Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung

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Autor: Basilius von Ramdohr
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Titel: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung
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Erscheinungsdatum: 1798
Verlag: Georg Joachim Göschen
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[1]
Venus Urania.

Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung.

Dritten Theils zweyte Abtheilung.


Von
Fried. Wilh. Basil. von Ramdohr.

Leipzig,
bey Georg Joachim Göschen. 1798.
[3]
Dritter Theil.

Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe.





[343]
Kurze Uebersicht
des Inhalts des dritten Theils.

Zweyte Abtheilung.

Den Arabern und Persern wird ein großer Einfluß auf die Kultur des Abendlandes überhaupt, und besonders auf diejenige Sitte beygelegt, die wir mit dem Nahmen der Galanterie bezeichnen. Es ist daher wichtig die Denkungsart dieser Völker über Geschlechtsverbindung und Liebe kennen zu lernen.

In den Vorstellungen des Orients sind zwey Perioden zu unterscheiden, von denen die eine vor der näheren Bekanntschaft mit den Schätzen der griechischen Litteratur und dem Aufleben der neuern persischen Poesie, die andre nachher angenommen werden muß. In der ersten, die vom siebenten Jahrhunderte bis zum zehnten dauert, stand die Liebe des Arabers, die gewiß nur sinnliche Zwecke hatte, mit seinem kriegerischen Enthusiasmus in genauer Verbindung. Er sah seine Tapferkeit als ein Mittel, zum Besitz der Schönen zu gelangen, und diesen Besitz als eine Belohnung seiner Tapferkeit an. Eine idealisierende Phantasie und die Füllung des Herzens traten außerdem hinzu, den körperlichen Genuß durch Freuden zu erhöhen, die mehr für die Seele gehören.

In der zweyten Periode, die mit dem zehnten Jahrhunderte angeht, und bis zum funfzehnten herunter fortdauert, sind die Araber mit den griechischen Philosophen bekannt geworden, [344] und haben Geschmack an den Dichtungen der Perser gefunden. Von nun an wird es für die Vorstellungen beyder Völker charakteristisch, daß sie das Edle in der Liebe in einer Begeisterung suchen, die an Wahnsinn grenzt: und das Schöne ihrer Form in dem abentheuerlichen, bilderreichen oft auch nur spitzfindigen Ausdruck der Empfindungen. Jene Begeisterung stand mit dem orientalischen Mysticismus in genauer Verbindung, und dieser unterscheidet sich darin von dem christlichen, daß er die Sinnlichkeit nicht ausschließt, vielmehr die Besessenheit, worin die Leidenschaft zur Kreatur den Menschen versetzt, als die erste Stufe betrachtet, um zur reinen göttlichen Liebe zu gelangen. Verschiedene ähnliche Wirkungen, welche beyde auf das Herz und die Imagination des Menschen hervorbringen, unterstützten diese Idee.

Von der Rittergalanterie findet man unter den Arabern und Persern nur sehr wenig oder vielmehr gar keine Spuren, wenn man anders nicht die Vereinigung des kriegerischen Muths mit sinnlicher Liebe dafür annehmen will. Ueberhaupt dürfte das Institut der Ritterschaft und ihr Geist schwerlich aus dem Oriente herzuleiten seyn. Was die sogenannte Galanterie der Mauren in Spanien an ähnlichen Gebräuchen zeigt, ist auf die ursprünglichen Besitzungen der Saracenen nicht anwendbar, und weicht auch, besonders in Rücksicht der Huldigung, welche dem schönen Geschlechte öffentlich dargebracht sind, wesentlich ab von der Galanterie, die an christlichen Höfen im vierzehnten und funfzehnten Jahrhunderte gewöhnlich war. –

Inhalt des neunzehnten Buchs.


Im Abendlande zieht, während des Mittelalters, die Galanterie unsre ganze Aufmerksamkeit an sich. Aber es [345] kommt auf eine genaue Bestimmung ihres Begriffs, und der Zeit an, worin sie herrschend geworden ist.

Vor dem zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte läßt sich überhaupt nichts Charakteristisches von der Denkungsart des Abendlandes über Geschlechtsverbindung und Liebe angeben. Aus dem Norden ist die Galanterie nicht zu uns herüber gekommen, und von den Arabern haben wir sie auch nicht entlehnt. Sie hat sich im Abendlande, und besonders im südlichen Frankreich von selbst und allmählig aus der herrschenden Denkungsart in allen Dingen überhaupt, aus der Lage der Stände und Geschlechter gegen einander im geselligen Verkehr, und endlich aus dem Ueberreste von klassischer Litteratur, die daselbst nie ganz verloren gegangen ist, entwickelt. Vom zwölften Jahrhunderte an suchten die Menschen der bisherigen Anarchie müde, eine bessere Ordnung in ihre Verhältnisse gegen Kirche, Staat, Sitten und Wissenschaften einzuführen. Dieß Bestreben war aber mit Ueberspannung und Unbehülflichkeit verknüpft, und ihre Folgen zeigten sich in abentheuerlichen Gesinnungen und Thaten, so wie in steifer und unnützer Förmlichkeit.

Nimmt man hinzu, daß die gesellige Kultur sich nur auf die Höfe beschränkte: daß sich dort die Geschlechter nicht anders als bey feyerlichen Gelegenheiten sahen: daß nur verheirathete Frauen vom hohen Stande bey diesen Zusammenkünften erschienen: daß die Vorzüge, welche damahls besonders geschätzt wurden, im kriegerischem Muthe, mit hinschmelzender Humilität gepaart, in Poesie, Musik und Courteoisie, bestanden: und daß endlich bey der Entfernung, worin der Liebhaber zu der Geliebten stand, der sicherste Weg zu ihrem Herzen durch die [346] Imagination gebahnt wurde; so kann man schon hieraus mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit den Gang entwickeln, den die Veredlung und Verschönerung der Geschlechtsverbindung und Liebe hat nehmen müssen.

Zweyerley Hauptarten darüber zu denken, lassen sich ahnen[WS 1] und festsetzen. Beyde verlangten Anhänglichkeit an vornehmen Frauen: beyde suchten durch abentheuerliche Thaten vor ihren Augen zu glänzen: beyde brachten die schmelzendste Empfindsamkeit und die schmachtendste Niederwürfigkeit in den Ausdruck der Leidenschaft: beyde kleideten ihre Huldigungen in diejenige steife Förmlichkeit, welche dem Ritual der Kirche, und dem Ceremoniel bey Höfen und Lehnsinvestituren eigen war; beyde bedienten sich endlich der muntern Kunst, und der Courteoisie zu Schleyern und zu Waffen ihres Angriffs; aber in der Bestimmung des Zwecks, den sie mit diesen Aufwartungen verbanden, gingen sie von einander ab.

Eine willkührliche Enthaltsamkeit von aller Sinnlichkeit, aus der Idee, daß diese den Menschen und die Liebe erniedrige, läßt sich von diesem Zeitalter nicht erwarten. Es verdammte entweder die Geschlechtsliebe, als eine mit der Liebe zu Gott unverträgliche Leidenschaft; oder es verband damit sinnliche Zwecke. Allein wenn unüberwindliche Hindernisse sich der gänzlichen Vereinigung entgegen setzten; so konnte der Liebhaber in dem Bewußtseyn wieder geliebt zu werden, in der Befriedigung seiner Ruhmsucht und Eitelkeit, endlich in der Unterhaltung und Spannung, welche ihm Intrigue und Begeisterung gaben, Schadloshaltung finden, und seine Zufriedenheit mit einem so unkörperlichem Genusse laut verkündigen. Diese [347] Art von Verbindung nenne ich die ruhmsüchtig geistige Galanterie.

Neben ihr konnte eine gewöhnlichere Veredlung der Geschlechtsverbindungen bestehen. Diese leistete keinesweges auf die körperliche Vereinigung Verzicht, wollte sie aber durch lange Aufwartung, Treue und Verschwiegenheit verdienen. Ich darf diese Art von Verbindungen die anständig sinnliche Galanterie nennen.

Außer diesen beyden Denkungsarten über die Liebe muß man aber auch die zügelloseste Ausgelassenheit bey Befriedigung der Geschlechtssympathie annehmen, besonders in den Verhältnissen mit Weibern von gleichem oder geringerem Stande.

Diese Bemerkungen werden durch die Werke der provenzalischen Dichter unterstützt.

Die Bildung ihrer Ideen und ihres Ausdrucks haben sie den Arabern nur in sehr entfernter Maße zu verdanken, weit mehr dem Tone der aus den Schulen der damahligen Rhetoren und Grammatiker heraus hallte, worin der Geist der griechischen und römischen Litteratur nie ganz erloschen ist.

Man trifft bey ihnen keine Idee von einer willkührlichen und fanatischen Enthaltsamkeit des sinnlichen Genusses an, wohl aber Spuren der ruhmsüchtig geistigen, auch anständig sinnlichen Galanterie: wiewohl diese Verhältnisse noch nicht den Zusammenhang und die Konsistenz einer Sitte erhalten haben, auch den Nahmen der Galanterie noch nicht führen. Die ersten finden bey diesen Dichtern besonders ihren Grund in dem Umstande, daß die verliebten Gedichte an Fürstinnen und andre vornehme Damen gerichtet wurden. Viele der dargestellten Situationen gehören aber bloß in die Dichterwelt, und schwerlich [348] haben die Troubadours häufig in wirklichen Liebesverständnissen mit den Frauenzimmern gestanden, an welche ihre Gedichte gerichtet waren. Neben einer edleren Behandlung der Liebe, zeigen sie den schamlosesten Leichtsinn.

Bey den nördlichen Franzosen ist die anständig sinnliche Galanterie mehr ausgebildet worden, als die ruhmsüchtig geistige. Bey den deutschen Minnesängern findet man mehrere Spuren der letzten, aber nirgends Beweise einer fanatischen Enthaltsamkeit.

Die Romanenschreiber aus dieser Zeit kennen eben so wenig den Nahmen der Galanterie als die Dichter, und ihre Werke athmen weit weniger von ihrem Wesen. Das Alter, worin die Romane verfertigt sind, läßt sich nicht bestimmen. Diese sind aus den Legenden der Heiligen herzuleiten, und haben ursprünglich eine ascetische Tendenz gehabt.

Nach Gründen zu urtheilen, die aus dem Innern dieser Produkte hergenommen sind, ist Turpins Geschichte Carls des Großen eines der ersten. Der Stoff zu den Rittern und Riesen, die in diesem Romane vorkommen, ist aus der Bibel genommen, doch ist dem Verfasser auch die profane Geschichte nicht unbekannt gewesen.

Die Liebe spielt hier gar keine Rolle, und in den übrigen Romanen vom Hofe Carl des Großen nur eine sehr untergeordnete und niedrige. Der Geist der irrenden Ritterschaft, die Gefechte zu Ehren der Damen, die Tourniere, wobey sie den Preis ausgetheilt haben sollten, u. s. w. werden hier vergebens gesucht.

Mehr von diesem Geiste der irrenden Ritterschaft und der Galanterie zeigen die Romane von der Tafelrunde. Sie stellen beynahe lauter Intriguen zwischen Rittern und verheiratheten Königinnen dar; diese Verhältnisse [349] sind jedoch nicht ruhmsüchtig geistig, sondern anständig sinnlich: noch dazu können sie nur nach sehr laxen Begriffen von Anstand so genannt werden. Alle, und besonders Gottfrieds von Monmouth fabelhafte Geschichte von Britanien, zeigen Bekanntschaft mit der alten Litteratur.

Nichts führt uns auf die Nothwendigkeit zurück, den Ursprung des Ritterromans von den Morgenländern herzuleiten; und die Nachbildung bestimmter Muster unter diesen ist höchst unwahrscheinlich. Das was sie mit den Abendländern gemein haben, läßt sich völlig aus einer Bekanntschaft mit den arabischen Mährchen durch Tradition, und aus der Aehnlichkeit der Lage ihrer Kultur und ihrer Verfassung erklären.

In der wirklichen Welt scheinen im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte die Weiber im weitern Verkehr mit den Männern nur wenig öffentliche Verehrung genossen zu haben, und nur selten scheint man der Veredlung der engern Geschlechtsverbindung nach den Grundsätzen, die eben entwickelt sind, nachgestrebt zu haben. Aber ihre Darstellung in Gedichten und Romanen hat gefallen, und in so fern ist der Keim der Galanterie, in der Dichterwelt dieser beyden Jahrhunderte zu suchen.

Inhalt des zwanzigsten Buchs.


Der Zeitraum vom vierzehnten Jahrhunderte an bis ins siebzehnte hinein, hat diejenige Gestalt der Sitten, deren roheste Züge das zwölfte und dreyzehnte angelegt hatte, weiter ausgebildet. Besonders verdankt ihm die Galanterie ihren Nahmen, eine bestimmtere Form, und ihren höchsten Flor. Die nähere Bekanntschaft [350] mit den Werken der Alten, der romantische Hof Eduards des Dritten, die beginnende Ausbildung der Landessprachen unter mehreren Nationen von Europa, das Erscheinen des Petrarka und der spanischen Romane machen hier Epoche. Auffallend zeigt sich der wieder auflebende Geschmack in der Philosophie, in den schönen Künsten, und in den Verhältnissen des geselligen Lebens mit eben den Fehlern behaftet, die wir zur Zeit seines Verfalls unter den Römern und Griechen, nach der Zeit der Antonine bemerkt haben. Er hat sich also einer größeren Reinheit zurückgehend genähert, und strebt in dieser Periode noch nach eingebildetem Adel und falschem Schmuck.

Man sucht gemeiniglich in dem Geiste der Ritterschaft den Grund der mehrsten Erscheinungen, welche die Sitten dieses Zeitalters darbieten. Ein allgemeiner Geist dieser Zunft berittener Krieger hat nie existiert, und wenn er vorhanden gewesen ist, so hat er den excentrischen Idealen nicht geglichen, welche man gemeiniglich dafür ausgiebt. Nur zuweilen und in einzelnen Korporationen der Ritterschaft haben edlere Begriffe von ausgezeichneter Wohlanständigkeit, Folge der zunehmenden Geisteskultur, wiewohl vermischt mit vieler Abentheuerlichkeit und bloßer Konvention, geherrscht; aber ihr Einfluß ist immer nur periodisch und theilweise, besonders auf die Höfe der Großen anzunehmen. Der gesellige Ton hat in dieser Zeit an Politur gewonnen, aber er ist immer noch auf das Verkehr zwischen Menschen berechnet, die sich selten und nur bey feyerlichen Gelegenheiten sehen. Er ist nicht mehr unbehülflich, aber er ist anmaßend und geziert.

Der Zustand der Weiber hat an äußerem Schimmer nicht aber an innerem Wohlseyn gewonnen. Man hat Schmeicheleyen an sie verschwendet, man hat häufig über den [351] Vorzug ihres Geschlechts vor dem unsrigen gestritten. Aber neben den Anbetern, fanden sich auch Spötter ihres Ansehns: und vieles was zu ihrem Lobe gesagt ist, muß als Redeübung der Rhetoren und Dialektiker betrachtet werden. Ueberhaupt verlieren die Huldigungen, welche dem zärteren Geschlechte dargebracht wurden, sehr viel an innerem Gehalte, wenn wir sie als Zubehör zu einem pomphaften Ceremoniel an Höfen, und besonders bey feyerlichen Gelegenheiten betrachten.

Diese Bemerkungen leiten zu einem richtigen Begriffe von der Denkungsart dieser Periode über Geschlechtsverbindung und Liebe.

Die Philosophen, größtentheils Neuplatoniker und Mystiker, verwarfen im Anfang alle Geschlechtsliebe, als eine schädliche Leidenschaft zur Kreatur, die von der Liebe zu Gott und seinem Reiche abzöge. Späterhin nahmen sie jedoch die Liebe zum Weibe, unter der Bedingung in Schutz, daß die Seele vorzüglich geliebt würde, und daß sie uns zur Tugend anfeure. Von ihnen, und besonders von den Italiänern, geht die Idee aus, daß eine freywillige Enthaltsamkeit vom körperlichem Genuß, die Liebe zum Weibe veredle. Es gab aber andere, welche die Liebe bloß als sinnliche Begierde betrachteten, und nur anriethen, sie durch die Besorgung der Intrigue schmackhafter und dauernder zu machen.

Die Romanenschreiber der Spanier setzten die Veredlung der Liebe in schmelzender Schwärmerey, in gänzlicher und dauernder Aufopferung für den angebeteten Gegenstand: die Verschönerung aber, in dem pomphaften, schwülstigen, gernwitzigen Ausdrucke jener Gesinnungen. Der Einfluß der Mauren wird hierbey sehr anscheinend.

Die Franzosen behandeln in den früheren Produkten dieser Art die Liebe leichter, in den spätern mit [352] eben dem Ernst, aber mit feinerer Lüsternheit wie die Spanier, und gelangen gegen das Ende dieser Periode zu der höchsten sittlichen Veredlung, zu der sich die Leidenschaft der Geschlechtssympathie heben läßt. Allein es fehlt ihnen an dem Gefühle des wahren Wesens der Liebe, und an Geschmack.

Der Italiäner hat sich mit dem bürgerlichen Romane viel beschäftigt, und in der Liebe denjenigen Reitz gesucht, den feinere Sinnlichkeit und Heimlichkeit ihr gewähren.

Engländer und Deutsche sind größtentheils Nachahmer ihrer Nachbaren geblieben. Merkwürdig sind die beyden Bemerkungen: 1) daß der Einfluß der griechischen Erotiker auf die mehrsten Romane dieser Zeit unverkennbar ist: 2) daß neben den Produkten dieser Art, welche die Liebe als ein ernstes Geschäft behandeln, allemahl andere aufgestellt werden können, welche sie mit der größten Ausgelassenheit als ein bloßes Mittel zur Belustigung und zur Befriedigung noch gröberer Triebe schildern.

Unter den italiänischen Dichtern hat Petrarka den größten Einfluß auf die Denkungsart seiner Landesleute und der übrigen Nationen gehabt. Er sah sie anders als Philosoph, anders als Dichter an. In der ersten Eigenschaft verwarf er sie als schädlich: in der letzten war sein System ganz auf den Zustand eines unglücklichen Liebhabers berechnet, der aus dem Zustande einer hinschmelzenden Begeisterung, und aus den Träumen einer lieblichen Phantasie, selbst bey der Trennung von dem vergötterten Gegenstande, den reitzendsten Genuß zu ziehen weiß. Er hat viele Nachfolger in Italien gefunden. Andere Dichter dieses Landes haben aber der Liebe ein fröhlicheres Ansehn gegeben. Doch blieb, besonders gegen das Ende dieser Periode, der Grundsatz herrschend, daß die Seele allein Liebe verdiene, weil sie allein der Gegenliebe fähig sey, und [353] daß sie die Freuden des Körpers gewähren, bewachen, und veredlen müsse. Der Ausdruck dieser Gesinnungen war zur Zeit des Flors der italiänischen Litteratur züchtig in seinem Glanze: späterhin verfiel er in den falschen Pomp und Witz der Spanier.

Eine Schwärmerey die an Wahnsinn gränzt, excentrische Ideale, matter Gernwitz, ungeheure und unverständliche Hyperbole, zeichnen größtentheils die erotischen Gedichte der Spanier aus. Ihr Geschmack hat sich nach und nach allen Nationen mitgetheilt. Selbst die Franzosen haben ihm gehuldigt, wo sie nicht den früheren Italiänern nachahmten; nur im asotischen Tone haben sie etwas Eigenthümliches.

Der Autor findet hier Gelegenheit von den Cours d’amours zu reden, und zu zeigen, daß sie nie über den Rang geselliger Einrichtungen, zur Belustigung, oder literärischer Gesellschaften gestiegen, und nie Sittengerichte gewesen sind.

Der wichtige Einfluß, den die Liebe auf die schöne Litteratur, und auf die gesellige Unterhaltung überhaupt in diesen Zeiten gehabt hat, ist unverkennbar. Aber nun bleiben die wichtigen Fragen übrig: welchen Einfluß hatte sie auf das handelnde Leben, und was ist am Ende der unterscheidende Charakter der Galanterie, als Sitteninstitut betrachtet?

Der Einfluß der engeren Geschlechtsverbindungen auf das handelnde Leben ist allerdings groß gewesen; aber er ist nur bey Höfen, und auch hier nicht allgemein, nicht in gleicher ununterbrochener Stärke anzunehmen. Vieles davon ist auf Rechnung des Hofceremoniels abzusetzen. Nirgends aber findet man eine sichere Spur, daß der Ausspruch des Weibes über das Ansehn des Mannes in den Augen des Publikums eine vollgültige Entscheidung abgegeben habe: nirgends daß die engeren Verbindungen [354] zwischen den Rittern und Damen darum für edel gehalten worden wären, weil man im Allgemeinen ihre Reinheit von aller Sinnlichkeit vorausgesetzt habe.

Die Hauptzüge der Galanterie liegen in der wahren oder scheinbaren Unterwerfung unter den Willen des schönen Geschlechts: in der lauten Bewunderung seiner Vorzüge und in der öffentlichen Darstellung dieser Gesinnungen unter dem Schutze der guten Sitte, selbst in Fällen wo Moral und Gesetze die Bewerbung um die Gunst eines Frauenzimmers mißbilligen.

Die Galanterie hat erst nach und nach diese charakteristische Form erhalten. Mehrere Ursachen haben zur Gründung und Ausbreitung ihres Ansehns beygetragen. Hauptsächlich aber verdankt sie den Schutz, den ihr die gute Gesellschaft angedeihen ließ, dem Nutzen, den diese daraus für ihre Unterhaltung zog. – Sie hat nach Verschiedenheit des Charakters der Nationen, und ihrer Lagen, verschiedene Modifikationen erhalten müssen. Der Italiäner gab den galanten Verbindungen, die heimlich auf feiner Lüsternheit und dem Triebe nach freier Beschäftigung beruhten, den äußern Schein einer süßen Empfindsamkeit, zur Erhöhung einer geselligen Muße, und eines kontemplativen Lebens. Der Spanier, der heimlich die Befriedigung einer gröberen Sinnlichkeit und eines geistigen Stolzes suchte, gab jenen Verbindungen äußerlich den Schein einer auf Heldenmuth im Dulden und Handeln beruhenden Leidenschaft. Der versatile Franzose behandelte sie bald wie der Italiäner, bald wie der Spanier, und mischte allemahl viel prahlende Eitelkeit mit ein. Der Engländer ahmte seinen Nachbaren mit etwas Schwerfälligkeit und drückender Anmaßung nach, und dem Deutschen ist außer seiner Steifigkeit und Derbheit wohl [355] schwerlich etwas Eigenthümliches in seiner Galanterie nachzuweisen.

Dieß ist der Inhalt des ein und zwanzigsten Buchs.


Unter Ludwig dem Vierzehnten breitete sich der Begriff der guten Gesellschaft und Sitte auch über die mittleren Stände in Frankreich, besonders in der Stadt Paris aus. Von nun an ward die Courteoisie zur Urbanität, und der Ton in den geselligen Verhältnissen wurde überhaupt, und besonders im Verkehr zwischen beyden Geschlechtern wahrer und natürlicher. Jetzt bekamen auch das Herz und der gute Geschmack immer mehr Antheil an den engeren Geschlechtsverbindungen, oder wenigstens an der Art sie darzustellen. Man unterschied von nun an wahre Zärtlichkeit von Galanterie, und bezeichnete mit diesem letzteren Worte diejenigen Huldigungen, welche dem schönen Geschlechte in ungebundenen Verhältnissen mehr zur Belustigung als im Ernste, mit munterer Laune und glänzendem Witze dargebracht wurden.

Unter dem Regenten riß eine große Sittenlosigkeit ein, und der herrschende Begriff, den man mit der Liebe verband, war der, einer Begierde nach sinnlichem Vergnügen, unterstützt von den Freuden, welche eine feinere Reitzbarkeit, eine feurige Imagination, und ein glänzender Witz ihm geben können. Galanterie hieß von nun an, das konventionelle Benehmen, wodurch die sittenlosen Verbindungen zwischen Personen, die zu der guten Gesellschaft gehören, sich von den Ausschweifungen der schlechten unterscheiden, indem der Schein eines zu leichten Sieges, so wie der einer [356] Hinaussetzung über Anstand und Selbstachtung vermieden wird.

Inzwischen bestanden neben den leichten und unbeständigen Geschlechtsverbindungen auch andre, die dauernder waren, und unter dem Nahmen, amours platoniques, Interêts oder Liaisons de Societé, Commerces d’habitude u. s. w. bekannt sind. Der Nahme eines ami de la maison ward in das Wörterbuch der guten Gesellschaft aufgenommen.

Die Verbindungen mit den anerkannten Buhlerinnen sind in Frankreich von der guten Sitte nie gebilligt worden. Obgleich diese Weiber einen höhern Grad von Bildung fürs Vergnügen gehabt haben als anderswo, so hat dennoch ihr Umgang den Mann von feinerem Gefühle für Anstand und Geschmack, schwerlich befriedigen können.

Unter den französischen Philosophen, welche die Geschlechtsliebe zum Gegenstande ihres Nachdenkens gewählt haben, verdient Rousseau besonders angeführt zu werden. Er hat nie wahre Herzensliebe empfunden, und keinen wahren Begriff davon gehabt. Er nahm eine doppelte Art von Liebe an: die eine nannte er die natürliche, und verstand darunter theils sinnliche Begierde, theils Häuslichkeitstrieb; die andere hielt er für eine Folge unserer bürgerlichen Verfassung, und setzte ihr Wesen in der Begeisterung, die aus dem geliebten Gegenstande ein Ideal von Vollkommenheit schafft, und dieses Ideales würdig zu werden strebt.

Die Begriffe der Engländer über die Veredlung der Liebe, welche sie besonders bey den ästhetischen Darstellungen dieser Leidenschaft in Romanen zum Grunde legen, setzen die Lage der Bewerbung eines Biedermannes um das Herz und die Hand eines sittigen Mädchens zum Voraus, das nicht sowohl [357] gegen vollkommene Pflicht und äußere Hindernisse, als gegen seine Weiblichkeit ankämpft, ehe es dem Liebhaber den Besitz seiner Person unter Autorität der Gesetze zusichert. Das schöne Geschlecht erscheint bey ihnen mit einer Verschämtheit, mit einer Zartheit der Empfindungen und zugleich mit einem zurückhaltenden Stolze, die an Schüchternheit, Hinschmelzung und zuweilen an Eigensinn gränzen: das stärkere behandelt die Liebe mehr mit vernünftiger Zärtlichkeit, als mit Leidenschaft.

Deutschland hat wenig Eigenthümliches in seinen Begriffen von der Liebe aufzuzeigen. Die eigentlichen Liebeshändel werden hier selten mit wahrem Adel und mit unverkünstelter Zartheit in den erotischen Produkten der schönen Litteratur, und im gemeinen Leben behandelt. Dagegen können wir darauf stolz seyn, in unsern höhern Ständen mehr glückliche Ehen zu kennen und diese mehr zu schätzen, als vielleicht in jedem andern Lande. Die Dänen nähern sich am mehrsten den Engländern. Von den übrigen nördlichen Nationen, welche der Verfasser nur sehr oberflächlich kennt, weiß er wenig zu sagen.

Die südlichen Völker von Europa haben mehr von der alten Galanterie beybehalten. Die Cicisbeatura der Italiäner, welche der Verfasser selbst zu beobachten Gelegenheit gefunden hat, zieht vorzüglich seine Aufmerksamkeit auf sich. Das Charakteristische in dieser Art von Geschlechtsverbindung zwischen Personen, die kein gesetzliches Band vereinigt, besteht in der Ueberzeugung von ihrer Nothwendigkeit für die Damen, um mit Anstand und einem gewissen Grade von Ansehn in der guten Gesellschaft zu erscheinen.

Diese Sitte ist ein Ueberbleibsel der alten Galanterie, die aber durch den französischen Ton eines freyern Umgangs zwischen beyden Geschlechtern besonders modificiert, und unterstützt [358] von dem Glauben an die Beschränkung der Liebe auf einen bloß geistigen Genuß, die Gestalt einer engeren Vertraulichkeit angenommen hat. Sie verdankt ihre Ausbreitung der Neigung der Südländer überhaupt, zu dem dolce far niente, der besondern Einrichtung geselliger Unterhaltungen bey den Italiänern, und der politischen Verfassung einiger ihrer Staaten.

Ueber den innern Gehalt dieser Verbindungen läßt sich durchaus nichts Allgemeines sagen. Sie kommen immer mehr ab, und der Glaube an ihre Unschuld und Unsträflichkeit wird immer schwächer.

Von der Denkungs- und Behandlungsart der Geschlechtsverbindung und Liebe unter den Spaniern liefert der Verfasser nur wenige Nachrichten, nach dem Zeugnisse eines Reisebeschreibers, und schließt endlich sein Werk mit einem traurigen Ueberblick des Zustandes, worin sich der Dienst der Venus Urania in den neuesten Zeiten befindet, und mit dem aufrichtigen Wunsche, daß sein Buch etwas zur Besserung der Begriffe und Entschlüsse seines Zeitalters beytragen möge. – Inhalt des zwey und zwanzigsten und letzten Buchs.


[359]
Verbesserungen zur zweyten Abtheilung des dritten Bandes.

Seite 005 Zeile 05 von unten: gedacht für gehabt.
- 005 - 03  - -  gehabt für gedacht.
- 006 - 04 von oben: hinein für ein.
- 007 - 15  - -  Abi für Abu.
- 010 in der letzten Zeile der Note: Asiaticae für Arabicae.
- 017 - 02 von oben: und für um.
- 040 - 09  - -  muß hinter Verdachte ein (,) gesetzt werden.
- 047 - 01 muß das (,) hinter Tons wegfallen.
- 050 - 11 muß hinter sondern das Wort sogar eingeschaltet werden.
- 055 - 09 von unten: ahnet statt ahndet.
- 083 letzte Zeile der Note: S. 20 für 29.
- 090 - 06 von unten: Montagnagout für Montagnogout.
- 101 - 12 von unten: zuschrieben für zuschieben.
- 103 - 08 von oben: gehören die Nahmen von Granet bis Fiquieras u. a. m. in eine Note, Nr. 44.
- 103 - 14 von oben: eben so die Nahmen Sordel bis Marsan in eine Note Nr. 45.
- 105 - 12 von oben: nach für noch.
- 108 in der vorletzten Zeile der Note: treizieme für troisieme.
- 117 - 07 von unten muß es heißen: Josuas Posaune und Gideons Schwert.
- 124 - 05 von oben: Holzscheit für Holzschnitt.
- 126 - 16  - -  Roloaster für Roboaster.
- 126 in der Note 70: Holzscheit für Holzschnitt.
- 128 - 09 von oben: Monmouth für Monmuth.
- 129 - 08  - -  muß hinter schrecklichster ein (,) stehen.
- 130 - 03 von unten: verliebte für geliebte.
- 133 - 13 von oben: le für de.
- 155 - 15  - -  und am wenigsten in jedem, den etc.
- 165 in der Note 5: nobilitate für nobititate und Eminentia für Emnientia.

[360]

Seite 166 Zeile 10 von oben: muß das (,) hinter Scharfsinn weg.
- 167 in der Note 8: des für de.
- 168 - 15 von oben: im für in[WS 2].
- 171 - 12  - -  allen für alle.
- 172 - 05 von unten: aber nur durch den, aber nur den.
- 192 in der Note 28: Lelio für Lelis.
- 194 - 12 von oben: Clisson für Clissor.
- 194 - 21  - -  sinnliche für heimliche.
- 211 - 04  - -  ed für id.
- 211 - 05  - -  Sdegni für Idegni.
- 226 - 09  - -  Eben so wahr ist es, für: Eben so wahr ist, etc.
- 234 - 05 von unten: schlichen für schlich.
- 241 - 09 von oben: muß das (,) hinter Cours weg.
- 241 - 17  - -  muß das (!) ein (?) seyn.
- 251 - 02 von unten in der Note: Prerogatives für Preogatives.
- 257 - 12 von oben: zärtere für zartere.
- 263 - 02 von unten: und dem Beschäftigungstriebe für und Beschäftigungstriebe.
- 268 - 02 und 9 von oben: muß hinter vorigen ein (,) stehen.
- 277 - 04 von unten: Cyrano für Cyruno.
- 278 - 07 von oben: Auffallendste für auffallendste.
- 279 - 10 von oben: dauernderer für dauernder.
- 290 - 20  - -  traulichen für traulichem.
- 297 - 07  - -  Verzärtelung von Seiten einer für Verzärtelung einer.
- 299 - 10 von unten: Sie gab nichts: sie nahm nur, und noch etc. für: Sie nahm, und gab nichts, und noch etc.
- 305 - 04  - -  können für könne.
- 311 letzte Zeile: Vergehungen für Vergehen.
- 329 - 10 von unten: nach für noch.
- 340 - 12  - -  wie einem bloßen Werkzeuge für wie bloßen Werkzeugen.
- 346 - 06 von oben: ahnen für ahnden.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: ahnden (siehe Verbesserungen)
  2. Vorlage: ei