Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung | |
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nur nicht den Besitz ihrer Person, sollte er sich diesen auch wider ihren Willen aneignen, aufopfern kann.
Unanständigkeiten läßt sich Chariton nicht zu Schulden kommen. Aber der Betrug, den Callirrhoe ihren beyden Gatten spielt, besteht gewiß nicht mit Sittlichkeit.
Ich bin zweifelhaft, ob ich den Xenophon Ephesius vor oder nach dem Chariton setzen soll. Beyde haben viel Aehnlichkeit mit einander, selbst in den einzelnen Schicksalen, die sie ihren Helden widerfahren lassen. Aber dem Xenophon hatte die Natur ein zärteres Herz, hatten die Musen eine schönere Diktion gegeben. Er steht dem Chariton an Genie nach, aber an Geschmack geht er ihm vor. –
Ich muß es mir zum Gesetz machen, von jeder Art der griechischen Liebesgeschichten nur eine im Auszuge zu liefern. Ohnehin ist der gegenwärtige dem Publiko durch eine gute Uebersetzung von Bürger hinlänglich bekannt. Also nur einige Bemerkungen über das Ganze.
Die Bewerbungszeit der beyden Liebenden wird nur kurz, aber mit Wahrheit und interessant dargestellt. Die Idee, den Streit zwischen Liebe auf der einen[WS 1], Stolz und Schamhaftigkeit auf der andern Seite darzustellen, ist hier neu, und verräth das Zeitalter.
Die beyden Liebenden werden verheirathet. Die Beschreibung der Hochzeitnacht hat die zarteste Empfindung eingegeben. Ich widerstehe nicht der Versuchung, sie hieher zu setzen. Sie zeigt, wie sehr man damahls die Freuden der Sinnlichkeit durch das Herz, das sie darbot, zu heben, und dadurch ihren Genuß zu erhöhen wußte.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: einem
Basilius von Ramdohr: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils erste Abtheilung. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1798, Seite 388. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ramdohr-Venus_Urania-Band_3.1.djvu/388&oldid=- (Version vom 1.8.2018)