Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/307

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Funfzehntes Kapitel.
Fortsetzung.

Allen diesen Talenten giebt nur Eigenthümlichkeit der Erfindung, oder wenigstens des Ausdrucks, wahren und dauernden Werth. Und hier zeigt sich der große Einfluß der Liebe; Sie ersetzt oft die Originalität des Genies!

Der Liebende nimmt alles, was er giebt, aus seinem Herzen, aus seinen individuellen Verhältnissen, um es einem Herzen unter gleichen Verhältnissen zuzuführen. Er giebt sich folglich selbst in seinem Talente, und zwar nicht zur Bewunderung, sondern zur Rührung. Aber eben darum, weil er aus dem Umfange der Kunst nur dasjenige aufnimmt, worin er sich selbst wiederfindet, weil er es in der unmittelbaren Absicht anwendet, um ein Herz, das er ganz kennt, zu rühren; eben darum giebt er oft mehr als der Virtuose, der nur aus Gewinnsucht oder aus Eitelkeit, seine Talente ausübt. Der Stümper kann zuweilen im Ausdrucke der Liebe als Genie erscheinen!

Ohne diese Eigenthümlichkeit sind alle schönen Künste ein elendes Unterhaltungsmittel für Geist und Herz, wenn sie gleich mit der größten Fertigkeit ausgeübt werden. Das Angelernte, Anempfundene, setzt in Bewunderung, aber nur dasjenige, was aus uns selbst hervorgefühlt ist, rührt.

Liebe spannt die Phantasie, Liebe erhöht die Vorahndungsgabe, das Vermögen entfernte Verhältnisse an das Gegenwärtige anzuknüpfen, welche bey der Schöpfungsgabe so wichtig sind. Liebe schärft den leisen Anschlag für das Zusammenhängende, Wohlgeordnete,