Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/247

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und des Seneka, beurtheilen mußte; sondern zugleich das System einer großen Sekte in Rom, von der wir in der Folge noch mehrere Anhänger kennen lernen werden, ziemlich vollständig in sich faßt.

Lukrez hat nehmlich die Liebe völlig mit derjenigen Leidenschaft verwechselt, welche auf den gröbsten Trieben der Geschlechtssympathie (Venus) beruht, und Lieben für leidenschaftliches Streben nach Körperverbindung zwischen zweyen bestimmten Personen gehalten.

Diese Meinung ist nun freylich von jeher die gangbarste unter dem großen Haufen gewesen, und wird es auch wohl auf immer bleiben; denn ihre Faßlichkeit scheint für ihre Uebereinstimmung mit Natur und Wahrheit zu bürgen. Es wird daher wohl der Mühe werth seyn, das Unwahre, Unzusammenhängende in der Darstellungs- und Erklärungsart, die Lukrez uns von der Liebe giebt, zu zeigen, und dadurch zugleich zu beweisen, daß Bilder, die den Werth haben, eine sinnliche Anschauung zu gewähren, darum nicht immer die strengeren Forderungen des Verstandes und der Vernunft befriedigen.

Um die Gedanken des Lukrez über dasjenige, was er Liebe nennt, besser zu begreifen, muß man wissen, daß er die Art, wie Eindrücke und Reitze in unserm Innern entstehen, einer Emanationskraft anderer Körper zuschreibt, von denen sich gewisse Formen nach Art der Rinden, oder Hüllen, Schalen, ablösen, durch die Oberfläche unsers Körpers durchdringen, und in uns wirken. Diese Emanationen nennt er Bilder. (Imagines, Simulacra.)