Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.2.djvu/232

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Zwölftes Kapitel.
Liebe bey den spanischen, französischen, englischen und deutschen Dichtern.

Die Spanier haben wahrscheinlich von den Troubadours und Arabern zu gleicher Zeit gelernt.

Ihre erotischen Gedichte zeichnen sich durch den abgemessenen steifen Ausdruck einer schwärmerischen Verehrung der Schönheit aus. Es ist nicht genug, daß der Liebhaber traure; er muß in Verzweiflung gerathen, wenn er vollkommen lieben soll. Der Witz der Spanier braucht nicht bloß Seufzer und Thränen, sondern Feuer, Brand und Tod, um die Leidenschaft zu bezeichnen. Dabey mischt sich ihr religiöser Fanatismus allerwärts mit ein. Einige Dichter haben die Klaglieder der Propheten, andere den Psalm de profundis auf ihre Leiden parodiert. Andere haben diejenigen als Märtyrer kanonisiert, die aus Mangel an Gelegenheit, ihre Damen zu sehen, gestorben sind. Man hat kaum einen Begriff von den abentheuerlichen Bildern und dem falschen Witze, wodurch sie ihre Bewunderung der Schönheit, und ihre Leidenschaft auszudrücken suchen. „Seitdem ihr geboren seyd, sagen sie, ist die Schönheit aus der Welt verschwunden, ihr allein habt sie hingenommen.“ – „Ihr entfernt das Gegenwärtige, und vergegenwärtigt das Entfernte; denn euer Anblick raubt zu gleicher Zeit alle Erinnerung an das Abwesende, und alle Empfindung des Nahen.“ – „Wer eure Größe mit weltlichen Dingen vergleichen wollte, würde die Vernunft brauchen, um die Geheimnisse des Glaubens