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Siebentes Kapitel.

Dreyfache Modification der Sinnlichkeit der Seele zum Hange nach der Wonne der Beschauung, der Geselligkeit und des Eigennutzes.

Unsre Seele hat unstreitig so wie der Körper die Fähigkeit, sich gegen die Gegenstände, die sie sich vorstellt, in ein dreyfaches Verhältniß zu setzen. Sie erkennt entweder ihr Wesen aus der Ferne an, und betrachtet was sie sind, sie beschauet sie; oder sie versetzt sich in ihren Zustand hinein, und fühlt, was sie fühlen, sie assimilirt sich ihnen; oder sie betrachtet sie als Mittel, ihr in ihren Trieben zu helfen, und sich durch sie zu verbessern, sie eignet sich dieselben zu.

Mit jeder dieser Arten von Verhältnissen ist eine besondere Sinnlichkeit, eine besondere Wonne verbunden. Das Entzücken über den edeln und schönen Gegenstand, der ganz von meiner Person und meiner mir eigenthümlichen Lage getrennt ist; über die Geistesstärke eines verstorbenen Helden, über die Formen einer Statue, über das Ideal eines fehlerlosen Charakters, – ist offenbar verschieden von dem wohlbehagenden Gefühle eines traulichen Umgangs mit einem Zeitgenossen, der um und neben mir ist, und an dessen Daseyn und Wohl ich mich labe. Beyde Wonnegefühle unterscheiden sich aber wieder deutlich von demjenigen, welches mir der Anfall einer Erbschaft, der Fund eines Wechsels, der Gewinn eines Sclaven oder Gönners erweckt, die ich zu meinem Vortheil brauchen will, unbekümmert um ihr Daseyn und Wohl, sobald nur mein Zweck erreicht ist.