Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/127

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Die glaubwürdigsten Zeugnisse sprechen von einer Aspasia, die von einer Hetäre zum Range einer Gattin des Pericles erhoben worden ist, und den größten Einfluß auf die Begebenheiten ihrer Zeit gehabt hat. Sie wird als eine Frau von außerordentlicher Politur der Sitten, Weisheit und Kenntnissen geschildert, und daran muß ich glauben. Allein eben das große Aufsehn das sie gemacht hat, scheint mir das Ungewöhnliche ihrer Vorzüge zu beweisen.

Man spricht ferner von einer Diotima, von der Sokrates die Kunst zu lieben, nach dem Zeugnisse des Plato, gelernt haben soll. Aber diese gehört nicht hieher. Sie ist offenbar ein idealisches Wesen, eine Begeisterte, eine Seherin, und nichts führt uns darauf zurück, sie für eine Hetäre zu halten.

Dann liefert uns Xenophon[1] ein Gespräch, das Sokrates mit einer berühmten Buhlerin, Theodota, gehalten haben soll. Es ist der Mühe werth, dieß Gespräch etwas näher kennen zu lernen, um zu prüfen, ob die Dame, die hier geschildert wird, wirklich die Kunst zu gefallen, in einem so hohen Grade besessen habe, wie man es gemeiniglich von allen andern ihres Standes behauptet.

Als Sokrates mit seinen Schülern zu ihr kam, so stand sie gerade einem Mahler zum Modell. Der Umstand ist wichtig; er zeigt zum Voraus auf die Reitze hin, denen Theodota ihre Macht über die Männerherzen zuschrieb. Sokrates, der einen großen Luxus in ihrem Hause findet, fragt sie nach ihren Erwerbmitteln; und als sie die Wohlthaten ihrer Freunde als solche angiebt,


  1. Memorab. Socratis III. 2.