Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/331

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o so erweckt wenigstens nicht den Verdacht, als wenn ihr an unserer Qual, an unsern Thränen Gefallen nähmet! Hütet euch vor Ungerechtigkeit, und wenn ihr darein verfallt, so laßt uns wenigstens die Ueberzeugung, daß die Gewalt einer liebenden Leidenschaft euch hingerissen hat, und daß ihr nicht in der Freude eures Herzens uns durch erlogene Kälte und hervorgesuchte Vorwürfe mißhandelt! Dann, dann dulden wir gern! Dann sind uns selbst die Thränen theuer, die wir unverschuldet vergießen!

Und wie hält die Wonne der Wiederversöhnung für alle Martern des kurzen Mißverständnisses schadlos! Man sollte glauben, diejenigen, welche diesen Augenblick nicht kennen, hätten die Freuden der Liebe nicht völlig ausgekostet! Wer beschreibt die frohe Wahrnehmung der unbefangenen Unschuld, oder auch der innigen Reue, neben der liebenden Schonung, die gern selbst das Unrecht auf sich nehmen möchte, das der Schuldige anerkennt! Wer die himmlische Ahndung der Zärtlichkeit, die durch den Unmuth durchbricht, und der endlich alles besiegenden Liebe, wenn sich jetzt das Auge der Geliebten sanfter zu euch wendet, und ihre Hand sich dem Druck der eurigen nicht länger versagt! Jetzt sinken sie an einander, die Liebenden, die Wiedervereinten! Auf ihren Wangen, die zugleich von der erlöschenden Hitze des Zorns, und der empor steigenden Wärme sanfterer Affekte glühen, mischen sich Thränen des Kummers unter Thränen der Freude! Der gepreßte Seufzer des Schmerzens verliert sich in den süßathmenden Hauch der zärtlichsten Wonne, und das Herz deutet mit lauten Schlägen das Gefühl einer Seligkeit an, das durch kurze Entbehrung noch erhöhet ist.