Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/263

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Du, den das Schicksal ohne dein Verschulden länger in dieser gespannten Bestrebung erhält, such ihr eine edle und schöne Richtung zu geben! Fühle dich dadurch gestärkter zu großen Gesinnungen und Thaten, erweichter für die Eindrücke allgemeiner Menschenliebe! Laß die Welt um dich her in schönerer Gestalt erscheinen, laß jedes deiner Werke, deiner Worte, deiner Handlungen von dem Geiste athmen, den nur die Liebe zu einem edlen Gegenstande, und der Wunsch seiner würdig zu seyn, ihnen einhauchen kann. Dann wirst du dich mit Rousseau über dein niedriges Selbst heben; dann wirst du mit Petrarca in den Blüthen der Bäume Liebesgötter flattern, in deiner Geliebten das Ideal weiblicher Sittlichkeit und Anmuth sehen, und mit Plato, Raphael und Milton dich zu dem Urbilde der Schönheit hinauf schwingen! Dein Beyspiel wird die Geliebte zur Tugend entflammen, und zu einer Zeit, worin sie noch nicht das Glück der Liebe mit dir theilt, wirst du bereits durch die erweckten Gefühle der Achtung und Nacheiferung ihr ein hohes Gut und einen süßen Genuß bereiten.


Drittes Kapitel.
Erstes Ausfinden der Gegenliebe.

Herder sagt: den höchsten Grad der Entzückung in der Liebe suche ich in dem ersten glücklichen Finden, in dem über alle Beschreibung glücklichen Augenblicke, in dem die Geliebten gewahr werden, daß sie sich lieben!

Freylich ein hoher Grad der Entzückung, ein ewig merkwürdiger Augenblick! Aber warum der höchste Grad,