Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/329

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auch hier die ästhetische Veredlung der Liebe, auf die ich schon in den Gedichten des Tibulls aufmerksam gemacht habe, durch den vollkommensten Ausdruck eines für das Wohl des Andern sich aufopfernden Herzens! Ein Beyspiel dieser Art finde ich in dem Wunsche der Sulpicia, die Herstellung ihrer Gesundheit nicht wieder erhalten zu wollen, wenn sie dem Cerinth gleichgültig seyn sollte: [1] noch auffallender in der Bitte, die sie an die Götter richtet, den Jüngling wegen ihrer Krankheit zu beruhigen: [2] und in dem schönen Zuge von Reue, wenn sie ihrem Geliebten das Recht giebt, sie durch Kälte zu bestrafen, weil sie die Heftigkeit ihrer Leidenschaft durch willkührliche Trennung habe verbergen wollen. [3]

Es ist nicht möglich, Gefühle dieser Art zu lesen, ohne in unserer Seele Bilder ihres vollkommenen inneren Gehalts, mithin auch begeisternde Bilder aufsteigen zu sehen, welche dieser Liebe den Charakter des ästhetisch Edeln geben. Wie reitzend sind aber zugleich die Formen, worin diese ästhetisch edle Liebe eingekleidet, und dadurch zugleich verschönert wird! Ich führe statt aller Beyspiele nur eines nach der Uebersetzung des Herrn Manso an, obgleich die Schönheit des Originals nicht völlig erreicht ist:

Schutzgöttin Juno, nimm vom heiligen Altare
Des Weihrauchs süßen Duft aus deiner Freundin Hand!
Dein ist sie, dein: dir hat sie Stirn und Haare
So schön gekränzt, dir wallt ihr rosiges Gewand.


  1. Carm. XI.
  2. Carm. IV.
  3. Carm. XII.