selbstheit und bloßer Geschlechtssympathie beruht, zu unterscheiden, wenn diese letzten mit Aufopferungen verknüpft sind.

Jede Leidenschaft, selbst die allerniedrigste der allergröbsten Selbstheit, setzt eine Aufopferung vieler Neigungen zum Voraus, welche dem Menschen, dessen Herz