Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/200

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Ich lehre, wie wahre Liebe durch Verstand und Vernunft geleitet, Gegenliebe gewinnt; ich lehre, wie sie selbst in dieser Bestrebung edel und schön erscheinen kann!

Aber ist es nicht hinreichend zu lieben, um wieder geliebt zu werden? Nein! Erfahrung lehrt es, daß die reinste, treueste, ausdauerndste Liebe, daß Aufopferungen jeder Art zwar Dankbarkeit und Mitleiden erwecken, Angewöhnung hervorbringen, die Sinne mit einem vorübergehenden Aufruhr anstecken, den Geist eben so vorübergehend begeistern, aber nicht zureichend sind, das Herz zu gewinnen!

Wohl! ist es nicht genug zu lieben, so sey zugleich liebenswerth! Der Mann, der unerhört liebt, war vielleicht häßlich am Körper, langweilig in seiner Unterhaltung, verworfen in seinen Sitten? – Du irrst dich, das war er nicht. Ziemlich häufige Beyspiele müssen dich gelehrt haben, daß Menschen, die allgemein ihrer Schönheit wegen bewundert werden; Menschen, welche die Aufmerksamkeit ganzer Gesellschaften durch ihre Unterhaltungsgaben auf sich ziehen; Menschen, die als Muster der Sittlichkeit aufgestellt werden können, vergebens nach dem Besitze eines Herzens streben, das vielleicht dem Manne zu Theil wird, der gleich unvollkommen an Leib und Seele erscheint!

So ist denn der Gewinn des Herzens ein Werk des bloßen Zufalls; eine Gabe, ein Geschenk des Himmels, zu der unsere Kräfte und deren Leitung nichts beytragen? Hier gehst du wieder zu weit! Freylich, Anlagen, die nicht ganz unser Werk sind, werden vorausgesetzt. Aber wir müssen sie kennen, um sie zu entwickeln; sie lassen sich ausbilden, und durch Fleiß und Kunst