Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 1.djvu/331

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Noch weniger mit der Liebe harmonierend ist nun gar das absichtliche Streben, die Phantasie mit einem selbstgeschaffnen Ideale zu täuschen, entweder um im Zustande der Begeisterung und der Spannung der edelsten Kräfte unsers Wesens zu schwelgen, oder den Stolz, daß man das Außerordentliche so außerordentlich begehrt, zu nähren.

Dieser Fall tritt sehr häufig ein bey Dichtern, Künstlern, und überhaupt bey allen Personen, welche durch ihre beschränkten Umstände vom Umgange mit Menschen abgeschnitten leben, aber vermöge ihrer Beschäftigungen und Anlagen eben so sehr zu Träumereyen als zur Eitelkeit und zum geistigen Stolze aufgefordert werden. Unter den Charakteren dieser Art giebt es besonders zwey Arten. Die eine ist von Natur heiter, gesellig, eitel; kurz, sanguinisch, aber durch Umstände melancholisch geworden, und an Zurückgezogenheit gewöhnt. Personen dieser Art suchen Unterhaltung ihrer Einsamkeit in der Nährung von Bildern, welche zu gleicher Zeit ihrer Eitelkeit schmeicheln. Dahin gehören eine Menge von Religiosen, Nönnchen, Mädchen aus dem Mittelstande, junger Leute aus allen Ständen, die unter strenger Aufsicht stehen, u. s. w. Petrarca gehört gleichfalls hieher, wie im dritten Theile dieses Werks näher gezeigt werden wird.

Die andere Art ist von Natur finster, stolz und cholerisch melancholisch. Diese Personen zünden ein Feuer in sich an, das sie selbst, und den unglücklichen Gegenstand, der ihnen Gegenliebe schenkt, mit ihnen verzehrt. Sie suchen nur das Ungewöhnliche in dem Gegenstande