Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 2.djvu/337

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Laßt uns noch sehen, wie beyde, Mann und Weib, sich darunter wechselseitig, und auf eine ihrem Geschlechte eigenthümliche Art zu Hülfe kommen können.

Tugend, ich habe es schon mit andern Worten gesagt, ist das anhaltende Wohlgefallen an unserer Bestimmung, dem vernünftigen Wesen in uns und in andern für die ganze Zeit unsers und ihres Daseyns nützlich zu werden, verbunden mit überlegter, durch Gesetze der Wahrheit und Zweckmäßigkeit geleiteter Fertigkeit, diese Bestimmung auszufüllen.

Jede Kunst setzt in dem Künstler Fähigkeiten, Liebe zu seiner Bestimmung, Kenntniß der Zwecke und der Mittel, sorgsame Behandlung, und eine durch Nachahmung und Uebung erlangte Fertigkeit zum Voraus. So auch die Tugend.

Unsere geselligen, unsere selbstliebenden Triebe, in so fern sie auf Erhaltung und Fortbildung unsers vernünftigen Wesens gehen, sind die Fähigkeiten, die Anlagen zur Tugend. Sie machen gleichsam den Stoff aus, den Verstand und Vernunft bearbeiten, indem sie ihm eine innere Wahrheit und Tüchtigkeit, (Nutzbarkeit,) und eine äußere Brauchbarkeit, (ein Nützlichseyn,) anweisen und geben. Dann müssen Fertigkeit und Liebe zum Dinge hinzutreten.

Der Stoff ist bey dem Weibe weit besser als bey dem Manne, weit geschickter die Zwecke der Vernunft zu erfüllen; das sogenannte gute Gemüth ist dem zärteren Geschlechte der Regel nach angeboren. Es ist von Natur mitleidig, sanft, zuvorkommend, aufopfernd. Es ist vorsichtiger, mäßiger im Genuß des Gegenwärtigen, geduldiger bey Erwartung der Zukunft, weniger übermüthig im Glück, weniger niedergedrückt durch Unglück.