Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/146

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Ich nehme es daher gern als gewiß an, daß ein stärkeres Maß von körperlicher Geschlechtssympathie, das heiße Blut, den liebenden Affekten, so wie dem Sinn des Schönen, Edeln und Vollkommenen zuträglich seyn könne. Schon Claudian hat die Bemerkung gemacht, daß Verschnittene gemeiniglich den eigennützigsten Charakter zeigen; [1] und meine eigene Erfahrung überzeugt mich, daß sie voller Neid und Eitelkeit sind. Ich läugne ferner nicht, daß galante Weiber viele Anlagen haben, schwärmerische Anhängerinnen an Vollkommenheit zu werden, und daß Liebhaber des physisch und immateriellen Schönen ohne große Disposition zur Ueppigkeit und Lüsternheit selten gefunden werden dürften.

Demungeachtet ist beydes keinesweges in dem Verhältnisse unmittelbarer Ursach zur Wirkung[WS 1] mit einander verbunden, und die Art der Befriedigung der körperlichen Geschlechtssympathie kann sehr oft die Anlage zu liebenden Affekten, und zum Sinn des Vollkommenen, Edeln und Schönen ganz zerstören.

Das heiße Blut führt, wie gesagt, auf eine hohe Anlage zur Reitzbarkeit überhaupt zurück. Eben so gut als diese zur feineren und stärkeren Empfindung der Wonne, der Liebe und der Beschauung hingeleitet werden kann, eben so gut kann sich die Selbstheit derselben bemeistern. Und dieß ist gewiß alsdann der Fall, wenn wir die körperliche Geschlechtssympathie, und besonders den unnennbaren Trieb, als eine bloß körperliche Wollust, oder gar als ein körperliches Bedürfniß betrachten, und als solche zu befriedigen streben. Liebe läßt sich ohne Vorstellung von etwas Immateriellen nicht denken.


  1. Saevius in aurum aestuat succisa libido.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Wirkurg