Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/148

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

öffentlicher Freudenmädchen und ausschweifender Männer entgegenstellt, beweisen nichts. Man kann weder über den Grad ihrer Sittenlosigkeit zuverlässig urtheilen, noch genau bestimmen, ob nicht Eitelkeit, oder eine vorübergehende Aufwallung von Mitleid der Grund von Handlungen gewesen sey, welche zwar in ihren Folgen liebenden Gesinnungen ähnelten, aber für ihr wirkliches Daseyn nichts beweisen.

Wehe aber, wenn nun gar das heiße Blut dem Hochmuth und der Habsucht untergeordnet wird, und beyde zusammen befriedigt werden sollen! Denkt an jene Tartüffen und Prüden! denkt an manche Fürstin, welche die Befriedigung zügelloser Begierden mit dem Zwange der Etiquette zu vereinigen sucht! Da ihre Lage sich dauernden und zärtlichen Verbindungen mit dem andern Geschlechte gemeiniglich ganz widersetzt; so suchen sie nur diejenigen Freuden bey dem Manne auf, die der Augenblick ohne Aufsehn und weitere Folgen darbietet. Die Heftigkeit ihrer Begierden wird durch die Hindernisse, die sie finden, noch vermehrt; sie verwandelt sich in eine Wuth, die sie ganz auf Kosten des begehrten Gegenstandes befriedigen. Mehr als Einmahl hat das unglückliche Werkzeug ihrer einseitigen thierischen Freuden mit seinem Leben und mit seinem Glück die Spuren ihrer Schande bedecken müssen.

Eben so wenig beweiset das Daseyn des heißen Bluts unbedingt für die Anlage zum Gefühl des Vollkommenen, Edeln und Schönen. Bey einer schamlosen und sogar nur häufigen Befriedigung des unnennbaren Triebes geht die höhere Reitzbarkeit der Seelenkräfte überhaupt, so wie besonders der Phantasie, leicht verloren. Man darf sich hier nicht auf Wollüstlinge berufen, welche