Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.1.djvu/338

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Nachahmung der griechischen Idyllendichter, die sich absichtlich in ein roheres Zeitalter hineinversetzten.

In der Aeneide ist das vierte Buch wegen der pathetischen Darstellung der Leidenschaft der Liebe allgemein berühmt. Es ist aber nicht die Liebe; es ist die Leidenschaft der Geschlechtssympathie, die in der Dido dargestellt wird. Ein liebendes Weib würde Aeneas nicht mit seinen Flüchen verfolgt haben. Ihr Tod, die Aufopferung ihres Lebens sind Folgen, welche auch die Leidenschaft des Geitzes nach dem Verluste des Vermögens hervorbringen kann. Wir werden durch diese Aeußerung einer heftigen Begierde begeistert, weil der Eigennutz feiner ist, und allemahl ein großer Triumph des höheren Wesens über das niedrige erfordert wird, um der Süßigkeit des einsamen Lebens zu entsagen, wenn man auf die Vereinigung mit einem andern Menschen Verzicht leisten muß. Wir bewundern es, daß uns ein anderer Mensch so viel werth seyn kann: aber dieser Mensch ist es doch nicht, den wir lieben, sondern nur unser Wohl in der Vereinigung mit ihm. Es ist allemahl Eigennutz!

Dennoch hat Virgil in seiner Aeneide höhere Begriffe als in seinen übrigen Werken von dem Zuge zwischen dem beyden Geschlechtern an den Tag gelegt. Dido empfindet für den Aeneas nicht bloß Sinnlichkeit, sondern auch Schätzung, und den Trieb nach Häuslichkeit. Sie legt Werth auf treue Anhänglichkeit an dem ersten schon verstorbenen Gatten. Sie bekämpft ihre Triebe aus Schamhaftigkeit und Sorge für ihren Ruf. Der Dichter läßt sie mehr aus Verhängniß, als durch Schwäche fallen. Seine Camilla hat wahrscheinlich den