Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredelung und Verschönerung/Dritten Theils zweyte Abtheilung/Zwanzigstes Buch

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Zwanzigstes Buch.
Denkungsart des Abendlandes über Liebe und Geschlechtsverbindung im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte. Erster Keim der Galanterie.


Erstes Kapitel.
Einleitung.

Nächst derjenigen Veredlung, welche die Schule des Sokrates den geselligen, auf Geschlechtssympathie beruhenden Verhältnissen gegeben hat, hat keine so viel Anspruch auf unsere Aufmerksamkeit, als diejenige, die wir als eine Geburt des Instituts der Ritterschaft ansehen, und mit dem Nahmen der Galanterie bezeichnen.

Diese Galanterie lebt noch, wiewohl in einem hinsterbenden Zustande, in der Cicisbeatura der Italiäner und Spanier fort, und wir suchen in ihr, vielleicht nicht mit Unrecht, den Grund zu den Regeln des Anständigen und Schicklichen im Umgange zwischen beyden Geschlechtern, die wir von allen kultivierten Ländern heut zu Tage angenommen finden.

[45] Inzwischen scheint der Begriff, den man mit dieser Galanterie verbinden muß, bis jetzt nicht hinreichend aufgeklärt und bestimmt zu seyn. Die Züge, welche uns die Geschichte davon aufbewahrt hat, sind in geringer Anzahl, schwankend, unbefriedigend. Jedermann ist berechtigt, nach der Anlage seines Herzens, in Gemäßheit seiner Erfahrungen, nach dem Einflusse seiner Launen, sich ein eigenes Bild von dieser geselligen Einrichtung zu entwerfen, und bald ihr übertriebener Lobredner, bald ihr eben so unbilliger Tadler zu werden.

„Nie, ruft der eine, ist das weibliche Geschlecht so sehr verehrt worden, als in den Zeiten des Mittelalters. Nie erschien die Liebe in einer edleren Gestalt! Damahls entschied der Ausspruch edler Frauen über den Werth des Mannes, und ihr Beyfall war die höchste Belohnung der Thaten des Helden! Lieben hieß achten: und um geachtet zu werden, mußte man lieben! Jeder Ritter wählte eine Dame seiner Gedanken, der er, gleich dem höchsten Wesen, alle seine Gefühle, alle seine Handlungen zum Opfer darbrachte. Diese war sinnlicher Antrieb für ihn zu allem Edlen und Schönen: sie war eine Heilige, sie war die verkörperte Tugend selbst! Ihrem Dienste war sein ganzes Leben geweiht: mit Aufopferung des Liebsten, was er hatte, gehorchte er ihren Wünschen! Ihrer werth zu seyn, im Rufe seiner Thaten bis zu ihr zu dringen, ihren Stolz durch seine Anbetung zu heben, ihren Nahmen zugleich mit dem seinigen im Munde des Volks und der Höfe, bey Tournieren und Gelagen, preisen zu hören, und so sich in ihr, sie in ihm doppelt geschätzt, doppelt schätzungswerth zu fühlen, – das waren die [46] letzten Wünsche, die äußersten Hoffnungen des Liebhabers! Niedrige, sinnliche Begierden schwiegen, und wenn sie sich meldeten, wurden sie edel bekämpft, und glücklich überwunden. Darum zogen auch diese Verbindungen den Antheil, die Billigung, die Bewunderung aller wohlerzogenen Menschen an sich. Man gab sich Beweise ausgezeichneter Achtung und Zärtlichkeit unter den Augen des Gatten, in Gegenwart der versammelten Menge, unter dem Schutze des Anstandes, und der Gesetze! Kurz! die Liebe war damahls, wie Montaigne sagt, die Unternehmerin großer Thaten, und ihr Ausdruck trug den Charakter des Erhabenen, der Unbefangenheit, und der Feinheit der Gesinnungen an sich, die dem ganzen Institute der Ritterschaft eigen waren!“

Während daß einige Enthusiasten die Phantasie des Unerfahrnen durch solche Darstellungen von der Galanterie entflammen, suchen andere bald aus Mangel eines Herzens und einer Einbildungskraft, die sich in fremde Zeiten und Sitten hinein zu versetzen weiß, bald aus Unmuth über betrogene Erwartungen, bald endlich in der Schwäche träger Sinnlichkeit, den Glauben an das Gute in dieser Sitte des Mittelalters möglichst zu untergraben, oder gar ihr Daseyn selbst abzuläugnen.

„Nein! sagen diese letztern, jene Anbetung des weiblichen Geschlechts war weiter nichts, als der Ausdruck einer steifen und ungebildeten Höflichkeit: ein nichts bedeutendes Ceremoniel, eine nichts sagende Etiquette, die für die innere Achtung des Mittelalters für die schwächere Hälfte unserer Gattung eben so wenig zeugen mögen, als die Formulare des sogenannten [47] guten Tons[WS 1] für allgemeine Menschenliebe, und Anerkennung des Menschenwerths in unserm egoistischen Jahrhunderte. Jene excentrische Liebe hat nie existiert, außer in Romanen, und sollten einige Schwärmer sie in der wirklichen Welt zur Anwendung gebracht haben, so giebt dieß mehr einen Beweis von der Verirrung ab, zu der sich der menschliche Verstand hinreißen lassen kann, als von der Veredlung, deren das Herz und die Liebe fähig sind. Spitzfindigkeit der Ideen ward mit Zartheit der Gefühle, Abentheuerlichkeit der Gesinnungen mit Größe verwechselt; Schwulst im Ausdruck galt für Erhabenheit, Plattheit für Naivetät. Die Natur ward in einen erschwerten Streit mit einer konventionellen Tugend verwickelt, deren Blende beyde das Laster und die Schwäche nutzten, jenes um die Unschuld desto sicherer zu berücken, diese um das Willkührliche des Fehltritts von sich abzuwälzen.“

Gleich entfernt von Schwärmerey und Spottsucht, suche ich Billigkeit und Behutsamkeit bey der Beurtheilung dieses geselligen Verhältnisses zu üben! Ich unterscheide die Zeiten: ich unterscheide die Denkungsart des Pöbels von der guten Sitte, und beyde von dem Ideale, das einige Edle in ihrem Umgange und in ihren engeren Verbindungen mit dem schönen Geschlechte vor Augen gehabt haben: ich unterscheide besonders das Bestreben, sich diesem Ideale zu nähern, von der wirklichen Ausfüllung desselben. [1]

[48]
Zweytes Kapitel.
Unsichere Spuren einer charakteristischen Denkungsart über Liebe und Geschlechtsverbindung im nördlichen Europa vor dem zwölften Jahrhunderte.

Zu allen Zeiten hat es gewisse Begriffe von dem Sittlichen und Anständigen in dem Umgange zwischen beyden Geschlechtern, sowohl in ihrem allgemeinen [49] Verkehre, als in ihren engeren Verbindungen mit einander gegeben. Wenn man wenige, und außerdem nicht hinreichend bekannte Nationen ausnimmt, so haben weibliche Schwäche, weiblicher Reitz, weibliche Pflege und Emsigkeit überall Schonung, Beystand, Gefälligkeit bey dem Manne gefunden: so haben männlicher Muth, männliche Geschicklichkeit in eben dem Maße Dankbarkeit und die Bewunderung des Weibes auf sich gezogen. Ueberall ist Schönheit der Anreitz und der Preis der Tapferkeit des Mannes; sein Schutz, seine Werthschätzung für die Sittsamkeit des Weibes Belohnung gewesen. Die ältesten Urkunden des Menschengeschlechts zeigen uns Hirten, die durch beharrliche Dienstleistungen das Herz der Hirtentöchter gewonnen; Helden, die durch bestandene Abentheuer um die Hand der Heldentöchter geworben haben.

Die Völker brauchen nicht weit über die erste Stufe der Kultur hinaus geschritten zu seyn, um den Werth der Treue, der Aufopferung, und des Genusses, den die Seele, neben dem Physischen, aus den engeren Verbindungen zwischen beyden Geschlechtern zieht, zu fühlen. Hindernisse, welche die Schamhaftigkeit und das Schicksal der gänzlichen Vereinigung zweyer Liebenden entgegen setzen, verengen die Bande zwischen diesen selbst, und erhöhen das Interesse für ihre Verbindung bey andern, die darum wissen.

Eben so wenig wird ein hoher Grad von Verfeinerung der Sitten erfordert, um die Beweise des [50] Schutzes und der Gefälligkeit, die der Mann dem zärteren Geschlechte in seinen entfernteren Verhältnissen mit ihm darbringt, an eine gewisse Form zu binden, wodurch er sich artig zeigen, daß heißt, Gefühle des Schönen neben denen des Guten erwecken will. Die bloße herumschweifende Begierde ist bereits bey Thieren mit dem Wunsche, durch kosende Geschmeidigkeit zu gefallen, verbunden, und Niedlichkeit der Formen, so wie Hülfsbedürftigkeit der Lagen, laden sogar die rohesten Männer zu einem schmeichelnden Betragen, nicht bloß gegen das zarte Weib, sondern sogar [WS 2] gegen Kinder ein.

Diese natürliche Folge einer aus der ersten Rohheit entwickelten Geschlechtssympathie mag, wenn man will, Galanterie genannt werden, und dann haben alle Völker im Süden und im Norden gleichen Anspruch auf ihre Hervorbringung. Simson und Herkules sind dann Paladine; die Delila’s und Omphalen die Damen ihrer Gedanken, der Erzvater Jakob ist ein Celadon, und seine Rahel eine Astrea.

So lächerlich diese Behauptung klingt, so hat sie doch ihre Vertheidiger gefunden, [2] und uns wird sie wichtig, weil sie die Nothwendigkeit lehrt, der Galanterie nicht eher ein Daseyn einzuräumen, und den besondern Ursachen ihrer Entstehung nachzuspüren, als bis wir in den Aeußerungen der Zärtlichkeit und der Urbanität der Abendländer im Mittelalter etwas so charakteristisch Verschiedenes von den Sitten anderer Völker und Zeiten in eben diesen Verhältnissen antreffen, um jene als etwas für sich Bestehendes zu erkennen, das sich aus [51] allgemein wirkenden, in der Natur der Sache selbst liegenden Gründen nicht erklären läßt.

Vor dem Anfange des zwölften Jahrhunderts läßt sich schwerlich unter den Abendländern in Europa irgend ein charakteristischer Zug in dem Betragen der beyden Geschlechter gegen einander auffinden, der dieß von dem Betragen aller übrigen Völker unterschiede, die in der Kultur der Geschlechtssympathie die erste Stufe überschritten haben. Wenn er aber vorhanden gewesen ist, wovon ich das Gegentheil nicht zu behaupten wage, so entgeht er, bey dem Mangel aller Nachricht, gänzlich unsrer Kenntniß.

In dem zehnten und eilften Jahrhunderte war die Verdorbenheit der Sitten aufs Höchste gestiegen. Besonders übte man die äußersten Gewaltthätigkeiten gegen das zärtere Geschlecht aus. Dieß war damahls überhaupt sehr verachtet. [3] Man legte den Weibern etwas Unheiliges und Verunreinigendes bey, verbot ihnen, das Altartuch zu berühren, und machte es ihnen zur Pflicht, beym Empfang des Abendmahls Handschuhe anzuziehen. Es war den Ehemännern durch Gesetze erlaubt, ihre Weiber zu stäupen, und sie sogar zu verwunden, wenn sie nur nicht an ihren Gliedmaßen durch Verstümmelung oder gänzliche Lähmung litten. Der Vater durfte seine Tochter selbst nach der Verheirathung thätlich züchtigen, und die Statuten der Stadt Bourdeaux setzten fest, daß wenn der Ehemann im Zorn oder in der Heftigkeit des Schmerzes seine Gattin umbrächte, aber nachher schwören würde, daß es ihn von Herzen [52] reue, alsdann die Strafe ihm erlassen seyn solle. [4] Der Weiberraub war äußerst häufig. In weniger als funfzig Jahren wurden allein drey Königstöchter gewaltsam entführt. [5] Ehemänner, die ihrer Gattinnen überdrüssig waren, verschmähte Liebhaber, eifersüchtige Stiefmütter und Nebenbuhlerinnen verläumdeten die Unschuld, welche sogar Otto der Erste an seiner einzigen Tochter durch einen Zweykampf mußte rechtfertigen lassen. [6] Dazu kamen die häufigen Streifereyen der Normänner, Hunnen, Saracenen, wobey die Weiber wie andre Beute fortgeschleppt wurden.

In solchen Zeiten wird es schon Tugend, des allgemein Bedrängten zu schonen, und der Beystand, den einige Wenige der gekränkten und wehrlosen Unschuld leihen, giebt diesen den höchsten Anspruch auf allgemeine Verehrung, so wie auf die besondere des weiblichen Geschlechts. Wer also in diesen Zeiten die Geraubte befreyete, die Bedrohten und Angeklagten mit Gut und Leben schützte, der weigernden Schamhaftigkeit schonte, der war ein sittlich ausgezeichneter, ein edler Mann, in Beziehung auf sein Betragen gegen die zärtere Hälfte der Menschen.

Folglich gab es unstreitig bereits in diesen Jahrhunderten einige Helden, deren Muth von sympathetischen [53] Gefühlen geleitet, der Barbarey vieler Räuber und Unholden Einhalt that. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß ihre Denkungs- und Handlungsart bereits an eine gewisse charakteristische Form gebunden gewesen sey, die sie von den Halbgöttern des alten Griechenlands und ihrem Betragen gegen die Dejaniren, Ariadnen, u. s. w. deutlich unterschieden haben.

Der Halbgott tritt unter einer ganz rohen Nation auf, bestimmt selbst die Form und den Zweck seiner Denkungs- und Handlungsart; sein Betragen ist also der Natur angemessen, und hat keinen andern Charakter als denjenigen, der in der Sache selbst liegt. Nicht so der Edle, der unter Nationen hervorgeht, die ehemahls kultiviert gewesen sind, und in deren Barbarey sich allemahl noch Spuren einer ehmahligen Kultur zeigen. Solche Völker sind nicht sowohl roh, als entartet. Bey ihnen finden sich bereits religiöse Gebräuche, eine bürgerliche Organisation, Konventionen über Angelegenheiten des geselligen Lebens, gewisse Methoden in der Erlernung, gewisse Manieren in der Behandlung der Wissenschaften und Künste: alles dieß freylich einzeln, und von dem großen Haufen wenig ausgeübt, und schlecht beobachtet. Aber der Edle, der sich auszeichnet, tritt doch nicht so unbefangen auf, als bey einer ganz rohen Nation: er erkennt einige wenige andere Edle als Richter seiner Handlungen und sogar ihrer Formen an: seine Ueberzeugung von dem Zweckmäßigen und Schmückenden ist nicht seine einzige Führerin; Nein! er schmiegt sich in die herrschenden Ideen seiner Zeit hinein, denkt und handelt edel und schön, in Gemäßheit der Begriffe seines Zeitalters über Adel und Schönheit.

[54] Ich wiederhohle es daher: es ist nicht unwahrscheinlich, daß schon vor der Mitte des zwölften Jahrhunderts gewisse Regeln des Sittlichen und Anständigen, so wie gewisse Ideale des Edeln und Schönen für den Umgang zwischen beyden Geschlechtern mögen festgesetzt gewesen seyn. [7] Allein sichere Zeugnisse haben wir darüber gar nicht, und wenn wir uns nicht an bloße Hypothesen halten wollen; so müssen wir eingestehen, den Charakter der Galanterie vor der Mitte des zwölften Jahrhunderts gar nicht angeben zu können. [8]

Diejenigen, welche behaupten, die Galanterie, so wie sie das Mittelalter zeigt, sey im Norden immer einheimisch gewesen, und habe daselbst von frühen Zeiten an geherrscht, scheinen ihre Behauptung nicht rechtfertigen zu können. [9]

[55] Es sey wahr, daß deutsche Weiber an der Seite ihrer Männer gestritten, diese, wenn sie flohen, in die Schlacht zurückgetrieben, und gefangen vom Feinde, ihre Unschuld und Freyheit mit Aufopferung des Lebens erkauft haben; finden wir nicht ähnliche Beyspiele von weiblichem Edelmuth unter den Spartanern und andern südlichen Völkern? Es sey wahr, daß Weiber unter unsern Voreltern, den Deutschen, geweissagt, dem Gottesdienste vorgestanden, gerichtliche Händel entschieden, Krankheiten geheilt, Völker regiert haben; finden wir nicht Beweise einer eben so rühmlichen Bestimmung einzelner Weiber bey dem Homer, jenem Dichter, der so oft wegen der Herabwürdigung des zärteren Geschlechts angefeindet ist? Wie viel muß außerdem von der Glaubwürdigkeit der Zeugnisse solcher Schriftsteller abgerechnet werden, die vor ihrer eigenen, in ihren Sitten ausgearteten Nation die benachbarte zum Muster oder zum Vorwurf aufgestellet haben? Wie viel muß von dieser anscheinenden Achtung gegen das weibliche Geschlecht auf Rechnung des Aberglaubens abgesetzt werden, der unter wenig kultivierten Völkern in dem schwächern Wesen, und in seiner reitzbaren Phantasie, die mit der Gottheit vertrautere Seele ahnet[WS 3]!

Die Liebe, wie sie beym Ossian erscheint, ist treu, ist zärtlich bis zur Aufopferung, besonders bey den Weibern. Aber gesetzt, die Gesänge dieses Dichters wären in ihrer ursprünglichen Echtheit bis zu uns gekommen; sollten dann die Penelopen, die Andromachen, die Pantheen, die Thisben, und so viele griechische und asiatische [56] Weiber, die unsers liebenden Antheils, unserer Bewunderung so würdig sind, den Lorma’s, Dar – Thulas, den Cuthonas und Minonas weichen müssen?

Mit mehrerem Anscheine würden die Sagen der Nordländer für den ersten Ursprung der Galanterie in diesen Gegenden angeführt werden können, wenn ihr Alter höher hinaufgesetzt werden möchte. [10] Aber es ist jetzt ausgemacht genug, daß sie aus einer Zeit herrühren, worin diese Insel schon mit dem übrigen Europa in Verbindung stand, und den romantischen Geschmack von diesem bereits angenommen hatte. [11]

Doch! gesetzt, diese Sagen wären völlig glaubwürdig; gesetzt, sie reichten wirklich in die Zeiten hinauf, worin die Normänner durch ihre Streifereyen noch nicht mit den romantischen Ideen bekannt waren, die im südlichen Europa herrschten; wie wenig gallant, ja! wie grausam in ihrer Behandlung des weiblichen Geschlechts zeigen sich nicht eben diese Normänner überall, wo sie in der früheren Geschichte erscheinen? [12] Und was können dann jene einzelnen Sagen beweisen? Weiter nichts, [57] als dieß, daß im Norden so wie im Süden die Schönheit zuweilen der Preis der Tapferkeit gewesen, daß die Liebe überall zuweilen den Muth zu entflammen, Talente zu entwickeln im Stande sey, und daß Eigensinn, Herrschsucht und kluge Vorsicht der Geliebten die Leidenschaft des Liebhabers überall auf die Probe gesetzt haben.


Drittes Kapitel.
Herrschende Denkungsart im zwölften Jahrhunderte.

Erst im zwölften Jahrhunderte finden wir bey den Abendländern Spuren einer Denkungsart über die Liebe, und über den geselligen Umgang zwischen beyden Geschlechtern, die sich auffallend von derjenigen unterscheidet, die wir in früheren Zeiten angetroffen haben. Ein zusammenhängendes System, ein bestimmtes Ganze, dürfen wir jedoch nicht erwarten. Um aber diesen einzelnen Zügen besser auf die Spur zu kommen, müssen wir ein Bild der herrschenden Ideen in diesem Zeitalter überhaupt entwerfen.

Vom eilften Jahrhunderte an führt Alles auf ein Bestreben hin, eine bessere Ordnung der Dinge einzuführen, oder, wie ich es nennen möchte, die menschliche Gesellschaft in ihren Verhältnissen gegen Kirche, Staat, Sitten und Wissenschaften zu organisieren. Den nächsten Stoß zu dieser Bewegung hat wahrscheinlich Gregor der Siebente dem menschlichen Geiste durch seine planmäßigen [58] Bemühungen gegeben, die Gewalt der Kirche auszubreiten, und die weltliche Macht zu untergraben. Allein die entferntere Veranlassung dazu mag in der aufs Höchste gestiegenen Unordnung und Anarchie gelegen haben. Wenn diese zu dem Gipfel gelangt, daß sie alle geselligen Bande aufzuheben, und eine völlige Ungewißheit in den Grundsätzen des Betragens, und des Beurtheilens nach sich zu ziehen drohet; so findet sich der Mensch von selbst gedrungen, gewisse Regeln seines Verhaltens gegen andere Menschen festzusetzen, und der Vernunft eine gewisse Methode vorzuschreiben, die sie bey ihrem Wirken beobachten soll.

Deutlich erhellet dieß aus der in diesem Jahrhunderte aufgekommenen Treuga dei, oder Gottesfrieden, wodurch Hülfsbedürftige gegen die Gewaltthätigkeiten der Befehdungen der Mächtigern unter einander von der Kirche in Schutz genommen wurden. Es erhellet aus der Organisation, welche die Hierarchie in diesem Zeitraume erhielt; es erhellet aus der häufigen Entstehung von Sekten und einzelnen Verbindungen, welche zur Verbesserung der Religionslehre und der Sitten gestiftet wurden; [13] endlich aus den Spuren einer zunftmäßigen Einrichtung, der die Stände der Geistlichen, der Ritter, der Gelehrten, der Künstler, und der Handwerker, besonders gegen das Ende dieses Jahrhunderts, unterworfen wurden. [14]

[59] Vielleicht ist zu allen Zeiten dieß Bestreben nach einer bessern Ordnung der Dinge mit Schwärmerey verbunden gewesen, und vielleicht ist diese wieder eben so unzertrennbar vom Geschmack an dem Abentheuerlichen, als die Ausübung einer neuen Sitte von Pedanterey.

Zu Anfang des zwölften Jahrhunderts aber kamen noch einige besondere Ursachen hinzu, welche diesen eben angedeuteten Geist unterstützten.

Ueberall war die Idee ausgebreitet, daß der Mensch unter der unmittelbaren Führung der Gottheit stände, daß seine guten Handlungen durch ihren unverkennbaren Schutz bereits in diesem Leben belohnt, seine bösen durch ihre Rache schon hiernieden bestraft würden. Diese Idee, welche damahls so nothwendig war, um ausgeartete Menschen bey dem Mangel angewöhnter Anerkennung bürgerlicher Gesetze, und bey der Schwäche ihrer Handhaber, zur Befolgung gesellschaftlicher Pflichten anzuhalten, ward durch eine Menge von Wundergeschichten und Ceremonien unterstützt, welche auf die Sinne wirkten, und die Einbildungskraft spannten. Die Entscheidung streitiger Rechtsfälle, sogar Die streitiger Rechtsfragen, ward dem Ausspruche Gottes überlassen, der durch den Ausfall der Duelle, der Wasser- und Feuerproben und anderer Gottesgerichte verkündigt wurde. Hier mußten feyerliche und schreckenvolle Vorbereitungen das Gewissen rühren, den Muth des verhärteten Verbrechers schwächen, und den reuigen zum Geständnisse seiner Schuld bringen. Frömmigkeit bestand in unbedingtem Glauben an diese wunderbare Führung der Gottheit, und in ängstlicher Beobachtung sinnlicher Andachtsübungen, nach einer vorgeschriebenen Form. Der Tempeldienst war mit Ceremonien überhäuft, die zum [60] Theil aus dem heidnischen Ritus aufgenommen, zum Theil aus den Gebräuchen der orientalischen Kirche entlehnt waren. Jene hatten ihre ursprüngliche Bedeutung verloren, und ließen daher der Imagination freyes Spiel, ihr Mythen von eigener Erfindung unterzulegen: diese trugen sofort den Stempel excentrischer Schwärmerey der morgenländischen Phantasie an sich.

Der Heilige der damahligen Zeiten war derjenige, der sich unter dem unmittelbaren Schutze der Gottheit, unter ihrer besondern Leitung befand, und gleichsam von ihr begeistert ward: der Gottgeweihete, der Inspirierte. Aberglauben und Andächteley waren die einzigen Mittel, diesen Vorzug zu erwerben. Was opferte man nicht auf, um sich dem Himmel angenehm zu machen! Welche Gefahren konnte man fürchten, welche Mühseligkeiten scheuen, welchen Verlust an Gut und Blut bedauern, um dahin zu gelangen! Nein! um Gottes Auserwählter zu seyn, bekämpfte man Ungläubige und Ketzer, wallfahrtete ins gelobte Land, verschenkte seine Güter an die Kirche, und endigte sein Leben unter Bußübungen und Enthaltsamkeit von Allem, was den Sinnen schmeichelt! Aber dann machte man auch diesen Vorzug vor seinen Brüdern geltend, und die theuer erkaufte Eitelkeit, der Liebling des Himmels zu seyn, fand auf dieser Erde bereits einen Vorschmack der Seeligkeit in der Erhebung über den größern Haufen durch sinnliche Zeichen der Absonderung von den übrigen Mitgliedern der Kirche. Daher die eigenthümlichen Trachten gewisser Orden: daher die dem Körper eingeprägten Merkmahle der Gottesweihe!

So stand es mit dem Begriffe von den Pflichten des Menschen in seinen Verhältnissen gegen das höchste [61] Wesen. Derjenige, den man sich von Bürgertugend machte, war ihm nicht unähnlich. Eigentlicher Gemeingeist war nirgends anzutreffen. Die verschiedenen Glieder eines Staats machten kein Ganzes unter sich aus: sie gehörten nur in so fern zusammen, als sie einen gemeinschaftlichen Oberlehnsherrn anerkannten, dem sie alle zum Gehorsam, oder zur Dienstleistung verpflichtet waren. Ein König hatte mehrere Herzoge, Grafen, oder andere mächtige Vasallen von verschiedenen Nahmen unter sich, und diese wieder andere minder mächtige Vasallen, und so weiter herab bis zum Leibeigenen. Diese Stufenleiter von Ständen brachte eine Menge einzelner Staaten im Staate hervor, die sich unter einander oft bekriegten, oft sich gegen ihren Oberlehnsherrn auflehnten, oft durch keine äußere Zwangsmittel zur Ruhe und Ordnung zurückgeführt werden konnten. Daher wurden die Gefühle der Ehre, der Treue, des Biedersinns, eben so wichtig als sie selten waren. Daher suchte man aber auch diese Gefühle recht tief einzuprägen, die Gelübde, deren Erfüllung auf ihrer Stärke beruhte, so feyerlich, so sinnlich, und demjenigen, der sie einmahl übernommen hatte, so gegenwärtig als möglich zu erhalten. Daher die umständlichen Gebräuche bey den Lehnsinvestituren, bey den Huldigungen: daher die Aufwartungen bey Hofe, die geschenkten Paniere, Wappenschilder, Gnadenzeichen, das Tragen der Farben des Lehnsherrn. Auch hier Formen, Ceremonien in Menge, die für uns den Schein des Schwärmerischen, des Abentheuerlichen, des Pedantischen annehmen.

Wo die Beobachtung der Pflichten gegen den Staat und gegen die Menschheit bey Ermangelung [62] hinreichender Zwangsmittel dem moralischen Gefühle eines Jeden überlassen bleiben muß, da pflegt zwar der große Haufe oft dagegen zu fehlen, aber die Wenigen, welche seine innere Stimme hören, sind um so gewissenhafter in ihrer Befolgung, werfen eine größere Verachtung auf diejenigen, die ihr zuwider handeln, und suchen durch eine ängstliche Aufmerksamkeit auf ihre Handlungen den Verdacht der Unredlichkeit, bis auf den geringsten Schatten, zu entfernen. Daher die spitzfindige Gewissenhaftigkeit der Edlen der damahligen Zeit, gewisse Pflichten der Ehre und des Biedersinns gegen den Lehnsherrn und Waffenbruder zu beobachten, während daß sie andere, durch Gesetze verpoente Verbrechen, ohne Scham und innern Vorwurf begingen. Daher aber auch die repräsentierende Anmaßung, mit der sie Tugenden, die von ihrer Willkühr abzuhängen schienen, in Worten, Geberden und Handlungen äußerten.

Die Pflichten gegen die örtliche Gesellschaft, die Regeln des Betragens im geselligen Umgange, konnten keine große Bestimmtheit, Leichtigkeit und Ungezwungenheit bey der Ausübung in Ländern erhalten, wo alle Einwohner entweder sehr reich, oder ganz arm waren: wo die Vornehmern den größten Theil ihres Lebens auf ihren weit aus einander liegenden Burgschlössern, oder auf Kriegszügen zubrachten, und die Städter ihre Bestimmung auf die Vertheidigung ihrer Mauern, oder auf den Handel, oder auf Handwerke beschränkten. Die Urbanität, das städtische Wesen der Alten, verschwand, und ward zur Courteoisie, zur höfischen Sitte. Diese war steif, abgemessen, übertrieben in Geberden und Worten. Achtung [63] äußerte sich durch Knechtschaftsbezeugung, und Wohlwollen kleidete sich in sinnreichen Ausdruck. – Nur Wenige waren im Besitz dieser Bildung.

Die Gelehrsamkeit war ein Gewebe von Vorurtheilen und Spitzfindigkeiten, durch deren dichten Schleyer die Wahrheit nur wenige ihrer Strahlen durchschimmern lassen konnte. Die Lehrmethode war zunftmäßige Umständlichkeit, die Behandlung der Wissenschaften selten praktisch, und nie rein von pedantischer Charlatanerie. Aber auch dieser Vorzug, so gering er war, ward nur Wenigen zu Theil.

Je unbeträchtlicher die Bildung für die Gesellschaft und die Masse der Kenntnisse ist, um derentwillen der Mensch, der sie besitzt, von einem noch ungesitteteren und unwissendern Menschen angestaunt wird, um desto mehr sucht er ihren Gehalt durch ein äußeres Gepränge zu heben, und andern den Weg, sich ihm an die Seite zu stellen, durch Vorschriften unnützer Vorübungen und Formen bey der Anwendung zu erschweren. Wie erklärbar wird dadurch die steife Förmlichkeit, die Pedanterey, das Abentheuerliche der damahligen Hofleute, Gelehrten, Künstler, Handwerker, u. s. w.

Und dieser Geist der Unbehülflichkeit, der Ueberspannung, der Eitelkeit, der ist es nun, der das Mittelalter in allen Verhältnissen, und so auch in denen der beyden Geschlechter gegen einander auszeichnet.

[64]
Viertes Kapitel.
Entwickelung des Ganges, den die Veredlung der Begriffe über Geschlechtsverbindung und Liebe im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte nach dem herrschenden Charakter des Zeitalters hat nehmen müssen.

Ich werde mich aber bey der Denkungsart des Pöbels über Geschlechtsverbindung und Liebe nicht weiter aufhalten, da diese zu allen Zeiten und in allen Ländern beynahe die nehmliche ist. Ich werde dagegen die Denkungsart der guten Gesellschaft über den angezeigten Punkt desto sorgfältiger entwickeln.


Ehe ich zu den bestimmten Nachrichten übergehe, die aus diesen Zeiten auf uns gekommen sind, will ich den Gang zu zeichnen suchen, den die Denkungsart der damahligen guten Gesellschaft über die angezeigten Gegenstände nach der Lage der Dinge überhaupt, und der beyden Geschlechter gegen einander besonders, hat nehmen müssen.

So wenig Spuren einer ausgezeichneten Achtung für das weibliche Geschlecht im Ganzen das zwölfte Jahrhundert liefert, so gewiß ist es doch, daß einige Edle den Werth einzelner Weiber geschätzt haben, welche sich durch Tugenden, die der Geist des Zeitalters anerkennen konnte, auszeichneten. Diese einzelnen außerordentlichen Weiber mußten um so stärker auf die Imagination der Männer wirken, da die [65] geselligen Zusammenkünfte zwischen beyden Geschlechtern höchst selten waren, kaum anders als bey öffentlichen Festen Statt fanden, und die Damen, welche daselbst erschienen, größtentheils verheirathet, und von hohem Stande waren. Diese Lage war der Begeisterung äußerst förderlich: sie hinderte aber auch die Politur der Sitten im geselligen Umgange. Die Vernunft ward nicht genug durch Erfahrung unterstützt, um das Zweckmäßige im Betragen gegen das zärtere Geschlecht auszufinden: und die Anwendung der Gesetze, die sie vorschrieb, konnte nicht das Schlanke, Ungezwungene, Leichte, erhalten, das zur Grazie so nothwendig ist, und das ohne frühe und häufige Anwendung so schwer zu erreichen steht.

Wie begreiflich wird es nun, daß der beschirmende Beystand, die menschenfreundliche Schonung, Gefälligkeit, Achtung, welche die hülflose Unschuld, die reitzende Sittsamkeit zu allen Zeiten, und die ausgezeichnete Fürstin besonders in der damahligen Periode von dem gebildeteren Manne erfuhren, den allgemeinen Charakter der sittlichen Verfeinerung angenommen haben, nehmlich den der Ueberspannung und unbehülflicher Förmlichkeit.

Wie begreiflich wird es ferner, daß dieser Geist sich auch in die engeren Verhältnisse zwischen bestimmten Personen eingeschlichen habe; daß die Aeußerungen der Liebe gleichfalls überspannt und förmlich geworden sind, und daß die Geschlechtssympathie einen Hauptgenuß in befriedigter Eitelkeit durch Auszeichnung vor andern Männern von Seiten der schönsten, sittigsten, und vornehmsten Weiber gesucht habe!

[66] Und wodurch sollte der Edle diese Auszeichnung von Seiten eines Geschlechts verdienen, das er selten anders, als bey feyerlichen Gelegenheiten sah, das folglich durch eine an einander hängende Reihe von Aufmerksamkeiten, Dienstleistungen, Befriedigungen einer kleinlichen Eitelkeit, und einer unbestimmten Sucht nach Belustigung und Zerstreuung, nicht so wie heut zu Tage gewonnen werden konnte? Er hat suchen müssen, auf die Imagination der Schönen durch den Ruf seiner Thaten, durch solche Talente, die zum allgemeinen Vergnügen größerer und feyerlicher Zusammenkünfte dienten, und endlich durch den abentheuerlichen Ausdruck, einer ihn ganz verzehrenden Leydenschaft, zu wirken.

Muth im Kriege, Geschicklichkeit in Waffenübungen, das sind Vorzüge, welche zu allen Zeiten von dem zärteren Geschlechte geachtet sind. Aber in diesen unpolicierten Zeiten mußten sie den Schönen unmittelbar und doppelt wichtig werden. Der Ritter errettete oft ihre Personen aus der Hand der Räuber, oder vertheidigte ihre Unschuld im gerichtlichen Zweykampfe. Nicht selten waren diese Damen zugleich durch ihren hohen Stand ausgezeichnet, oder gar Erbinnen reicher Häuser, deren Besitz zunächst die Folge und die Belohnung des Sieges ward; und so mußte die an sich schon natürliche Idee, daß das Weib den Mann vorzüglich um der Tugenden willen schätzt, die ihm unter seinem eigenen Geschlecht Gewicht und Ansehn geben, durch alle diejenigen besondern Gründe unterstützt werden, welche den Hülfsbedürftigen an den Helfer, und diesen an das Mittel seines Ruhms, seines Glücks, und der Spannung [67] seiner Kräfte knüpfen. So konnte der Grundsatz entstehen, daß der Held durch außerordentliche Beweise von Tapferkeit, im Dienste seiner Dame abgelegt, am sichersten den Weg zu ihrem Herzen finde: so konnte sich mit der Liebe jener rüstige, wackere Enthusiasmus vereinigen, der den Gefahren des Lebens trotzt, und durch Beharrlichkeit und Muth sein eigenes Schicksal lenkt: so konnte mit einem Worte Ruhmsucht und jede feinere Art der Selbstheit auf Geschlechtssympathie geimpft, und aufs genaueste mit ihr verbunden werden.

Oft aber setzen sich dem tapfern Liebhaber Schwierigkeiten entgegen, die sein leidenschaftliches Streben nicht überwindet. Das Zeitalter legt einen besondern Werth auf den ledigen Stand, auf das abgelegte und beobachtete Gelübde ewiger Keuschheit: die Ungleichheit der Geburt, verbotene Grade, der verheirathete Stand derjenigen Damen, denen er sich noch am mehrsten nähern kann, setzten ihm andere Hindernisse entgegen. Die Natur ist mehr als jemahls im Streite mit der Pflicht: die Leidenschaften erhalten eine ungewöhnliche Spannung. Wallfahrten und Kreuzzüge, Bekanntschaft mit fremden, zum Geschmack an übernatürlichen Kräften und Begebenheiten so geneigten Völkern, erhöhen die Imagination. Der Mensch fühlt, daß selbst in dem Zustande des Strebens, und in der Begeisterung, die dieser Zustand ihm einflößt, ein hoher Genuß und etwas Edles liegt. Er trotzt nicht bloß den Gefahren des Lebens, nein! er entäußert sich alles Anspruches auf ein einseitiges Glück für den Wunsch, mit seiner Geliebten glücklich zu seyn. Sein Herz wird dadurch für sympathetische Empfindungen erweicht, und für Menschenliebe und Sittlichkeit überhaupt empfänglicher. Das Bestreben, [68] der eingeschlossenen Geliebten seine Gesinnungen zu erkennen zu geben, macht ihn sinnreich: flößt ihm neue Talente ein, und bildet ihn zum Dichter und zum höflichen Manne: die Bilder, die er sich in der Abwesenheit von seiner Dame entwirft, füllen seine Phantasie: das Interesse, welches seine Leiden bey andern erwecken, erhöht ihn vor seinen eigenen Augen: Der Geist, damahls so arm an Stoff zum Nachdenken, gewöhnt sich an die unterhaltende Beschäftigung der Intrigue, das Herz an die Spannung einer hinschmelzenden Begeisterung! Die vollkommene Liebe zu Gott, so lehrte es der religiöse Mysticismus, bestand in Niederwürfigkeit, Zerknirschung, Entäußerung aller Freuden des Lebens! Sollte der Dame, diesem vergötterten Wesen, nicht ein gleicher Dienst gefallen? Sollte die Vollkommenheit der Liebe zu ihr nicht nach gleichen Aeußerungen abgemessen werden?

Wie nah dieß Alles! Wie natürlich die Idee, daß selbst in Qualen unerhörter Liebe Wollust liege, und daß derjenige Mann der edelste und der vollkommenste Liebhaber sey, der nicht bloß im Kriege sein Leben, sondern auch im Zustande der Muße und des Friedens jeden Anspruch auf Genuß des Lebens für ein angebetetes Wesen hinopfern könne!

Tapfer und empfindsam zugleich genannt zu werden, die doppelte Seelenerhöhung zu erreichen, welche die Erhebung über unsere niedrige Sinnlichkeit, und die Unterwerfung unserer ganzen Selbstheit unter ein anderes verehrtes Wesen gewährt; das mußte nothwendig das Ideal eines Mannes werden, an dem das Zeitalter, das zwischen Kultur und Barbarey schwankte, den größten Antheil nahm.

[69] Neben dem Anspruch auf diese zugleich rüstige und hinschmelzende Begeisterung besteht auch der, durch solche Talente zu gefallen, welche durch ihren Einfluß befördert werden, und bey öffentlichen Gelegenheiten zur Unterhaltung des großen Haufens, aber auch zur Verbreitung des Ruhms der Geliebten, und zur Verkündigung einer Leidenschaft des Liebhabers dienen, die übrigens wenig Gelegenheit findet, sich verständlich zu machen. Es ist begreiflich, daß die Geschicklichkeit bey Tournieren, die Poesie in Verbindung mit der Musik, oder die sogenannte muntere Kunst, und überhaupt die Courteoisie, oder die Fertigkeit, sich nach den Begriffen der damahligen Zeit höflich, oder artig im geselligen Umgange zu zeigen, Talente seyn mußten, welche mit zu dem Begriffe des vollkommenen Liebhabers gehörten.

Was sollte aber dieser edle Liebhaber wohl bey seiner Geliebten gesucht haben? Läßt es sich von diesen, in ihrer geistigen Bildung so sehr vernachläßigten Menschen erwarten, daß sie ihre Verbindung willkührlich auf den Genuß der Seele beschränkt, und die Freuden des Körpers, wenn sie Gelegenheit dazu fanden, als entehrend für die höhere Würde des Menschen verschmäht haben sollten? Gewiß nicht! Aber läßt es sich nicht denken, daß diese Edeln, wenn sie an verheirathete Frauen von hohem Stande hingen, oder wenn andere unüberwindliche Hindernisse sich ihren Wünschen nach gänzlicher Vereinigung entgegen setzten, in dem Bewußtseyn, wiedergeliebt zu werden, in der Befriedigung ihrer Ruhmsucht und Eitelkeit, endlich in der Unterhaltung und Spannung, welche ihnen Intrigue und Begeisterung gaben, Schadloshaltung gefunden haben mögen?

[70] Allerdings! Ohne Besorgniß, sich zu weit von der Wahrheit zu entfernen, wird man den Begriff einer Verbindung zwischen beyden Geschlechtern annehmen können, die auf Ruhmsucht beruhte, deren Zweck, in Ermangelung einer näheren Vereinigung, in einer wechselseitigen Auszeichnung, in einem Austausche von Eitelkeitsgewährungen lag, und deren Form denjenigen steifen und pedantischen Charakter an sich trug, der damahls alle Sitten auszeichnete. Nach diesem Begriffe hat der höchst tapfere und zugleich höchst empfindsame Liebhaber – (oder, was einerley ist, der Mann, der gleich edel im Kriege und im Frieden gesinnt war,) – die Gunst einer Dame von hohem Stande und unversehrtem Rufe durch abentheuerliche Unternehmungen, und einen eben so abentheuerlichen Ausdruck seiner Leidenschaft zu erringen, seine Huldigung mit einer Art von religiöser Verehrung und lehnsmäßiger Aufwartung darzubringen, und durch die Talente der Courteoisie, der Poesie und Musik angenehm zu machen gewußt. Nach diesem Begriffe hat die Dame die Kunst verstanden, den Dienst ihres Liebhabers lange mit zurückhaltender[WS 4] Hoheit zu erwiedern, und den endlichen Sieg, den er durch das Bewußtseyn erhielt, vor allen andern Dienern ihrer Schönheit ausgezeichnet zu werden, desto kostbarer zu machen.

Diesen Schwung in der Denkart über die Liebe darf man von der damahligen Ausbildung des menschlichen Geistes erwarten. Aber man darf ihn nicht außerhalb der Höfe suchen, wo damahls der einzige Sitz der guten Gesellschaft war. Man darf ihn auch hier nicht zu allgemein annehmen, und am wenigsten voraussetzen, daß Verbindungen, welche diesem Begriffe angemessen waren, [71] sehr häufig in der wirklichen Welt angetroffen wurden. Nein! man darf nur so viel vermuthen, daß es im Geschmack des Zeitalters lag, an solchen Idealen einer edleren Liebe Gefallen zu finden: daß Dichter und Romanenschreiber, die sie in ihren Werken nutzten, das Interesse vermehrt haben, welches die gute Gesellschaft daran nahm: und daß einige schwärmerische Köpfe sie zu realisiren gesucht, und die Zeitgenossen zur Nachahmung mit der ganzen Gewalt hingerissen haben, welche eine gespannte Phantasie, und ein ausgefülltes Herz allein zu gründen im Stande sind. Da, wo dieser leidenschaftliche Charakter nachließ, da hat der Geschmack an dieser Art von Verbindungen noch alle diejenige Macht beybehalten können, welche eine angewöhnte Sitte und die Verbindlichkeit, gewisse Förmlichkeiten zu beobachten, über Menschen ausübt, die bey einer einförmigen Lebensart wenig gesellige Zerstreuungen kennen: eine Macht, die um so erklärbarer in denjenigen Lagen wird, wo jener Geschmack mit gewissen Ideen von sittlichem Adel, und eitler Auszeichnung vor dem rohern Haufen zusammenhängt, und zu prächtigen Festen, prunkvollen Aufzügen, und sinnreichem Zeitvertreibe einen wichtigen Beytrag liefert.

So hat nach und nach diese Art, über die Liebe zu denken und sie zu behandeln, eine höfische Gesinnung und Sitte, eine Ausfüllung der Langenweile werden können, die man in der Nähe der Großen immer empfindet. Und hier hat sie erst im engsten Sinne eine zum Galla gehörige gesellige Einrichtung, oder Galanterie werden müssen. Hier hat erst der Angriff des Herzens, seine Vertheidigung, seine Uebergabe, seine Besitzergreifung, seine Erhaltung, kurz! Alles, was in [72] den engeren Verhältnissen zwischen zwey Liebenden vorkommen kann, einen bestimmten Gang, eine gewisse Form erhalten, und bald mit dem Ernst einer wahren Beschäftigung, bald mit der spielenden Leichtigkeit eines bloßen Zeitvertreibes betrieben werden mögen.

So läßt sich der Gang der Denkungsart des Mittelalters über die edlere Liebe bis zu der höchsten Stufe der Ausbildung verfolgen, die wir ihr zutrauen mögen. Ihr Wesen würde in Ruhmsucht und Befriedigung des Triebes nach Spannung und Unterhaltung bestanden haben: ihre Form eine ceremoniöse und abentheuerliche Huldigung des zärteren Geschlechts gewesen seyn. In so fern erschiene die Verbindung, welche sie empfiehlt, als geistig, und mit den Vorschriften einer strengeren Sittlichkeit bestehend. – Laßt uns diese Vorstellungs- und Behandlungsart die ruhmsüchtig geistige Galanterie nennen!

Aber neben dieser höheren Art über die Liebe zu denken darf man eine etwas niedrigere, wiewohl von zügelloser Ausgelassenheit und verworfenem Leichtsinn noch sehr entfernte annehmen, welche zwar die körperliche Vereinigung nicht ausschließt, aber sich dieser durch lange Aufwartung, Treue, und Verschwiegenheit würdig macht. Man wird diese mit gutem Fuge als die gewöhnlichere annehmen und sie unter dem Nahmen der anständig sinnlichen Galanterie, von der ersten unterscheiden dürfen.

Eine völlige Enthaltsamkeit von körperlichen Freuden, eine Beschränkung auf bloße Gewährungen der Ruhmsucht und des Triebes nach geselliger Unterhaltung läßt sich nur von wenigen Menschen erwarten, und kaum scheint sie bey einer längeren Dauer der Verbindung [73] unbedingt von der guten Sitte gefordert werden zu können. Es ist daher genug, wenn nur des äußeren Anstandes geschont, und der Fall mit der Schwierigkeit des Kampfs und mit glänzenden Folgen entschuldigt wird, um der ungesetzlichen Verbindung Nachsicht, und sogar Interesse bey der guten Gesellschaft zu sichern.

Dieß scheint der Fall zu seyn, wenn der Liebhaber sich um die letzte Gunst einer Dame von hohem Stande bewirbt, und sein Glück tapfern Thaten, achtungsvollen Huldigungen und langen Prüfungen seiner Beharrlichkeit, Aufrichtigkeit und Verschwiegenheit verdankt. Dann gewinnt das heimliche, und auf Sinnlichkeit beruhende Verständniß eben so sehr an Reitz für die Liebenden selbst, als es an Sträflichkeit vor den Augen der guten Gesellschaft verliert. Diese wird durch die Bürgertugenden, die eine solche edlere Intrigue hervorbringen kann, und durch den Einfluß, den sie auf die Vervielfältigung, Verfeinerung, Erhöhung der geselligen Vergnügungen, so wie auf die Milderung der Sitten überhaupt haben mag, versöhnt: jene, die Liebenden, genießen neben der Befriedigung gröberer Begierden, die ganze Spannung und Unterhaltung des Geistes, welche die Ueberwindung großer Hindernisse, die Besorgung einer heimlichen Verbindung, und das Interesse, was sie an sich selbst nehmen, und andern einflößen, mit sich führen.

Der Geist solcher Geschlechtsverbindungen würde sich von der Denkungsart der Griechen, Römer und Araber über diesen Gegenstand hinreichend unterscheiden. Nach diesen Begriffen würden die edleren Verhältnisse zwischen beyden Geschlechtern den Schein eines auf Befriedigung der Ruhmsucht und des Triebes nach Begeisterung [74] und geselliger Unterhaltung abzweckenden Verständnisses mit Damen von hohem Stande und unbescholtenem Rufe an sich tragen, und unter Bewahrung dieses Scheines würden diese Verbindungen sogar öffentlich zur Schau ausgestellet werden können. Wir wollen nun sehen, ob die Begriffe der damahligen Zeit wirklich mit derjenigen Darstellung übereintreffen, die wir jetzt nach der bloßen Wahrscheinlichkeit entworfen haben.


Fünftes Kapitel.
Ideen der provenzalischen Dichter über diesen Gegenstand. Vorläufige Untersuchung der Frage: woher ihr Geschmack seine Bildung zunächst erhalten habe.

Die nördlichen Länder von Europa haben eben sowohl wie die südlichen von frühen Zeiten her Dichter gehabt, die bald mehr bald weniger diesen Nahmen verdient haben. Sie bewahrten die Thaten der Vorzeiten in ihren Gedichten auf, ermunterten zum Streit in der Schlacht und zur Fröhlichkeit bey Gelagen. Oft vereinigten diese Dichter alle diejenigen Talente in sich, die zur Belustigung roher Völker dienen: Sie deklamierten mit einer gewissen Mimik: sie waren Musikanten, Possenreißer, Taschenspieler, u. s. w. Oft aber hatten sie auch besondere Personen in ihrer Begleitung, welche die Deklamation ihrer Gedichte durch Ausübung dieser Künste unterstützten. [15] [75] Diese Dichter nun sind keinesweges zuerst in denjenigen Gegenden erschienen, in denen die provenzalische Sprache herrschend war; aber hier haben sie sich zuerst zu demjenigen Grade von Vollkommenheit gehoben, der sie unsrer Aufmerksamkeit würdig macht. Fragt man [76] daher: ob die provenzalischen Dichter ihre Kunst von den Morgenländern entlehnt haben? so kann dieß weiter nichts heißen, als: ob sie den höhern Grad an Ausbildung, den wir in ihren Gedichten bemerken, der Bekanntschaft mit der arabischen und persischen Poesie verdanken? Die Bejahung dieser Frage hat viele anscheinende Gründe für sich. Ich selbst habe lange in dieser Meinung gestanden. Allein bey der genauern Prüfung scheint wenigstens ein so vertrauter Umgang der Troubadours mit den morgenländischen Musen nicht Statt gefunden zu haben, daß ihre Werke ihnen zu Vorbildern hätten dienen können.

Gesetzt, daß die Erlernung fremder Sprachen auch nicht mit den Schwierigkeiten verknüpft gewesen wäre, die man damahls, besonders bey Völkern von ganz verschiedenen Stämmen, annehmen muß; so zeigt dennoch die grobe Unwissenheit der Abendländer in allem, was die Sitten und die Religion der Muhammedaner anbetrifft, wie wenig sie sich mit diesen bekannt gemacht haben müssen. Ueberall, und selbst bey den Troubadours, werden die Saracenen mit den Heiden verwechselt, und der Glaube an Muhammed als Gott, ja! an mehrere Götter, von denen einige sogar aus der alten Mythologie der Griechen und Römer entlehnt sind, wird ihnen an mehreren Stellen beygelegt. [16]

Viel wichtiger aber ist der Grund, daß der Geist, der in den Gedichten der Perser und Araber herrscht, so ganz von demjenigen abweicht, den wir in den [77] Gedichten der Provenzalen antreffen. Jene ersteren haben einen Ueberfiuß an poetischen Bildern und Gleichnissen, die von einer mit der stärksten Sinnlichkeit verwandten Phantasie zeugen[WS 5]. Alles was sie denken, alles was sie empfinden, nimmt einen Körper an. Die Vernunft zügelt so wenig ihre Einbildungskraft als ihr Herz. Ordnung, Regelmäßigkeit, Zusammenhang, werden oft in dem Gange ihrer Ideen und Empfindungen vergebens gesucht. Ihre Lieder bestehen gemeiniglich aus einzelnen Strophen, die jede für sich als eine abgerissene moralische Sentenz, als ein einzelnes Gemählde, als Ausdruck eines augenblicklichen Affekts bestehen könnten. Uns Abendländern kommt ihre Poesie pomphaft, schwülstig, mit Bildern überladen vor. In Prosa übersetzt würde sie zum Theil für die Sprache eines Besessenen oder Fieberkranken gelten.

Bey den Troubadours ist dieß Alles anders. Sie haben mehr Witz als Phantasie: mehr Herz als Sinnlichkeit: mehr Leichtigkeit und Feinheit als Energie. Der Morgenländer kleidet simple Ideen und Gefühle in abentheuerliche Bilder ein: der Provenzale sucht nach abentheuerlichen Ideen und Gefühlen, und drückt sie matt und kraftlos aus. Es herrscht in den Kompositionen des letztern eine Ordnung, eine Verständlichkeit, die mehr Geschmack aber weniger Begeisterung anzeigt. Seine besten Gedichte in Prosa übersetzt, können durch den wahren und naiven Ausdruck rühren, der jede Aeußerung zärterer Gefühle und richtiger Beurtheilung in ungebundener Redeform dem Herzen und dem Verstande schätzbar macht. Diese Nüchternheit der Phantasie, diese Mäßigung im poetischen Ausdrucke, widerspricht aber ganz der Vermuthung, daß die Troubadours [78] Vorbilder vor Augen gehabt haben, die sich durch einen pomphaften, bilderreichen Styl auszeichneten. Denn für Völker, die durch Nachahmung ihre Poesie kultivieren, ist dieser Schimmer in ihren Vorbildern äußerst verführerisch, und es liegt in der Natur des Nachahmers, daß er überall, und mit doppelt grellen Farben mahlt.

Der eben angegebene Grund erhält dadurch seine größte Stärke, daß sich eine näher liegende Quelle angeben läßt, aus welcher die Troubadours ihre Bildung geschöpft haben. Diese floß zunächst aus den lateinischen Gedichten der damahligen Zeit, und diese flossen wieder aus den klassischen Autoren der Römer, besonders aus dem Ovid. Es ist eine ganz falsche Vorstellung, wenn wir glauben, daß die klassische Litteratur der Römer jemahls ganz in Vergessenheit gerathen sey. Es läßt sich dieß nicht einmahl von der griechischen Litteratur mit Gewißheit behaupten. Ausgebreitet war diese Kenntniß freylich nicht, aber einzelne Gelehrte besaßen sie, besonders in Klöstern. [17]

[79] Daß unter den Dichtern der damahligen Zeit, die in ihrer Landessprache Verse machten, mehrere mit der Litteratur der Alten vertraut gewesen sind, beweist schon das Beyspiel Abälards, der zu Ausgang des eilften, und im Anfange des zwölften Jahrhunderts lebte. Es ist bekannt genug, daß seine Gedichte in Jedermanns Munde waren, und die Schriften, die bis zu uns gekommen sind, zeugen für seine Kenntniß der alten Litteratur. Unter den Troubadours sind mehrere Geistliche gewesen, die folglich die Klostererziehung, und den Unterricht in der lateinischen Sprache genossen haben müssen. Pierre de Corbian rühmt sich, die Mythologie aus dem Ovid zu kennen, und Anspielungen auf diese Mythologie, so wie auf die alte Geschichte, sind häufig bey allen Troubadours anzutreffen. Ja! ganze Stellen aus dem Ovid sind [80] in ihre Gedichte übertragen. Besonders aber bürgt für die Behauptung, daß die Troubadours die römischen Elegiker vor Augen gehabt haben, jene Nüchternheit des Geschmacks, von der ich oben geredet habe.

Wenn die Poesie eines unkultivierten Volkes eine gewisse Herrschaft der Vernunft über die Phantasie verräth, so läßt sich dieß nicht gut anders, als aus der Nachahmung solcher Muster erklären, die von einem gebildeten Geschmack hervorgebracht sind. Die Folge pflegt aber dann zu seyn, daß die Nachahmung der regelmäßigen, wohlgeordneten Originale, eben weil die Phantasie dadurch gezügelt wird, matt und kraftlos ausfällt. Dieß ist der Fall bey den Troubadours. Ihre Werke haben wenig dichterischen Geist. Dagegen ist ihnen die Gabe, sich mit Klarheit, Ordnung, Zusammenhang der Ideen auszudrücken, und mit wohlklingenden Worten zu mahlen, nicht abzusprechen: Vorzüge, die das Talent des Nachahmers geschmackvoller Muster leichter erreicht, als der Nachahmer genievoller, aber unregelmäßiger Produkte.

Endlich enthält die Art, wie die Troubadours die Liebe in ihren Gedichten behandeln, wirklich nur eine Ausbildung derjenigen Intrigue, aus welcher die römischen Elegiker ihre mehrsten Situationen hernehmen.

Beyde haben das mit einander gemein, daß sie lose, auf keine gesetzmäßige Verbindung abzweckende Liebesverständnisse zu den Situationen ihrer Darstellungen wählen. Beyde setzen daher freye Willkühr des Herzens, aber zugleich Hindernisse zum Voraus, welche sie zu überwinden haben. Beyde hängen [81] gewöhnlich an verheiratheten Weibern: beyde sind zu einer heimlichen Besorgung ihres Liebesverständnisses verbunden. Aber Beyde sehen auch ihre Geliebten bey größeren geselligen Zusammenkünften, und finden daselbst eben sowohl die Gelegenheit, ihren Schönen unter den Augen der Männer ihre Huldigungen darzubringen, als einen Genuß für die Eitelkeit und die gesellige Unterhaltung. Beyde scheinen in ihren Klagen oft von der uneigennützigsten Liebe beseelt zu seyn, die sich in dem Dienste einer Gebieterin gänzlich aufzuopfern im Stande ist, und zur Belohnung nur daß Bewußtseyn fordert, daß die Grausame mit ihren Qualen Mitleiden empfindet. Ruhmsucht, Spannung der Phantasie, Beschäftigung des Witzes sind also bey Beyden Mittel, um die Befriedigung gröberer Begierden reitzender zu machen. Besonders haben Beyde von der eigentlichen Kunst zu lieben, oder von dem Inbegriff der Vorschriften, wodurch ein Herz besiegt, erhalten, und der Genuß des heimlichen Verständnisses vervielfältigt wird, die nehmlichen Begriffe. Bey den Troubadours sowohl als bey den römischen Elegikern finden wir die doppelten Sekten, von denen die eine die Liebe als eine ernste Angelegenheit, die andere wie ein Spiel behandelt.

Wenn wir den Umstand gehörig in Anschlag bringen, daß der römische Elegiker an den Weibern der Freygelassenen hing, daß hingegen der Troubadour seiner Fürstin, oder doch den Gattinnen der Großen seine Huldigungen darbrachte; wenn wir nicht vergessen, daß der Römer nur den Eigensinn und die Habsucht der Schönen, allenfalls die Wachsamkeit des Mannes, der Anverwandten, und der Nebenbuhler [82] zu besiegen hatte, daß hingegen der Troubadour auch gegen Begriffe von innerer Würde und äußerem Anstande bey seiner Dame ankämpfte; so lassen sich die Abweichungen, die wir in der Denkart Beyder über die Liebe antreffen, beynahe alle erklären. [18]

Haben denn die Morgenländer gar keinen Einfluß auf den Geschmack der Troubadours und ihre Ideen über die Liebe gehabt? Ich wage dieß nicht zu verneinen. Aber Alles, was man Aehnliches unter ihnen antrifft, läßt sich aus den Verhältnissen der Abendländer für sich erklären, ohne daß man nöthig hätte, auf die Sitten der Orientaler zurückzugehen. Niemahls wird man doch die Aehnlichkeit so stark finden, [83] um eine genaue Bekanntschaft mit der schönen Litteratur der Araber und Perser, eine Nachahmung ihrer Meisterstücke, vorauszusetzen. Es ist hinreichend, wenn wir eine gewisse allgemeine Kenntniß von den Sitten des Orient, welche auf die Imagination und das Herz der Abendländer im Ganzen wirkten, annehmen, um den gleichgestimmten Ton in den Liebesgedichten beyder Nationen zu erklären. Eben so wird es nur mündlicher Ueberlieferungen, und einer oberflächlichen Kenntniß fremder Ideen bedurft haben, um den Troubadour mit gewissen Dichtungsarten, und mit dem Stoff zu manchen Erzählungen, Bildern, Mythen, fabelhaften Wesen, u. s. w. [19] der Orientaler bekannt zu machen. Auffallend bleibt es jedoch, daß wir von den arabischen und persischen Fabeln nur so wenig Spuren bey den provenzalischen Dichtern antreffen: auffallend ferner, daß die mystisch religiöse Idee der späteren Orientaler, nach welcher der Liebende sich durch die Liebe zur Kreatur näher mit Gott verband, – eine Idee, die dem Troubadour in seinen Verhältnissen so sehr brauchbar gewesen wäre, – so viel ich weiß, nirgends von ihm genutzt ward.

Woher kam es aber, daß die Provenzalen, welche die nächsten Nachbarn der Araber in Spanien waren, die Poesie gerade zuerst zu einer höheren Stufe der Ausbildung gebracht haben? Man kann darauf antworten, weil ihre Sprache, welche unter allen damahls lebenden der lateinischen am nächsten kam, am ausgebildetsten war: weil überhaupt in den Ländern, worin sie gesprochen wurde, ein großer Wohlstand, [84] und eine mehr aufgeklärte Denkungsart als in dem übrigen Europa, sowohl in Rücksicht der religiösen als politischen Denkart herrschte; weil in Spanien, dem südlichen Theil von Frankreich, und dem obern Theile von Italien die klassische Litteratur selbst in den finstersten Jahrhunderten mehr als anderswo getrieben wurde; [20] und weil endlich der Hof der Berengarn die Musen liebte und unterstützte. Man kann auch mit gutem Grunde zweifeln, ob nicht das übrige Frankreich und andere Länder, welche von den arabischen Besitzungen in Spanien noch entfernter lagen, eben so gute Dichter aufzuweisen gehabt haben, deren Werke nur nicht bis zu uns gekommen sind. Doch! wir wollen gern einräumen, daß die Politur der Maurischen Höfe in Spanien zu derjenigen, die wir an den benachbarten Höfen um diese Zeit bemerken, beygetragen haben könne. Nur wird uns diese mitwirkende Ursach um so weniger hinreichend scheinen, die orientalische schöne Litteratur als ein unmittelbares Vorbild der provenzalischen zu betrachten, als sich sonst schwerlich begreifen ließe, warum erst im zwölften Jahrhunderte diese Mittheilung des Geschmacks eingetreten sey, da die morgenländische Poesie schon lange vorher geblühet hatte.

[85]
Sechstes Kapitel.
Fortsetzung.

Nach dieser Einleitung, welche über den Geist der provenzalischen Dichter bereits einige Aufschlüsse geben wird, wende ich mich jetzt zu der Prüfung ihrer Ideen über Liebe und Geschlechtsverbindung.

Wir müssen uns wohl hüten, die Nachrichten über die Lebensumstände der einzelnen Dichter, die uns der Abbé Millot [21] geliefert hat, unbedingt für wahr anzunehmen. Sein Werk ist zwar mit mehr Kritik geschrieben, als diejenigen, welche uns frühere Schriftsteller über diese Materie geliefert haben; demungeachtet ist es mit großer Behutsamkeit zu gebrauchen. Die mehrsten Lebensumstände der Dichter beruhen auf ungewissen Traditionen, die oft keinen andern Grund für sich haben, als die Situationen, in welche der Dichter sich bey der Verfertigung seines Gedichts hineinversetzt hatte. Dieses darf nur an irgend eine Gräfin oder Fürstin gerichtet seyn, um dem Verfasser sogleich ein Liebesverständniß mit ihr zuzuschreiben, dessen Begebenheiten die Imagination des Biographen zum Theil mit Zügen ausgefüllt hat, die in Zeiten hineingehören, worin die Sitte der Galanterie bereits ihre völlige Festigkeit und eine Art von systematischem Zusammenhange erhalten hatte. Wir wollen uns bloß an die Stellen der Dichter selbst halten, welche uns Millot aufbewahrt hat.

Inzwischen ist doch so viel im Allgemeinen für gewiß anzunehmen, daß wenn auch einige Personen [86] von dem höchsten Range und den größten Reichthümern, ja Könige und Fürsten sich damahls mit der Poesie abgegeben haben, bey weitem der größte Theil der Dichter aus Personen bestand, die von der Freygebigkeit der Fürsten lebten, an deren Höfen sie sich aufhielten. Ihre Talente machten das einzige edlere Unterhaltungsmittel der damahligen Zeit aus. Das Frauenzimmer in den höhern Ständen nahm besonders einen großen Gefallen daran, und empfand den Eindruck und die Wirkung ihrer Kunst in einem Grade von Stärke, wovon wir uns kaum einen Begriff machen können. Keine Sorgen, keine Beschäftigungen, welche die Führung des Hauswesens bey beschränkteren Umständen aufleget, raubte ihnen die Muße und den Wohlstand, welche zur Befriedigung des Geschmacks an geselligen Vergnügungen nothwendig sind. Aber kein Taumel anhaltender Zerstreuung hinderte auch den Eingang zärterer und edlerer Gefühle zu ihrem Herzen. Ihre Sittsamkeit durfte an den Gelagen der Männer keinen Theil nehmen: ihr Geist konnte aus den gewöhnlichen Gegenständen der Unterhaltung des stärkern Geschlechts, Jagd und Krieg, keine Nahrung schöpfen, und ihrer Zartheit ekelte vor seinen muthwilligen Scherzen.

Unter allen Völkern, bey denen der Geschmack an den schönen Künsten hervorgeht, pflegen es die Gattinnen der Großen zu seyn, welche ihnen den Eingang zum geselligen Zeitvertreibe bahnen. Nichts war daher natürlicher, als daß der Troubadour den Damen huldigte, die Antheil an seinen Talenten nahmen, und daß das Lob, welches er ihnen ertheilte, mit aller der Uebertreibung und Förmlichkeit gezollt [87] wurde, die dem Geiste des Zeitalters und dem Ceremoniel der Höfe eigen waren.

So mußte schon der bloße Ausdruck der Dankbarkeit und der Ehrfurcht den Schein einer Bewunderung und Anbetung annehmen, die sonst nur Wirkung der Leidenschaft zu seyn pflegt. Aber wie natürlich war es nun auch, daß wirklich zärtere Gefühle in dem Herzen der Troubadours für die Damen gegründet wurden, um deren Unterhaltung sie sich so wesentlich verdient machten. Das Herz des schönen Genies ist ohnehin so weich und so empfänglich für zärtere Empfindungen, und Eitelkeit pflegt eine ihm sehr gewöhnliche Schwäche zu seyn. Wie war es möglich, von Liebe vor schönen Prinzessinnen zu singen, ihr Lob mit dem Ausdrucke der Abhängigkeit und Anbetung in diese Gesänge einzuweben, ohne daß der Dichter sich unvermerkt an die Stelle des Liebenden, die Dame an die Stelle der Geliebten geschoben hätte! Dadurch erhielten ja erst seine Werke den mächtigen Zauber der Wahrheit und der Individualität. Wie leicht ward auf der andern Seite der Beyfall, den die Dame dem unterhaltenden Talente des Troubadours schenkte, mit der Wirkung eines interessantern Eindrucks verwechselt, und dem armen Troubadour, der ihn durch seine Person hervorgebracht zu haben glaubte, vollends der Kopf verrückt! Kurz! Beynahe alle Troubadours waren entweder wirklich in die Damen verliebt, an deren Höfen sie von Liebe dichteten, oder schienen es wenigstens zu seyn.

Hier aber mußten sie in ihren Aeußerungen eine Behutsamkeit, in ihren Wünschen eine Beschränkung [88] zeigen, welche diesen Gedichten oft den Anstrich der platonischen Liebe gab. Unverheirathete Damen wurden selten zu den Festen zugelassen, bey denen die Dichter erschienen. Es waren gemeiniglich gebundene Frauen, nicht selten die Gemahlinnen ihrer Wohlthäter und Beschützer, an welche sie ihre Verse richteten.

Man fühlt sehr leicht den Einfluß, den die Absonderung des Standes, und das Verhältniß zu der gebundenen Lage der Dame auf den Ausdruck und die Behandlungsart der Liebe haben mußte. Hatte man vielleicht im gemeinen Leben der Liebe darum eine abentheuerliche Gestalt gegeben, weil es im Geschmack des Zeitalters lag, sie allem zu geben, was man veredeln und verschönern wollte, so mußte der Dichter es darum thun, weil die Dame, die er sich als den Gegenstand seines Gedichts dachte, nicht auf die gewöhnliche Art verehrt werden durfte. Liebe und Eitelkeit wurden erfinderisch in den Mitteln, eine geheime Leidenschaft oder ihren Schein zu äußern, und sich einen nicht gefährlichen Genuß zu sichern. Worte, die nichts zu sagen schienen, weil sie zu viel sagten, wurden von denen, die sie brauchten, und die sie anhörten, nach Gefallen ausgelegt; der Ernst erschien als Spielerey, die Spielerey als Ernst; Allegorien und Symbole verdeckten oft geheime Wünsche, waren oft Zeichen ihrer Erhörung, und konnten doch für die Sache selbst ohne weitere versteckte Bedeutung angenommen werden. Daher muß man es sich erklären, daß Folquet und der Mönch von Fossan von der heiligen Jungfrau als von einer Geliebten sprechen, [89] und ihre Devotion in das Gewand der Leidenschaft kleiden konnten. [22]

Der innere Gehalt dieser Verbindungen war unstreitig sehr verschieden. Eitelkeit und Trieb nach einer dem Zeitalter angemessenen Unterhaltung lag wohl vor allen Dingen dabey zum Grunde. Die Damen wollten besungen seyn, und beyden war wahrscheinlich die Spannung und die Beschäftigung angenehm, welche Einbildungskraft und Geist dadurch erhielten.

In denjenigen Verhältnissen, welche auf solchen Gründen beruhen, werden oft die geringsten Merkmale einer auszeichnenden Gunst wichtiger als die engste physische Vereinigung es für denjenigen werden könnte, der nur die Befriedigung gröberer Begierden zum Zweck hätte.

Guillaume de St. Gregory wirft in einem Wettstreite die Frage auf: wer den Vorzug verdiene, eine vornehme Dame, die einige Freuden der Liebe ausnehme, oder ein Frauenzimmer von geringem Stande, das alle ohne Ausnahme gewähre? „Die Leiden der Liebe, die ich erdulde,“ sagt Savary de Mauleon, „würden mir lieblich scheinen, wenn meine Dame mir nur ihren Handschuh schenken wollte!“ – „Sie wird mich sterben lassen,“ sang ein Anderer, „und doch könnte sie mir mit einem Faden aus ihrem Handschuhe, mit einem Haare ihres Pelzes das Leben retten!“ [23]

[90] Bald mußte nun auch die Idee entstehen, daß man nur durch ausgezeichnete Vorzüge die Gunst der Dame verdienen, und wenn die Verbindung einmahl gegründet wäre, sie durch Ausbildung dieser Vorzüge ehren müsse. Pierre Roger führt in einem seiner Gedichte die Liebe redend ein; sie ermuntert ihn, durch ausgezeichnete Vorzüge sich den Reitzen einer Dame würdig zu machen, die an Rang und Verdiensten so weit über ihn erhaben sey. Vaqueiras, Sohn eines armen Ritters, liebt eine Dame von großem Stande. „Seyd mir willkommen,“ läßt er die Dame in einem seiner Gedichte zu ihm sagen, „seyd mir willkommen; sucht immer mehr Werth zu erlangen in Worten und Werken! Habt ihr jemahls gesucht liebenswürdig zu seyn, um geliebt zu werden, so verdoppelt jetzt eure Bemühungen!“ Blancas spricht in eben diesem Geiste: „das Verdienst allein giebt ein Recht, von der schönsten Dame geliebt zu seyn!“ „Wenn ich einigen Werth habe,“ sagt Carbonel, „wem verdank’ ich es, als meiner Dame?“

Ganz nahe lag nunmehro auch die Idee, daß der Liebhaber, der den Ruhm seiner Dame beförderte, und durch ihre Auszeichnung berühmt wurde, sich mit diesem Lohne begnügen, und ihr nicht solche Gunstbezeugungen abfordern dürfe, die ihrer Unschuld und ihrem Rufe gefährlich werden könnten. „Du, der du nach Verdienst strebst,“ singt Montagnagout[WS 7], „baue deine Hoffnung auf Liebe; sie erhebt uns zu großen Thaten, sie ladet uns zu einer anständigen Aufführung ein: sie verscheucht den Verdruß und ermuntert zur Freude. Wer liebt, der hintergeht nicht! Du liebst nicht, du verdienst keine Gegenliebe, [91] wenn du der Dame deines Herzens Gunstbezeugungen abforderst, welche die Tugend verdammt. So brennend deine Begierden immer seyn mögen, so fordre nie etwas, was gegen die Ehre deiner Geliebten anstößt. Liebe ist eine mit dem Willen des geliebten Gegenstandes übereinstimmende Neigung nach allem demjenigen, was seinen Ruhm vermehren kann. Wer etwas anders sucht, verläugnet den wahren Charakter der Liebe. Der edle Liebhaber liebt mit Vernunft, und überläßt sich nicht der Leidenschaft. Die Vernunft hält die Mittelstraße zwischen dem zu vielen und zu wenigen. Dieß ist der Weg, den wahre Liebhaber wandeln; wer ihn geht, den segnet Gott: wer ihn verläßt, betrügt! Nie kam mir der Wunsch ein, etwas zu thun, was der Schönen, der ich mein Herz geschenkt habe, zuwider seyn könnte. Ich kann kein Vergnügen genießen, das ihre Ehre befleckt. Der wahre Liebhaber wünscht hundertmahl mehr das Glück der Geliebten, als sein eigenes!“ [24]

Diese edle Sprache führen die Troubadours noch an mehreren Stellen. Inzwischen dürfen wir daraus keinesweges auf eine Denkungsart schließen, nach welcher sie den körperlichen Genuß als erniedrigend für die Würde des Menschen und der Verbindung, worin sie mit ihren Damen standen, betrachtet hätten. Vielmehr ging der Sinn ihrer Enthaltsamkeit nur dahin, daß der Liebhaber nicht wider den Willen seiner Geliebten auf Kosten ihrer Unschuld und ihres Rufs [92] die letzte Gunst fordern dürfte. „Ich liebe eine Dame,“ singt Sordel, „die an Werth über alle andere erhaben ist; ich diene ihr lieber ohne Lohn, als einer andern, die mir ihre ganze Gunst schenken würde. Aber was sag’ ich, ohne Lohn? Derjenige ist genug belohnt, der sein Herz an eine Dame voller Ehre und Tugend hängt. Das Vergnügen, ihr zu dienen, ist mir statt alles Gewinnstes! Mehr verlang’ ich nicht! Aber gäbe sie mir mehr, wie gerne würd’ ichs nehmen!“ [25]

Häufig sind die Klagen dieser dem Anschein nach so rein liebenden Dichter über zu lange Prüfungen und einen zu lange hinausgesetzten Lohn treuer Liebe. „Meine Dame, schreibt Rudel, unterwirft mich einer strengen Diät; ich gehe dabey zu Grunde!“ Giraud de Calanson liebt seine Dame mit mehr Treue, ohne die letzte Gunst zu erhalten, als ihr Ehemann, der sie genießt. Aber er bittet sie, ihm ihre zarten Blicke zu ersparen, die ihn vor Verlangen, sie zu besitzen, bersten lassen. Ein Glück, das er den Freuden des Paradieses vorziehen würde. Vidal singt: „wenn ich viel um meiner Dame willen litt, so werde ich endlich [93] von der Liebe erhalten, was man von ihr erhalten kann: Blatt, Blüthe und Frucht!“ Elias de Barjols klagt sich seiner Verwegenheit wegen an: „Meine Dame hat mir eine Gunst gewährt, warum habe ich größere verlangt?“

Es findet sich kein Beyspiel einer willkührlichen Enthaltsamkeit in den Werken der Troubadours. Schwierigkeiten, die in der Sorge der Damen für ihren Ruf, oder in dem Gefühle ihrer gebundenen Lage zu suchen sind, flößten den Dichtern ihre Genügsamkeit ein. Clara d’ Anduse sagt: „Verläumder, Auflaurer und Mißgünstige, zwingen mich durch üble Nachreden, mich von dir zu entfernen. Liebe, die mich ganz für dich beherrscht, befiehlt mir, mein Herz dir allein aufzubewahren. Wie gern gehorch’ ich ihr! Könnt’ ich meinen Körper stehlen, so würde der, der ihn hat, ihn niemahls besitzen!“ Aimeri de Péguilain, dessen Gedichte sonst viel von jener reinen, uneigennützigen Liebe enthalten, kann demungeachtet die Frage aufwerfen: ob der Schwur der Enthaltsamkeit gebrochen werden dürfe, wenn die Dame dem Liebhaber durch unvorsichtige Annäherung Gelegenheit giebt, ihn zu brechen?

Dieß ist die edelste Gestalt, welche die Liebe in den Werken der Troubadours annimmt, und wornach sie in Ermangelung einer engeren körperlichen Vereinigung sich auf Befriedigung der Ruhmsucht und des Triebes nach Spannung der Phantasie, und Unterhaltung des Witzes, als letzten Zweck, zu beschränken scheint. Es ist nicht unmöglich, daß eine solche Liebe in der wirklichen Welt zwischen dem Troubadour und der vornehmen Dame, der er mit seinen Gedichten [94] huldigte, hin und wieder Statt gefunden habe. Es ist begreiflich, daß der Regel nach der Gemahl so wenig wie das Publikum bey Verhältnissen dieser Art etwas zu erinnern haben konnte. Die Verschiedenheit des Standes flößte damahls eine natürliche Abneigung gegen eine zu enge Verbindung zwischen den Frauen der Großen mit dem Manne ein, der an Geburt oder Rang weit unter ihnen war. Die Gelegenheiten, sich ohne Zeugen zu sehen, waren selten. Die Anbetung, welche der Troubadour der Dame zollte, deren Reitze er besang, ward für eine Dichtung, für eine sinnreiche Erfindung gehalten, welche den Ruhm ihrer Schönheit bey allen kultivierten Nationen der damahligen Zeit verbreitete. Sie schmeichelte der Eitelkeit des Gatten, und trug zur allgemeinen Unterhaltung bey. Der Mann von Talent und exaltierter Phantasie hat ohnehin das Vorrecht, nach einem eigenen Maßstabe gemessen zu werden, und die Auszeichnungen, die ihm von Seiten der Damen wiederfahren, werden auf Rechnung eines bloßen Antheils an ihren Talenten gesetzt.

Allein wir würden sehr irren, wenn wir in der damahligen Zeit schon eine völlig organisierte Galanterie, Cicisbeatur, oder eine Sitte annehmen wollten, nach der eine jede Dame unter den Augen des Mannes und mit seiner Einwilligung einen Liebhaber haben durfte. Gewiß gehören die mehrsten Gedichte der Troubadours, worin sie ihre Empfindungen für Damen schildern, zu denen sie ihre Wünsche nicht erheben dürfen, und noch mehr diejenigen, worin sie von dreisten Hoffnungen und beglückter Liebe reden, [95] zu fingierten Situationen der Dichterwelt, die schwerlich auf wahren Verhältnissen beruhen.

Noch weniger dürfen wir annehmen, daß es allgemeiner Ton gewesen sey, so geistig zu lieben, als es von mir bis jetzt geschildert ist. Schon früh im zwölften Jahrhunderte, von der ersten Zeit an, worin wir Spuren von den Werken der Troubadours finden, klagen diese bereits darüber, daß wahre Treue und edle Liebe aus der Welt verschwunden sey, und diese Klagen dauern fort, so lange uns noch Ueberbleibsel von ihren Gedichten aufbewahrt sind; zum sichern Beweise, daß diese Liebe wohl hauptsächlich in einzelnen Fällen, oder gar nur in der Dichterwelt Statt gefunden habe.

Neben jenen Zügen einer edleren Liebe finden wir Spuren der größten Ausgelassenheit der Sitten, und, einer völligen Vernachlässigung des Anstandes, und was höchst merkwürdig ist; wir finden sie gerade da, wo der Liebhaber durch seinen Stand berechtigt zu seyn glaubte, sich über Sittlichkeit und Achtung für das zärtere Geschlecht hinauszusetzen. Die Fürsten aus dieser Zeit, welche sich mit der Poesie abgaben, sind äußerst zügellos in ihren Gedichten. [26] Es war daher den Damen von geringerm Stande nicht rühmlich, mit vornehmern Herrn in Verbindung zu stehen. Azalais de Pourçairagues sagt: „die Weiber sind Thörinnen, die sich mit großen Herren einlassen. Solche Verbindungen sind eine Quelle von Demüthigung und Verachtung!“

[96] Verschiedene Stellen deuten auf einen Unterschied zwischen den Verbindungen mit vornehmern Damen und denen mit Weibern aus einer niedrigern Klasse hin. Guillaume de St. Gregory wirft in der schon angeführten Stelle die Frage auf: welche Personen den Vorzug in der Liebe verdienen, eine vornehme Dame, die gewisse Freuden ausnimmt, oder ein Frauenzimmer von gewöhnlichem Stande, das Alles, ohne Einschränkung hingiebt? Deudes de Prades sagt von sich: er sey in eine Dame verliebt, von einer Person aus dem Mittelstande geliebt, und er finde noch außerdem sein Vergnügen bey den Freudenmädchen. Peyrols rühmt sich seiner Weisheit, seinen Ehrgeitz beschränkt, und sich von einer vornehmen Dame zurückgezogen zu haben. Er findet sich weit behaglicher bey einer Frau von niedrigem Stande, die oft von ihrem Manne Schläge bekommt, und dann Trost in seinen Armen sucht.

Nur unter der eben angenommenen Voraussetzung, daß nehmlich jene edlere Liebe hauptsächlich zur Unterhaltung der Höfe diente, und den Stoff zu denjenigen Gedichten hergab, die unmittelbar an die Fürstinnen und an andere Damen von hohem Stande gerichtet waren, oder wenigstens als an sie gerichtet angesehen werden konnten, läßt sich die außerordentliche Verschiedenheit der Grundsätze in den Gedichten eines und des nehmlichen Troubadours erklären. Es mußte nehmlich in den verliebten Gedichten bald eine eigene Gattung von Situationen ausmachen, wenn der Dichter sich in die Stelle eines Liebhabers von geringem Herkommen setzte, der eine Dame von höherm [97] Stande anbetete. [27] Neben diesem Liebhaber bestand derjenige, der durch keine anderen Hindernisse von einer gänzlichen Vereinigung mit seiner Geliebten abgehalten wurde, als diejenigen, welche ihm die Sprödigkeit seiner Geliebten und die Sorge für ihren Ruf entgegen setzte.

In den Gedichten, welche diese letzte Art von Situationen wirklich eingab, oder einzugeben schien, findet man nun diejenige Denkungsart über die edlere Liebe wieder, die ich oben die anständig sinnliche Galanterie genannt habe, und welche auf einer verfeinerten Sinnlichkeit beruht.

Allgemein war die Idee, daß ein zu leichter Sieg der Liebe schade, und ihren höchsten Reitz abstumpfe. „Eine Dame, die sich zu leicht entflammt,“ sagte Savary de Mauleon, „weiß nicht zu lieben, und fehlt eben so sehr gegen die Klugheit als gegen die Pflicht der Liebe.“ – „Eine Dame, die durch lange Prüfungen ihres Liebhabers sich von der Aufrichtigkeit seiner Leidenschaft überzeugen will, ist bey gleichen Vorzügen einer andern vorzuziehen, die Alles gewährt, ohne sich lange bitten zu lassen,“ sagt Guillaume de la Tour. – Nach eben diesen Grundsätzen sagt Hugo Brunet: „der allzubald befriedigte Liebhaber verliert die Reitzungen seiner Begierden. Warum? Weil ein Geschenk, das die anständige Liebe lange zurückhalt, tausendmahl mehr werth ist, als dasjenige, welches die andere Liebe verschwendet.“ [28]

[98] Man setzte den höchsten Werth der Liebe in jene Spannung der Phantasie, in jene Beschäftigung, welche die Ueberwindung eines weiblichen Herzens und seiner Bedenklichkeiten hervorbringt. Daher rührt auch die Meinung, daß der körperliche Genuß die Liebe tödte, und daß der Stand des Liebhabers unendlich glücklicher sey, als der des Mannes. [29]

Bald mußte die Intrigue nach dem Geiste der Zeit eine gewisse regelmäßige Form, wenigstens in der Dichterwelt, erhalten. Es wurden die Regeln beym Angriff, bey der Vertheidigung, bey der Dauer des Verhältnisses festgesetzt; kurz! es entstand eine Art von Taktik der Liebe. Es ward sogar die Zeit festgesetzt, wie lange der Liebhaber harren dürfe, ehe er die letzte unnennbare Gunst zu fordern berechtigt sey. Sieben Jahre mußte er warten nach dem Beyspiele des Erzvaters Jakob, der sieben Jahre um Rahel gedient habe. Ließ ihn aber seine Dame alsdann unbelohnt, so durfte er brechen, und sich an eine andere wenden. [30] Unterdessen ward seine Treue, und besonders seine Verschwiegenheit auf die Probe gesetzt. Diese Lehren wurden zuweilen in sinnreichen Allegorien vorgetragen, und lange ehe Guillaume Loris seinen Roman von der Rose in Frankreich schrieb, [31] hatte Pierre Vidal eine Kunst zu lieben in einem sinnreichen Gespräche zwischen sich und dem Amor, in Begleitung der Dame Mercy, der Demoiselle [99] Pudeur, und dem Ecuyer Loyauté entwickelt. „Die Liebe, sagt er darin,“ entsteht im Herzen, wo sie vom Willen ernährt wird, wenn der Gedanke sie geboren hat. Sie lebt von Freude und Frohsinn: sie entzündet sich, und geräth in Flammen durch die Verfolgungen treuloser Nebenbuhler. Sie wächst und vervollkommnet sich, wenn die Falschheit dieser letzten aufgedeckt wird. Sie verdankt dem zärtlichen Blicke ihr Daseyn, und wenn Freude und Zufriedenheit hinzutreten, ist sie in ihrem größten Wachsthume. Der Schildknappe der Liebe, Loyauté durchbohrt den träumenden, nachdenkenden Liebhaber mit seinem Pfeile. Er dringt mit den Seufzern zwischen Ohren und Augen ein, und, o Wunder! der Streich trennt nicht die Herzen, er vereinigt sie, und bildet aus zweyen eins. Aber seine Pfeile können unter Männern und Weibern nur diejenigen erreichen, die ein offenes, biederes Herz haben. Menschen, die für Geld Weiber nehmen, Weiber, die sich für Geld hingeben können, sind keine Unterthanen der Liebe. – Der Ritter ist berechtigt, seine Dame zu verlassen, und sich nie wieder mit ihr auszusöhnen, wenn sie nach dem Geschenke der unnennbaren Gunst noch für einen andern die nehmliche Gefälligkeit hat. Dieß Laster kann nicht abgewaschen werden. Denn so wie die Tugend den höchsten Reitz der Frauen ausmacht, so giebt es nichts Schändlicheres, als ihre Ausschweifung. Die Damen sind das Modell der Courteoisie. Man muß sie außerordentlich ehren, wenn ihre Aufführung untadelhaft ist.“

Giraud de Calanson sagt in den Vorschriften, die er den Troubadours giebt: „Lehre die Regeln der Liebe, ihre Privilegien, ihre Gegenmittel. Erkläre ihre verschiedenen [100] Stufen: wie sie schnell wächst, wovon sie lebt, wie sie abnimmt, wie sie betrügt und ihre Diener verzehrt!“

In diese Kunst zu lieben brachte man die Förmlichkeit der damahligen Zeit. Man weihte sich dem Dienste der Damen, und ward von ihnen darin aufgenommen, unter gewissen Ceremonien, die von der Lehnsinvestitur entlehnt waren. [32] Man trug Gürtel, Ringe, Aermel der Dame, und sie nahm wieder solche Zeichen der Liebe von ihrem Liebhaber an. [33] Man ließ Messen lesen, und brannte Kerzen, um die Spröde zu erweichen. [34] Man ließ sich, wenn man brechen wollte, durch einen Priester die Absolution geben, [35] oder die neue Geliebte forderte wenigstens eine Erlassung des Schwurs von der Verlassenen, [36] ehe sie die Aufwartung des vorhin gebundenen Liebhabers annahm.

So erscheinen die edleren Geschlechtsverbindungen von der gewöhnlicheren Art in der Dichterwelt der Troubadours, und bestehen neben denen von der höheren, geistigeren Art. Sie geben Veranlassung zu einer Menge von elegischen Situationen. Es fragt sich: waren sie in die wirkliche Welt übergegangen? und dann: waren sie allgemein verbreitet?

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß dieser oder jener Ritter oder Troubadour mit seiner Dame wirklich in solchen Verbindungen gestanden habe. Aber häufig [101] sind sie gewiß nicht gewesen, diese Verbindungen, und nirgends finden wir sichere, aus den Werken der Troubadours selbst genommene Beweise, daß dergleichen Verhältnisse zwischen einer verheiratheten Dame und ihrem Liebhaber unter Autorität der Sitten, und mit Genehmigung des Gatten bestanden hätten. [37] Vielmehr finden wir häufige Klagen über die Eifersucht der Männer, und die Verläumdung der Auflaurer.

Alle Schilderungen der Sitten der damahligen Zeit, womit die Sirventen der Troubadours so häufig angefüllt sind, beweisen ihre Verdorbenheit. Jene langen Prüfungen der Liebhaber, ihre Beharrlichkeit, Treue, Discretion, werden vom Anfange des zwölften Jahrhunderts an, bis zu Ende des dreyzehnten hin, als längst veraltete Vorzüge geschildert. Häufige Satyren auf die Weiber stellen diese in dem schlechtesten Lichte dar: einem Jeden feil für Geld, ausschweifend in ihren Begierden, ausgelernt in den Künsten der Koquetterie. Eben so häufig sind die Klagen über Ehebruch, und die Ungewißheit der Väter, ob die Kinder, welche ihre Gattinnen ihnen zuschrieben[WS 8], auch die ihrigen wären. [38]

Kein Wunder also, wenn jene edleren Verbindungen selbst den Dichtern, die sie zum Stoffe ihrer Kompositionen [102] brauchten, oft lächerlich wurden; wenn Scherz und Ernst zuweilen in ein und das nehmliche verliebte Gedicht gemischt wurden! Manche Elegien haben einen so skurrilischen Anstrich, [39] daß man den Schalk, der im Herzen lacht, während Mund und Auge weinen, nicht verkennen kann. Daher denn auch jene dritte Art, über die Liebe zu denken, die wir neben den beyden ersten zuweilen in den Werken eines und desselben Troubadours antreffen. Denn wenn er bald von einer bloß auf Ruhm und Ehre gebaueten Liebe begeistert zu seyn scheint, so wird er bald darauf von den kühnsten Hoffnungen, oder von Dankbarkeit für die genossene Frucht seiner Beharrlichkeit belebt; und endlich versichert er: „man müsse in der Liebe die Sache nicht zu ernsthaft nehmen, darüber lachen und scherzen, nie bitten, ohne zugleich zu nehmen, und besonders jene Verwegenheit nicht vernachlässigen, ohne welche in der Liebe nichts auszurichten sey!“ [40]

Unstreitig hat es also damahls bereits Ketzer gegeben, welche an der Wirklichkeit der hohen Bestimmung der Liebe gezweifelt, und in ihr eine bloß sinnliche Leidenschaft, einen durch Beymischung von etwas Witz und Gefühl zur geselligen Unterhaltung dienenden Zug zwischen beyden Geschlechtern gesehen haben. Daher die häufigen Tenzons über die Fragen: ob eine Dame, die Allen gefällig wäre, derjenigen vorzuziehen sey, die nur die Aufwartung eines einzigen Liebhabers leide, aber [103] gegen diesen grausam sey? [41] ob der Ruhm, den man vor den Augen der Geliebten gewinne, den leicht zu erwerbenden sinnlichen Genuß aufwiege? [42] Ob das lange Harren, oder der leichte Sieg den Vorzug verdiene? [43] u. s. w. Daher die höchst sittenlosen Gedichte, die sehr schlüpfrigen Erzählungen und Pastorellen worin berückte Männer und leicht errungene Siege geschildert werden: [44][WS 9] Daher endlich jene ruhmredigen eiteln Aufzählungen von besiegten Damen, unwiderstehlichen Vorzügen, und Verführungskünsten der Troubadours. [45][WS 9]

Kurz! Alles beweiset, daß wenn die edlere Art über die Liebe zu denken den Stoff zu einer höheren Gattung verliebter Gedichte hergab, diese dennoch keinesweges allein herrschender Ton in der Dichterwelt, und noch weniger in der wirklichen gewesen sey. Nirgends aber finden wir die Idee, daß der sinnliche Genuß entehrend für die Würde des Menschen und der Liebe sey, und daß der edlere Mensch, wenn die Umstände es gestatteten, sich dennoch desselben freywillig enthalten müsse. –

[104]
Siebentes Kapitel.
Ideen der Dichter unter den übrigen Nationen von Europa über Liebe und Geschlechtsverbindung[WS 10].

Im nördlichen Frankreich finden wir die Spuren derjenigen Denkungsart, wornach die Liebe eine bloß auf geistigen Genuß beschränkte Verbindung seyn sollte, viel weniger häufig. Dagegen ist diejenige, wornach die Liebe in einer verfeinerten Sinnlichkeit gesetzt wurde, hier ausgebildeter als im südlichen Frankreich anzutreffen. Ihr Wesen ist besonders von Wilhelm Loris in dem Roman der Rose, der ums Jahr 1260 geschrieben wurde, auseinander gesetzt worden. Er enthält eine allegorische Darstellung der Schicksale einer auf Galanterie gegründeten Verbindung, und er hat einen zu großen Einfluß auf den Geschmack seiner Zeitgenossen und der nachfolgenden Generationen gehabt, um nicht eine kurze Idee davon zu geben. [46]

Ein Jüngling wird beym Anblick einer Rose von Amors Pfeilen durchbohrt. Er sinkt ohnmächtig hin, aber bald ermuntert er sich wieder, und stürzt voll schnöden Verlangens durch die verwachsene Dornenhecke, um die Rose zu pflücken. Vergebens! Seine Verwegenheit wird mit unzähligen Stichen bestraft. Er würde auf immer geflohen seyn, aber Amor will den Vasallen nicht fahren lassen; er durchbohrt ihn mit einem neuen Pfeile beau semblant. Dieser schlägt [105] zwar eine neue Wunde, führt aber auch einen Balsam mit sich, der ihre Schmerzen lindert.

D’une part m’oingt, d’autre me cuit,
Ainsi il m’aide, ainsi mé nuit.

Amor gesellt ihm einige Gehülfen bey: doux penser, doux regard, doux parler. Zugleich öffnet ihm bel accueil, fils de Courteoisie, den Weg durch die Dornenhecke zur Rose, aber unter der ausdrücklichen Verwarnung, sie nicht zu pflücken, nicht einmahl ein Verlangen darnach zu äußern. Unnütze Vorsicht! Kaum hat sich der Liebhaber der Rose bis auf einige Schritte noch[WS 11] genähert, so streckt er schon die Hand nach ihrem Besitze aus. In dem nehmlichen Augenblicke stürzt ein Ungeheuer auf ihn los, mit Nahmen Dangier, und verjagt bel Accueil und den Liebhaber. Zitternd flieht bel Accueil, und sein Freund zieht sich verzweiflungsvoll in einen Winkel, woraus seine Augen kaum den Ort entdecken mögen, der seine Geliebte umschließt. Dame Raison unternimmt es, ihn von seiner Liebe zu heilen; aber umsonst! Williger leiht er sein Ohr dem Trost und dem Rath eines jungen Mannes, Nahmens Ami. Dieser ermuntert ihn, zum Dangier zurückzukehren, und das Ungeheuer zu besänftigen, durch reuige Thränen, und heilige Versicherungen mehrerer Enthaltsamkeit wieder Eingang zu gewinnen. Der Liebhaber folgt dem Rathe. Dangier empfängt Anfangs Beyde mit Vorwürfen und schrecklichen Drohungen: aber auf die Länge widersteht er nicht ihren vereinigten Bitten. Franchise und Pitié, zwey sanfte, liebenswürdige und überredende Nymphen sprechen endlich [106] den Dangier ganz zur Ruhe. Er zieht sich zurück, und läßt den Liebhaber unter den Händen des bel Accueil, der nur auf diese Gelegenheit gelauert hatte, um seinen Liebling bey der Rose wieder einzuführen. Der Liebhaber findet sie schöner als jemahls. Geblendet von ihrem Glanze, senkt er seine Augen nieder, erhebt sie bald aber zu neuer Bewunderung. Eine Zeitlang steht er in sich selbst verloren. Sein Herz schlägt hoch auf, und dem halbgeöffneten Munde entfahren brennende Seufzer. In diesem Augenblicke fährt Venus in ihrem mit Tauben bespannten Wagen vorüber. Die Schönheit, die Lage des Jünglings rühren die gutherzige Göttin. Sie nimmt ihn unter ihren Schutz, führt ihn selbst zum Rosenbusch, beugt ihm den Zweig, der die Rose trägt, entgegen, und der Glückliche drückt den feurigsten Kuß auf ihre Blätter. Noch kleben seine Lippen darauf, schon röthet eine höhere Farbe die Rose, – als ein widriges Geschrey zu früh dieses himmlische Entzücken stört. Es ist die Verläumdung Malebouche, die es erhebt. Sie hat das Glück der Liebenden mit schelem Blicke belauscht: Venus flieht erschrocken davon. Drey Ungeheuer, Furcht, Scham, Neid, angezogen durch die Losung ihrer Gefährtin Malebouche, eilen dagegen heulend herbey. Sie schleifen den Liebhaber, der ohnmächtig zu den Füßen des Rosenstocks niederstürzt, zugleich mit Bel Accueil in die Höhle, welche Dangier auf immer bewacht. Hier bauen sie für Beyde einen Thurm zum ewigen Gefängniß: hier beladen sie den Liebhaber mit Ketten. Verdammt zu unendlichen Qualen liegt er hier, und fleht vergebens den Himmel um Vernichtung an. Gramvolle Erinnerung, [107] Schmerz, Vorwürfe, martern ihn mit jedem Augenblicke zu Tode, um ihn im folgenden zu noch härtern Qualen wieder zu erwecken.

So weit der erste Verfasser dieser ingenieusen Allegorie, die in der Folge von einem andern mit minderem Glücke geendigt ist.

Ihr Sinn geht dahin, den Gang, den ein edleres Liebesverständniß zu nehmen pflegt, zu beschreiben. Die Schönheit zieht an, und erweckt sinnliche Begierden. Aber der Liebhaber zieht sich bey den Schwierigkeiten, die sich ihrer Befriedigung entgegen setzen, zurück. Ein gütiger Blick der Dame giebt ihm neue Hoffnungen, und er sucht ihre Gunst durch ein einnehmendes Betragen und längere Aufwartungen zu gewinnen. Diese öffnen ihm auch den Weg zu ihrem Herzen, jedoch unter der Bedingung, daß er ihrer Unschuld schonen soll. Die Sinne verleiten ihn bald zu verwegenen Angriffen, und die Furcht vor den Folgen bewegt seine Geliebte, ihn aus ihrer Gegenwart zu vertreiben. Er ruft seine Vernunft zu Hülfe; aber umsonst! Ein Freund räth ihm, zu seiner Geliebten zurückzukehren. Seine Reue, sein Biedersinn, bewegen die Schöne zum Mitleid, ihre Besorgnisse verlieren sich, sie schenkt ihm ihre vorige Freundschaft wieder, zu der sich bald Gegenliebe gesellet. Die engste Vereinigung erfolgt: aber sie wird auch bald von der Verläumdung wieder gestört, und beyde Liebende werden ein Raub dauernder Qualen. [47]

Die Grundsätze dieser Art über die Liebe zu denken waren in der Dichterwelt des nördlichen Frankreichs [108] die nehmlichen, wie in der des südlichen. Der Liebhaber muß sich durch ruhmwürdige Thaten vor den Augen seiner Geliebten auszuzeichnen suchen: dafür darf er öffentliche Beweise ihrer Gunst fordern, die seiner Eitelkeit schmeicheln, dem tapfern Ritter darf sich die Schöne ergeben: er muß aber seiner Seits verschwiegen, und von unverbrüchlicher Treue seyn. [48]

Daneben bestand eine sehr leichtsinnige Art, über die Liebe und über den Werth der Weiber zu denken. [49] Ich kann der Versuchung nicht widerstehen, die Grundsätze, welche Gujart, ein Dichter aus dieser Periode, in seiner Kunst zu lieben vorträgt, hierher zu setzen, da sie die Aehnlichkeit mit denjenigen, welche in der Kunst zu lieben des Ovid enthalten sind, beweisen. [50]

[109] „Ihr müßt, sagt der Autor, der Dame euer Leiden klagen, sprechen: ich ziehe den Tod durch eure Strenge dem Glück durch die Güte jeder andern vor. Vielleicht ergiebt sie sich nicht gleich auf diesen ersten Angriff, und zeigt einigen Stolz. Laßt euch nicht abweisen, seht sie oft, verliert sie nicht aus den Augen: die Weiber sind leichtsinnig: es bedarf nur eines Augenblicks, um das Andenken langer Dienste auszulöschen. Vor allen Dingen empfehle ich euch nichts zu verlangen, als bis ihr von ihrer Gegenliebe überzeugt seyd. Aber sobald das süße Bekenntniß über ihre Lippen gekommen ist, so legt alle eure Talente aus, und denkt ernsthaft daran, Land zu gewinnen. Grüßt ihre Nachbarinnen, begegnet ihren Gespielinnen mit Artigkeit, gewinnt die Dienstboten mit Geschenken und Versprechungen: Vernachlässigt Keinen! Wenn die Dame von Jedermann euch loben hört, so wird sie sich ihrer Wahl freuen, und euch stärker lieben. Sicher von ihren Gesinnungen, späht den Augenblick aus, worin sie allein ist. Geht zu ihr: fordert einen Kuß. Sie wird ihn abschlagen: raubt ihn, und seyd versichert, in ihrer Seele weiß sie euch Dank dafür. Kehrt am folgenden Tage wieder zurück, und nehmt einen zweyten. Diesen wird man euch willig geben. Nehmt einen, zwey: sucht sie so schmackhaft, (savoureux,) als möglich, zu geben. Dieß entflammt die Sinnen der Weiber am stärksten. – Habt ihr endlich die letzte Probe der Liebe empfangen, so werdet ihr sehen, daß sie sich noch enger an euch hängt. Findet ihr sie von eurer Seite offenherzig, sanft, kurz! so wie sie euch gefällt; so hängt euch gleichfalls an sie, dient ihr mit Treue, steht allenfalls nicht an, sie zu heirathen. [110] Aber wenn ihr Charakter, ihr Verstand, ihre Aufführung euch mißfällt, so verlaßt sie, u. s. w.“

Bey den Deutschen ist der nehmliche Geist sichtbar, den wir bey den Provenzalen finden, deren Dichter höchst wahrscheinlich auf den Geschmack unserer Minnesinger Einfluß gehabt haben. [51]

Wir finden auch hier Spuren jener uneigennützigen Denkungsart, die sich auf einen geistigen Genuß beschränkte. Bodmer [52] hat mehrere Beyspiele davon zusammengestellt, die aber dasjenige, was er daraus folgert, nehmlich willkührliche Bezähmung der Begierden, um des Stolzes der Selbstbeherrschung willen, [53] nicht beweisen.

König Wenzel von Böheim sagt zwar: [54] „Die Minne darf auf mich stolz seyn. Ich hatte sie umfangen, und küßte ihre klaren, zarten, süßen Lippen. Aber mein Wille lehnte sich nicht wider ihre Keuschheit auf, obgleich das vielgeliebte Weib mein Herz mit ganzer Liebe eingenommen hatte. Mein Wille war den Augen und dem Herzen leid. Mein Leib zürnte, daß ich den Genuß der Liebe mied. Dieß machte die Vollkommenheit meiner Liebe, und ihre keusche Vortrefflichkeit. Nun habe Dank, der seine Dame, (Frowe) so pflegt, wie ich der reinen sanften Frucht. Ich brach die Rose nicht, und hatte sie doch in meiner Gewalt u. s. w.

[111] Diese Verse schildern die Empfindungen eines Mannes, der mit sich selbst zufrieden ist, daß er seine Pflicht gethan, und Begierden unterjocht hat, deren Befriedigung auf Kosten der Unschuld seiner Dame hätte erkauft werden müssen: eine Empfindung, die über eine fanatische Enthaltsamkeit eben so weit erhaben ist, als sie noch unter der platonischen Seelenliebe steht.

Eben dieser Wilhelm von Böhmen singt, als er zwey Liebende sieht, die sich umarmen und küssen: „da das erging, da ist auch mehr ergangen!“ [55] Man sieht daraus, welches Vertrauen er in die Selbstbeherrschung der mehrsten Liebhaber setzte.

Die übrigen von Bodmer angeführten Beyspiele beweisen gerade das Gegentheil von demjenigen, was sie beweisen sollen. Der Graf von Bottenlaube beklagt sich über die Sprödigkeit seiner Dame: „das Liebesschicksal spottet meiner, sagt er. Es gab mir etwas, das ich nicht habe. Was nützet mir Gold in Indien? Mir scheint das Glück der Liebe, wie dem Kaiser der Karfunkel in seiner Krone. Er hat ihn so, daß man ihn auf seinem Haupte nicht schimmern sieht. Mein Mädchen ist so wohl verwahrt, als dieser Stein, der zu Aachen im Rheine liegt.“ Diese gezwungene Enthaltsamkeit kann dem Liebhaber nicht zum Ruhme gereichen. – Die letzte Stelle endlich, die Bodmer aus dem Dietmar von Ast anführt, ist ein sehr unsittliches Gespräch zwischen dem Liebhaber und seiner Dame. Er hat geschwatzt, und darüber seinen Abschied erhalten. „Was er den Leuten von mir gesagt, das verdrießt mich heute und immerdar. Er verliert damit meine Huld.“ So [112] spricht die Dame, und dieß ist die Veranlassung zu dem Gedichte. Der Liebhaber singt: „Was war es nöthig, daß ich wegen eines Weibes um Freyheit und um den Verstand kommen sollte. Es ist nicht so stark verwahrt! – Eine Sache wollte ich gerne der Dame in Erinnerung bringen, wäre sie nicht ein Schlag auf ihre Stirne: sie sollte daran denken, ob sie jemahls wie eine Närrin bey mir gelegen habe.

Diese nicht anständige Aeußerung enthält offenbar den Vorwurf einer Schwachheit der Dame, den ihr der Dichter macht, um ihre jetzige Sprödigkeit in ein unvortheilhaftes Licht zu setzen. Darauf antwortet die Dame mit einem noch unanständigern Vorwurfe: „Was half es, daß er wie ein Narr bey mir gelegen hat? Ich ward doch niemahls seine Frau!“ – Diese Worte können nie auf eine willkührliche Enthaltsamkeit, sondern nur auf ein physisches Unvermögen hindeuten.

Lassen wir daher die Idee an eine fanatische Enthaltsamkeit, oder gar an eine platonische Seelenliebe ganz fahren. Der deutsche Dichter fühlte so wie seine Nachbaren, daß Pflicht und äußere Umstände dem Bestreben nach gänzlicher Vereinigung zuweilen Grenzen setzten, und daß dieß beschränkte Verhältniß zu vielen, für die Dichtkunst brauchbaren Situationen, Anlaß gab. Hat es auch einen Robert d’Arbrissel unter ihnen gegeben; so ist sein Geschmack gewiß nicht der herrschende gewesen, und die Tugend hat unstreitig nichts dabey verloren. [56]

Uebrigens finden wir bey den Minnesingern neben jenen edleren Grundsätzen auch eine sehr leichtsinnige Art, über die Liebe zu denken.

[113] In England schrieben die Dichter des zwölften und dreyzehnten Jahrhunderts französisch und lateinisch: [57] in Italien provenzalisch. [58] Sie treffen mit den Dichtern des nördlichen und südlichen Frankreichs zusammen. In den nordischen Sagen finden wir Spuren eines ähnlichen Geistes, die aber wenig ausgebildet sind. [59]


Achtes Kapitel.
Ideen der Romanenschreiber aus dem zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte über Galanterie und Liebe. Romane vom Hofe Karls des Großen.

Es ist beynahe unmöglich, dem Alter der Romane und der Zeitfolge, worin sie verfertigt sind, auf die Spur zu kommen. Wir besitzen noch keine diplomatische Prüfung der äußern Form derjenigen Handschriften, welche für die ältesten angegeben werden. Außerdem wissen wir nicht, ob diese Handschriften den Roman, so wie er in Umlauf gekommen ist, und uns in unsern Exemplaren vorliegt, enthalten. Es ist höchst wahrscheinlich, daß der Stoff zu den mehrsten Werken dieser Art, die wir jetzt in Prosa, und in [114] verschiedene Sprachen übersetzt, besitzen, aus älteren kürzeren Gedichten des nehmlichen Inhalts, oder wenigstens aus lateinischen Legenden, entlehnt sey. Aber die Uebersetzer haben gemeiniglich ihr Original durch Zusätze verlängert, welche das Urtheil über die Sitten der Zeit, worin das Gedicht verfertigt seyn kann, äußerst zweifelhaft machen. Bey jeder neuen Auflage, welche der Roman erhalten hat, ist beynahe immer etwas verändert. Sagt man uns daher gleich, dieser oder jener Roman sey der älteste: sey in diesem oder jenem Jahrhunderte verfertigt; so fragt es sich immer wieder: ist das Exemplar, was wir in Händen haben, eine getreue Abschrift, oder ein genauer Abdruck desjenigen, den der Zeitbestimmer vor sich hatte?

Der Ursprung der Romane des Mittelalters ist unstreitig in den Legenden zu suchen, welche im zehnten und eilften Jahrhunderte häufig verfertigt wurden, um den Verlust derjenigen zu ersetzen, welche die fast allgemeine Zerstörung der Klöster durch die Normänner vernichtet hatte. Man legte mündliche Sagen dabey zum Grunde, ließ aber zugleich eine Menge eigener Erfindungen mit einfließen, um die Gemüther durch das Wunderbare desto mehr anzuziehen, und die Ehre der Heiligen und Reliquien zu verherrlichen. Dieß Zeitalter war überhaupt sehr aufgelegt zu frommen Betrügereyen. [60]

Einmahl gewöhnt, zu Erreichung gewisser Absichten die heilige Geschichte mit abentheuerlichen Erfindungen [115] zu schmücken, wandte man diese Kunst bald auf die weltliche Geschichte an, wenn die Hierarchie ihre Rechnung dabey fand, den Gemüthern eine gewisse Richtung durch falsche Ideen, und Ueberspannung der Phantasie zu geben. Die Mönche hatten den Hauptantheil an Werken dieser Art. Sie legten Sagen dabey zum Grunde, die sich durch Volkslieder auf ihre Zeitgenossen fortgepflanzt hatten. Die Geschichtsbücher in der heiligen Schrift, und die Chroniken der Zeit waren ihre nächsten Vorbilder, aber die Geschichtsschreiber der Römer, die alte Mythologie, und verschiedene orientalische Ideen, waren ihnen nicht unbekannt. Die ersten Romane sind weiter nichts, als wunderbare Geschichten, bey denen wahre Begebenheiten und Personen zum Grunde liegen. Je mehr sich der Roman der Legende nähert, und ascetische Absichten verräth: je weniger ausgesponnene Liebesintriguen er enthält: je unausgebildeter die Begriffe von irrender Ritterschaft darin erscheinen: endlich, je roher sich die Gefühle von Humanität, Courteoisie, und Galanterie, je ungebändigter sich die Leidenschaften darin äußern, um desto älter ist der Roman. Schon nach diesen Bestimmungen würde des: Joannis Turpini de vita Caroli Magni et Rolandi historia, (die Geschichte Karls des Großen und Rolands von Turpin) eines der ältesten Werke dieser Art seyn. Im Jahre 1094 ward ein Zug gegen die Saracenen in Spanien unternommen, und zwey Jahre darauf fingen die Kreuzzüge an. Um diese Zeit zog man die Volkssagen von Karl dem Großen, und Roland, dessen Schlachtgesang damahls noch in Jedermanns Munde war, hervor, und verfertigte davon eine [116] Legende, die dem Erzbischoff Turpin beygelegt wurde. Es ist ausgemacht, daß dieß Werk zu Anfange des zwölften Jahrhunderts geschrieben sey. Es ist das älteste dieser Art, das wir besitzen. Daß kein älteres existiert habe, läßt sich darum nicht behaupten. Die Absicht dieser wunderbaren Geschichte geht dahin, zur schwärmerischen Tapferkeit gegen die Saracenen zu entflammen, und zu gleicher Zeit vor aller Ausgelassenheit der Sitten zu warnen, welche den Kreuzfahrern so sehr vorgeworfen wird.

In diesem Werke, welches bey weitem nicht so weitläuftig als die späteren Romane ist, wird auf die Bücher der Richter, der Könige, der Maccabäer, eine unverkennbare Rücksicht genommen. Der Riese Ferracutus ist offenbar nach Goliath, Roland nach Simson, Josua oder David geformt. In einer Schlacht, die Karl der Große den Saracenen liefert, und worin viertausend Mann auf dem Platze bleiben, muß die Sonne drey Tage lang still stehen. Simson und die Maccabäer werden als Heldenmuster aufgestellt.

Der Verfasser hat aber auch Kenntniß von der profanen Geschichte gehabt. Wenn er von der Schlacht von Ronceval spricht, eifert er gegen die Gewohnheit, Weiber in den Krieg und in die Läger mit zu nehmen, und beruft sich auf die Beyspiele des Darius und Antonius, die durch ihre zu große Anhänglichkeit an ihre Frauen unglücklich geworden sind.

Von orientalischen Ideen findet man nur schwache Spuren. Rolands Schwert, Duranda, das Felsen [117] durchschneidet, und sein gewaltiges Horn, könnten vielleicht allein dahin gerechnet werden. [61]

In diesem Romane finden wir nicht die geringste Spur von Galanterie. Es herrschen vielmehr darin Mönchsideen von dem Werthe der Enthaltsamkeit von aller Liebe zur Kreatur.

Es ist höchst wahrscheinlich, daß die Reihe von Romanen, wozu die Geschichte Karls des Großen den Stoff hergegeben hat, zunächst auf diese Legende von Turpin gefolgt ist. Denn das große Ansehn, welches sie sogar durch päbstliche Sankzion erhielt, hat ihr wahrscheinlich Nachahmer verschafft.

In diesen Romanen vom Hofe Karls des Großen treffen wir gar nichts von jener höheren Denkungsart über die Liebe an, die sie als eine auf geistigen Genuß beschränkte Verbindung zwischen beyden Geschlechtern betrachtet. Selbst die veredelte Liebe der zweyten Art, die verfeinerte Sinnlichkeit, ist sehr wenig darin ausgebildet. Ueberhaupt sind die Liebesabentheuer den ritterlichen sehr untergeordnet, und dienen höchstens dazu, der Erzählung der Kriegesbegebenheiten einige Abwechselung zu geben.

Im Ogier le Danois [62] verliebt sich der Held in die Tochter eines Chatellain, – mithin in eine Person [118] von geringerem Stande, als er war, – und sie wird ohne weitere Umstände schwanger von ihm. [63] Ogier tröstet sie, indem er ihr die Ehe verspricht, wenn er sich vorher durch tapfere Thaten würde ausgezeichnet haben. [64] Aber er hält nicht Wort. Nach seiner Wiederkunft meldet ihm seine Geliebte, daß sie einen Sohn geboren habe, und bittet ihn, zu ihr zu kommen. Aber Ogier begnügt sich, ihr mehrere Gewänder von Wolle und Seide zu senden, und den Sohn zu sich zu nehmen. Der Mutter wird nicht weiter gedacht.

Bey dem Zweykampfe zwischen Ogier und dem saracenischen Helden Caraheu läßt ihn der erste mit den Worten herausfordern: que je lui devancerai pour aller en France, et que sa Dame conquesterai au tranchant de l’epée, (daß er ihm [119] den Weg abgewinnen würde, um ihn abzuhalten, in Frankreich einzudringen, und daß er ihm seine Dame mit der Schneide des Schwerts abgewinnen wolle.) Caraheu willigt sehr gern in die Bedingung, daß die schöne Gloriande dem Sieger bleiben solle. Denn sie macht sein höchstes Gut aus, und er kann sie keinem Bessern lassen. Er bittet darauf den Vater seiner Geliebten, sie mit ihrem schönsten Putze bekleidet als Zeugin des Kampfs auf das Schlachtfeld zu senden. „Denn, sagt er, ein so edles Bild und so süßes Konterfay ist das beste Mittel, Muth einzuflößen.“ [65] Er kündigt ihr auch selbst die Bedingung lachend an, und versichert sie, ihre Ehre würde dabey nichts verlieren, der Preis eines so tapfern Helden, wie Ogier, zu werden. Gloriande antwortet, daß sie ihm nichts abschlagen könne, und läßt es sich nicht merken, wie unangenehm ihr diese Lage ist.

Eine solche Bestimmung über eine Geliebte, die zum Preise des Kampfs ausgesetzt wird, wie man ein jedes kostbares Meubel dazu aussetzen würde, beweiset sehr wenig Achtung für das Geschlecht, und erinnert an die Zeiten der griechischen Helden. Ogier beträgt sich seiner Seits sehr wenig galant gegen die Dame. Während des Kampfs nähert er sich ihr zuweilen, um ihr mit Lachen zu sagen: Ihr sehet, wie’s geht; bald werdet Ihr mit mir fort müssen! Ich will nicht eher ruhen, als bis ich Euch gewonnen haben werde, und dann will ich Euch nach [120] Frankreich führen, Euch taufen lassen und heirathen! Ogier hatte Glorianden vorher noch nie gesehen. Ich glaube nicht, daß Ajax sich hätte ungalanter ausdrücken können!

Gloriande erscheint in demjenigen schönen Lichte der Beständigkeit, Treue und Hingebung für ihren Caraheu, das auch eine Briseis bey den Griechen auszeichnet. Sie hat nichts von dem Stolze und der Hoheit an sich, die wir gemeiniglich den Damen des Mittelalters beylegen. Ogier hatte den Caraheu besiegt: war aber von den Saracenen aus einem Hinterhalte überfallen, gefangen fortgeführt, und der schönen Gloriande zur Bewahrung anvertrauet. Caraheu, ohne auf das Interesse der Liebe Rücksicht zu nehmen, hört nur den Ruf der Ehre, und stellt sich im Lager der Christen als Geißel. Darüber wird Gloriandens Vater so aufgebracht, daß er seiner Tochter verbietet, weiter an ihn zu denken. Diese ist äußerst betrübt darüber. „Ist es nicht schön von Caraheu, sagt sie zu Ogier, daß er aus Liebe zu euch sich aufopfert! Ach! wo sind sie hin, die süßen Küsse, und die Umarmungen, die wir so oft genossen! die lieblichen süßen Blicke, die wir oft mit einander wechselten! Ach! lieber Freund Caraheu, Mahommed nehme dich in seinen Schutz!“

Ihr Vater befiehlt ihr, einem andern Fürsten ihre Hand zu geben. Aber sie versichert, daß so lange er leben wird, sie lieber sterben, als das ihm gegebene Versprechen brechen will. Der Vater wirft ihr sein Trinkgefäß an den Kopf. Der Nebenbuhler des Caraheu will ihr Gewalt anthun, und als sie ihm widersteht, klagt er sie eines verrätherischen Einverständnisses [121] mit den Feinden an. Der Vater schlägt sie unter den niedrigsten Schimpfwörtern [66] zur Erde nieder, und zieht sie bey den Haaren herum.

Inzwischen vertheidigt Ogier ihre Unschuld, und König Karl siegt über ihren Vater. Man sucht den Caraheu zur Annahme des christlichen Glaubens zu bewegen. Er lehnt es ab, [67] Glorianden werden ähnliche Anträge gemacht, unter dem Versprechen, daß Ogier sie heirathen solle. Sie antwortet, daß wahre Liebe dieß nicht litte, obgleich Ogier schöner und besser sey, als sie es verlangen könne. Sie danke inzwischen dem Helden, der mit Gefahr seines Lebens so viel Muth für sie bewiesen habe. Ogier antwortet lachend: „Der Dank sey Gott! Aber ihr habt mir Ehre und Dienst erwiesen, als ich euer Gefangener war!“

Es herrscht in diesen Unterredungen eine rührende Einfalt, Wahrheit und Unbefangenheit. Aber gewiß sehr wenig von jener Courteoisie und Galanterie, wovon wir in den Werken der Troubadours bereits so deutliche Spuren angetroffen haben.

Ogier, unzufrieden mit Karln dem Großen, flieht zum Könige Disier nach der Lombardey. Die Königin verliebt sich in ihn. Sie bewegt ihren Gemahl, ihn seinem Feinde auszuliefern, und dieserhalb einen Brief an Karln zu schreiben. Sie fängt diesen auf, nachdem sie die Boten hat erschlagen lassen, und geht nun mit dem Beweise der Treulosigkeit ihres Gatten [122] zum Ogier. Sie thut ihm einen sehr materiellen Liebesantrag, den aber Ogier abweiset, indem er die Dankbarkeit vorschützt, die er dem Könige schuldig sey. Die Königin hebt seine Bedenklichkeiten durch Vorzeigung des Briefes, und es folgt nun eine Vereinigung, deren Beschreibung den Anstand aufs äußerste beleidigt. Ogier bedankt sich beym Weggehen für den guten Zeitvertreib. [68]

Die Königin wird des Ehebruchs und der Verrätherey angeklagt. Ogier schickt einen seiner Ritter ab, ihre Unschuld in einem Zweykampfe zu vertheidigen. Die Königin hält bey dieser Gelegenheit eine Anrede an ihren Vertheidiger, die zu merkwürdig ist, um sie nicht hieher zu setzen. „Ihr wißt, edler Ritter, was an der Sache ist. Ich glaube, daß ich keinen Meineid begehe, wenn um der Liebe und des Lebens willen der Mund auf die eine Seite spricht, und das Herz seine eigenen Gedanken hat. Gott verlangt nicht den Tod des Sünders, sondern daß er sich bessere und bekehre: und darum mein Vertheidiger, fürchte ich keine Gefahr für euch!“ Nein, nein! antwortet der Ritter; laßt mir die Sorge! – Die Königin wird gerechtfertigt. Ihr Ankläger, sagt der Autor, ward besiegt, so sehr das Recht auch auf seiner Seite war.

Bey der Gelegenheit, als der schönen Gloriande Gewalt angethan werden soll, schlägt sie ihrem Räuber dergestalt ins Gesicht, daß ihm die Zähne aus dem Munde fallen.

Nach dem Tode des Königs Archer von England, der Lehnsträger Karls des Großen war, läßt [123] dieser dessen Tochter aus England kommen, um sie nach seiner Willkühr zu verheirathen. [69] Er giebt sie dem Ogier. Beyde sagen, sie wollen sich in den Willen des Königs fügen, und damit trauet sie Turpin.

Ogier wird als ein wüthender, rachsüchtiger, aber äußerst religiöser Mensch geschildert. Er wird zum Strassenräuber, um sich das nöthige Geld zur Besoldung einer Armee anzuschaffen, mit der er Karln den Großen bekriegen will. Als ihm endlich sein Beleidiger, Karls Sohn, ausgeliefert wird, so will er diesem den Kopf abhauen. Alle Fürsten bitten ihn um Gnade für den Sohn ihres Lehnsherrn. Aber er versichert, daß ihn das nicht kümmere, und daß er sich rächen wolle. Er würde ihn auch wirklich umgebracht haben, wäre nicht ein Engel vom Himmel erschienen, der ihm befohlen hätte, seines Feindes zu schonen.

Ogier geräth durch eine Verrätherey der Tempelherrn in die Gefangenschaft der Saracenen. Sein Neffe, Gauthier, befreyet ihn. Dieser verliebt sich in die Tochter des Sultans von Mecca auf den bloßen Ruf von ihrer Schönheit. Bey der ersten heimlichen Zusammenkunft siegt Gauthier über ihre Unschuld. Er übernimmt nachher einen Zweykampf für die Christen, die großes Vertrauen in ihn setzen, weil er nicht bloß sehr tapfer, sondern auch sehr verliebt war. Bey dem Zweykampfe giebt ihm der Anblick seiner Geliebten neuen Muth. Als er einmahl strauchelt, richtet er sich mit dem Gedanken wieder auf, daß es ihm große Schande bringen würde, wenn seine Geliebte ihn fallen sähe, und daß sie ihn nie lieben würde.

[124] Ogier wird nachher von der Fee Morgue, Schwester des Königs Artus, in das irdische Paradies versetzt, wo er zweyhundert Jahre bleibt. Er zeugt mit ihr einen Sohn, trinkt aus der Fontaine Jouvenze, und erhält von der Fee Morgue einen Holzscheit[WS 14], an dessen unversehrter Aufbewahrung die Dauer seines Lebens hängt; außerdem aber einen Ring, der ihn in Jugend und Kraft erhält, so lang’ er ihn am Finger trägt. Er kehrt nach Frankreich zurück, wo ihm die Königin das Geständniß thut, daß ihr Mann bey seinem hohen Alter nicht mehr geschickt zu den Freuden der Liebe, dabey sehr eifersüchtig sey, und ihr wenig Freyheit lasse. Sie müsse daher ein anständiges Verständniß haben, [70] und bitte ihn, bey ihr zu bleiben. Ogier schlägt dieß zwar aus, will sich jedoch nach des Königs Tode mit ihr trauen lassen, als er von der Fee Morgue in den Himmel entrückt wird.

So viel über den Inhalt des Romans, in so weit er zu meinem Zwecke dient. Man trifft hier keine irrenden Ritter an, die auf Abentheuer ausgehen, keine Tourniere, keine Gefechte zur bloßen Ehre einer Dame. Es sind Kriegs- und Staatsaktionen, Schlachten, Zweykämpfe, die das Schicksal von Ländern und Städten entscheiden, oder doch zur Rettung der Unterdrückten und Hülflosen unternommen werden. Darauf hat sich auch gewiß die Ritterschaft im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte beschränkt. Unser Roman spricht von drey Orden: dem Orden der Priesterschaft, der Ehe und der Ritterschaft, vermöge welches letztern man in der Welt herumreiset, den Glauben an Jesum Christum [125] aufrecht zu erhalten, und die Kirche, Armen, Witwen und Waisen zu vertheidigen.

Die Weiber erscheinen als geschonte, aber untergeordnete Geschöpfe, über die der Tapfere nach Willkühr disponiert. Dieser findet Muth im Anblick seiner Schönen, und setzt Werth auf ihren Beyfall und ihre Bewunderung; aber er hat keinen andern Zweck bey seiner Liebe als Sinnlichkeit, und die Grundsätze seiner Treue sind nichts weniger als streng. Die Heiligkeit der Ehe wird eben so wenig als die Unschuld des Mädchens geachtet. Dieses fällt, ohne die Niederlage durch innern Kampf, oder durch längeres Zögern mit Anstand und Sittlichkeit zu versöhnen. Die Tugenden der edleren Weiber sind Duldung und Treue: die Ausschweifungen der übrigen, selbst ihre Laster, werden mit einer Art von billigender Schonung erzählt. Ueberhaupt aber sind die Sitten roh, die Leidenschaften ungebändigt, und die Ritter zeigen nur diejenigen Tugenden, welche auch den wildesten Völkern, ja! verbrüderten Spitzbuben eigen zu seyn pflegen.

Der Einfluß orientalischer Ideen auf diesen Roman ist so auffallend, daß ich sagen möchte: es herrschte ein morgenländischer Geist darin. [71] Allein die Bekanntschaft mit der alten Geschichte und Fabel der Griechen und Römer ist gleichfalls darin unverkennbar, [72] [126] und die Sagen seiner Zeit sind dem Verfasser auch nicht unbekannt geblieben. [73]

Die übrigen Romane vom Hofe Karls des Großen scheinen in der Form, worin sie mir zu Gesicht gekommen sind, jünger als Ogier zu seyn. Aber es herrscht doch der nehmliche Geist darin: keine irrenden Ritter, wenig Ideen von veredelter Liebe!

Im Doolin von Mainz gewinnt dieser Held sehr bald die letzte Gunst Nikolettens, unter dem Versprechen der Ehe, und der Romanenschreiber läßt sie sterben, um ihn davon zu entbinden. Er heirathet nachher Flandrine, die Tochter eines Königs der Sessenen, die ihm von ihrer Mutter zugeführt wird, und mit der ihn Turpin ohne viele Weitläuftigkeiten trauet. Unterdessen heirathete ein anderer Held, Roloaster[WS 16], gar nicht. Er trieb sein Wesen mit einem Fräulein, das, (ein sehr sprechender Nahme,) Plaisante hieß.

Der Roman Magis und Vivian zeigt gleichfalls nichts als einige sehr gewöhnliche, und höchst materielle Liebesverständnisse, welche der Erzählung der Kriegsbegebenheiten beygemischt sind, um diese anziehender zu machen. Magis, der Hauptheld, lebt mit der Fee Orlande, seiner Beschützerin, in der größten Vertraulichkeit: er verführt aber auch nebenbey die Königin von Toledo, und lebt mit ihr im fortgesetzten Ehebruche.

[127] Die vier Aymonds Kinder sind in dem nehmlichen Geschmack. Die Helden, in ewigen Fehden mit Karln dem Großen begriffen, haben zuweilen bonnes fortunes.

Der Roman Karl und die zwölf Pairs von Frankreich enthält eine Intrigue zwischen Balduin und der Frau Wittikinds, die gewiß nicht viel Achtung für Sittlichkeit und verfeinerte Liebe anzeigt.

Im Hüon de Bourdeaux wird dieser zwar gestraft, als er sich mit der schönen Esclarmonde vor seiner Trauung mit ihr zu tief eingelassen hatte, allein das Unglück widerfährt ihm hauptsächlich dafür, daß er sich mit der saracenischen Prinzessin vor der Taufe abgegeben hat.

Eben so wenigen Antheil hat die edlere Liebe an dem Romane Valentin und Orson. Inzwischen wird doch in diesem und dem zuletzt genannten Romane die Treue der Liebhaber erprobt, und bewährt gefunden.

Ich unterstehe mich inzwischen nicht, einen der zuletzt genannten Romane in diese Zeit mit Gewißheit zu versetzen. [74]

[128]
Neuntes Kapitel.
Fortsetzung: Romane vom Hofe des Königs Artus, oder der Tafelrunde.

Die fabelhafte Geschichte Brittaniens von Gottfried von Monmouth wird gemeiniglich als eine Nachahmung der Geschichte Karls des Großen von Turpin, und als die Quelle der Romane vom Hofe des Königs Arthur oder Artus, angesehen. Aber Gottfried von Monmouth[WS 17] ist hauptsächlich den römischen Dichtern und Historikern gefolgt, und die Helden der Tafelrunde sind weder mit ihrem Nahmen noch mit ihren Begebenheiten bey diesem Schriftsteller anzutreffen.

Wenn man dieß Werk des zwölften Jahrhunderts liest, [75] so überzeugt man sich immer mehr von der geringen Kenntniß, welche die ersten Romanenschreiber von orientalischen Ideen gehabt haben, und von dem wahren Ursprunge der mehrsten ihrer Dichtungen.

Gottfried hat die Lücke ausfüllen wollen, die er in den Jahrbüchern seines Vaterlandes fand, und die Geschichte der Könige der alten Britten vor und nach Christi Geburt bis zu der völligen Unterwerfung Brittaniens unter die Oberherrschaft der Sachsen geliefert. Er hat die wenigen Nachrichten, welche uns die Römer von dieser Insel aufbewahrt haben, zum Grunde gelegt, und diese nicht ohne Witz zum Ruhme seiner [129] Nation auszubilden, und mit einer Menge von erdichteten Begebenheiten zu erweitern und auszufüllen gesucht. Nach dem Beyspiele Roms ist Brittanien von Helden, Trojanischen Ursprungs, bevölkert und angebauet worden. Ihr Anführer Brutus hat ihm den Nahmen gegeben. Die Insel ist, (so wie nach der alten Mythologie die ganze Erde,) von Riesen bewohnt gewesen, deren schrecklichster,[WS 18] Goëmagot, (ein anderer Typhon,) vom Brutus besiegt wird. So wie Romulus mit seinem Bruder Remus über die Anlegung der ersten Stadt in Streit gerathen ist, so auch Brutus mit seinem Bruder Nennius. Ueberhaupt läßt sich der größte Theil der Begebenheiten, die hier vorkommen, in den Klassikern nachweisen. Nur wenige scheinen auf ältern Sagen zu beruhen. Aus dem Lucan und Juvenal werden Verse citiert: die genauere Bekanntschaft mit dem Virgil kann Niemand entgehen. Was mir aber am merkwürdigsten gewesen ist, ist dieß, daß die beyden Hauptmaschinerien der Ritterromane, die Riesen und[WS 19] die Zauberer, in derjenigen Gestalt, worin sie hier erscheinen, aus den Werken der Alten entlehnt sind.

Von dem Ursprunge der Riesen habe ich schon geredet. Die Giganten der griechischen und römischen Mythologie liegen dabey zum Grunde. Die Zauberer aber sind aus dem Apulejus genommen, dessen Werk vom Dämon des Sokrates ausdrücklich citiert, und zum Beweise angeführt wird, daß gewisse Dämonen, Incubi, sich mit Menschen vermischen und Zauberer zeugen könnten.

Es ist mir mehr als wahrscheinlich, daß der Zauberer Merlin nach dem Vorbilde des Apollonius von [130] Tyane, oder des Apulejus selbst, die beyde aus dem gelesensten der Kirchenväter, dem heiligen Augustin, bekannt waren, gebildet sey. Feen kommen inzwischen beym Gottfried noch nicht vor.

Die Ideen von Ritterschaft, von Tournieren, von Galanterie und Courteoisie liegen hier noch im Keime. Irrende Ritter giebt es gar nicht: nur ein Paar Zweykämpfe finden wir, um das Schicksal einer Belagerung von Paris zu entscheiden, und eine geraubte Schöne zu erretten. Bey dem Krönungsfeste des Königs Arthur wird eine große Vorliebe für pomphafte Aufzüge, und ein abgemessenes Ceremoniel gezeigt. Die Verfeinerung der Sitten, und der gute Geschmack in der Kleidung an diesem Hofe werden gelobt. Die Damen begehen ihre festlichen Zusammenkünfte getrennt von den Männern, „und darin, sagt der Verfasser, folgen die Britten bis auf diesen Tag der Sitte der Trojaner. Die Weiber, fährt er fort, waren wegen ihres Verstandes berühmt. Sie hielten keinen Mann ihrer Liebe würdig, der nicht in dreyen Schlachten Beweise seiner Tapferkeit abgelegt hatte. So forderte die Tapferkeit des Mannes das Weib zur Sittigkeit auf, und seine Liebe war für jenen ein Sporn zur Tapferkeit.“

Nach dem Banquet, erzählt Gottfried weiter, gingen die Männer aufs Feld vor die Stadt hinaus, um sich dort mit einer Nachahmung der Gefechte zu Pferde zu belustigen. Die Damen standen als Zuschauerinnen auf den Wällen, und warfen auf eine unterhaltende Art ihren Anbetern verliebte[WS 20] Blicke zu, um ihren Muth zu entflammen. Der König Arthur theilte die Preise aus.

[131] Dieß ist Alles, was man entfernter Weise zur Galanterie rechnen könnte, und was sich bey allen Völkern auf der nehmlichen Stufe der Kultur ungefähr in ähnlichem Maße wieder finden läßt. Die Liebe wird übrigens ganz sinnlich dargestellt. Uther Pendragon verliebt sich in die schöne Igerna, die Gattin des Herzogs Gorlois von Cornwallis, als er sie bey einem Feste sieht, und macht sie zum einzigen Gegenstande seiner Gedanken. Er bedient sie beständig mit neuen Gerichten, und sendet ihr durch seine Vertrauten goldne Becher zum Geschenke. Er wirft ihr freundliche Blicke zu, und redet sie mit muntern Worten an. Der Mann wird eifersüchtig und führt sie weg. Der König beklagt sich gegen seinen Vertrauten, daß seine Leidenschaft ihn um Gemüthsruhe und Gesundheit brächte, und daß ihn seine innern Qualen tödten würden, wenn seine Begierden keine Befriedigung fänden. Der Zauberer Merlin hilft ihm dazu, indem er ihm die Gestalt des Gatten der Dame giebt: eine Nachbildung der Intrigue zwischen Jupiter und Alcmene.

Von dem Orden der Tafelrunde kommt kein Wort in dieser Geschichte vor, so wenig wie von einem der Helden, die in dem Cyclus ihrer Fabeln eine Hauptrolle spielen. Hoel und Guerin sind die einzigen Namen, die man in beyden antrifft. Die Schwester des Arthur wird hier Anna genannt: seine Gemahlin Guanhumara: sein Schild heißt Prirven, sein Schwert Caliburn, seine Lanze Ron: alles anders als in den Romanen. Er wird als der tapferste aller Helden vorgestellt, der in einer Schlacht allein 470 Sachsen erschlägt. Sein Hofstaat besteht aus [132] den tapfersten Männern aller Nationen, und ist ein Muster der Politur für alle übrige.

Vielleicht haben diese Lobeserhebungen des Königs Arthur und seines Hofes die nachfolgenden Romanenschreiber bewogen, ihre Helden daher zu entlehnen, und ihre Abentheuer dahin zu verlegen. Möglich bleibt es aber auch, daß ihre Dichtungen auf gewisse Sagen gebauet sind, die unabhängig von der Geschichte des Gottfried von Monmouth im Munde des Volks waren. [76] Gewiß ist es, daß bereits die ältesten Romane vom Hofe Karls des Großen, und die Troubadours von Arthur, Lancelot, der schönen Genevieva, Tristan und Yseult reden. Wie es aber zugeht, daß Gottfried davon keinen Gebrauch gemacht, ob er vielleicht gefürchtet hat, seiner Geschichte dadurch ein zu fabelhaftes Ansehn zu geben? – das vermag ich nicht zu entscheiden.

So viel bleibt gewiß, daß die Romane von der Tafelrunde, die wir in Prosa besitzen, deutliche Spuren enthalten, daß sie aus mehreren ältern Gedichten zusammengesetzt sind, deren Situationen mit vielen Zusätzen vermehrt in eine annalistische Form gebracht sind. Wahrscheinlich sind sie erst dann verfertigt, als der Geschmack an der Dichtkunst zu sinken anfing. Sie unterscheiden sich von den Romanen vom Hofe Karls des Großen und von der Geschichte Gottfrieds von Monmouth durch den Geist der irrenden Ritterschaft, der in ihnen herrscht.

Ich vermuthe, daß sie größtentheils in demjenigen Theile von Frankreich verfertigt sind, der normännischen [133] Fürsten unterworfen war, und seit 1087 mit England in näherer Verbindung stand. Von den normännischen Abentheurern sind, wie ich glaube, die ersten Ideen von irrender Ritterschaft entlehnt, und die Kultur, welche wir früh im nördlichen Frankreich und in England antreffen, darf ich dem Zusammenfluß der Normänner aus diesen Gegenden mit den Griechen und Saracenen im untern Italien zuschreiben.

Doch ohne hier diese Vermuthungen weiter zu verfolgen und zu vertheidigen, will ich den Geist eines der ältesten Romane von der Tafelrunde in Beziehung auf meinen Zweck zu entwickeln suchen. Ich wähle dazu den Tristan le[WS 21] Lionois [77] und habe davon eine sehr alte Ausgabe vor mir. Der vollständige Titel lautet: Tristan Chevalier de la table ronde, nouvellement imprimé à Paris. Sie ist in Quart mit gothischen Lettern, bey Michel le Noir 1520 gedruckt. In der Bibliotheque des Romans par Mr. le C. Gordon de Percel wird [134] keine gedruckte Ausgabe vor 1589 angezeigt. Eine deutsche, von dem Originale sehr abweichende Bearbeitung dieses Romans ist mir gleichfalls zu Gesicht gekommen. Sie ist ohne Jahrszahl bey Hofmann in Worms gedruckt, und aus den Reimen des Filhards von Oberet, der Angabe nach, gezogen.

In diesem Romane hält die Liebesgeschichte mit der Geschichte der Heldenabentheuer gleichen Schritt. Es sind die Begebenheiten zweyer Liebenden, ihrer unglücklichen Leidenschaft, ihrer Standhaftigkeit und Treue. Ihre Vereinigung geschieht sehr bald, sehr leicht, durch einen Liebestrank, den die Liebenden aus Versehen zu sich nehmen. Die Darstellung des Kampfs der Liebe gegen Pflicht, oder einer langen Bewerbung giebt nicht das Interesse her. Es liegt in den äußern Schwierigkeiten, welche die Liebenden bey dem Genusse ihrer Liebe finden, da die Dame Yseult la bleue an den König Marc verheirathet ist.

Es ist merkwürdig, daß die Romanenschreiber und die ihnen vorher gegangenen Dichter das Interesse ihrer Liebesgeschichten gerade in der Verbindung ihres Helden mit einer verheiratheten Frau gesucht, und aus diesem Umstande die Hindernisse hergeleitet haben, die sich der Liebe entgegen setzten. Die Gründe dieser ziemlich allgemeinen Erscheinung sind jedoch oben entwickelt. Die Situation ist unmittelbar aus den damahligen geselligen Verhältnissen der beyden Geschlechter gegen einander gezogen. Sie gewährt dem Romanenschreiber dasjenige Interesse, das wir allemahl an den Schwächen der Sinnlichkeit nehmen, wenn diese durch Umstände und Leidenschaft entschuldigt [135] werden, und glänzende Folgen ihre Fehltritte bedecken.

Die irrende Ritterschaft erscheint hier in ihrem vollen Glanze. Die Ritter kämpfen nicht bloß im Kriege zwischen Nationen in gedrängten Haufen, in der Schlacht, sondern sie suchen einzeln Abentheuer auf, und messen ihre Kräfte mit denen anderer Abentheurer, ohne allen weitern Zweck als den, Proben ihres Muths, ihrer Stärke und ihrer Geschicklichkeit abzulegen.

Der Nahme Galanterie kommt nirgends vor. Die Weiber werden ziemlich so geschildert, wie wir sie bey Völkern auf der ersten Stufe der Kultur antreffen. Die Prinzessin Yseult von Irland versteht sich auf die Arzneykunst: sie wartet den Rittern bey Tische, ja! sogar in Begleitung ihrer Mutter im Bade auf. Wir finden mehr als ein Beyspiel von Prinzessinnen, die den Rittern zuerst Liebesanträge thun, und diese Liebe hat überall sehr materielle Zwecke. Der Vater hat ein unbedingtes Recht, die Hand seiner Tochter zu vergeben, und diese wird gar nicht um ihre Einwilligung gefragt. So verheirathet der König von Irland seine Tochter an den König Marc, und der König von Klein-Bretagne die seinige an Tristan. Die Söhne der Königin Dorcanie, Gauvain und Gahieriet, drohen ihre Mutter umzubringen, wenn sie ihr Liebesverständniß mit Lamoral de Galles fortsetzt. Telemach kann sich beym Homer gewiß nach unsern Begriffen nicht unanständiger gegen seine Mutter Penelope ausdrücken, als es hier diese beyden Ritter gegen die ihrige thun.

[136] Die Damen sind nur selten bey den Tournieren zugegen, und wenn sie es sind, so stehen sie in der Entfernung an den Fenstern, verhüllt, und ohne den Antheil öffentlich zu zeigen, den sie an ihren Rittern nehmen. Diese empfangen nicht den Dank aus ihren Händen, tragen nicht ihre Farben, nicht die Geschenke, welche als Merkmahle ihrer Gunst gegeben sind. Alles das scheinen Ideen neuerer Zeiten zu seyn. Die Ritter schlagen sich um des Vorzugs der Schönheit ihrer Damen willen, wie sie sich darum schlagen, wenn einer dem andern seinen Nahmen nicht nennen, oder nicht aus dem Wege gehen will. Diese Veranlassung zum Streit scheint mehr dem Muthwillen der Kraft, als der Liebe anzugehören. Der Charakter der Haupthelden des Stücks wird bloß durch den Ausdruck ihrer Leidenschaft, durch ihre Standhaftigkeit und Treue interessant. Diese werden jedoch nicht sonderlich auf die Probe gesetzt. Yseult steht im Schatten gegen Tristan. Sie zeigt sehr laxe Begriffe von Sittlichkeit. Sie hat dem Gatten ihre treue Begleiterin, Brangien, in der ersten Hochzeitsnacht untergeschoben, damit dieser den Verlust ihrer Unschuld nicht bemerken solle, und sie zettelt nachher einen Plan an, diese treue Freundin umbringen zu lassen, und dadurch die Spuren ihres Betrugs völlig zu vertilgen. Sie ist es, die ein fortgesetztes heimliches Verständniß, wobey ihr Ruf nicht gefährdet wird, einer Entführung, wozu ihr Geliebter räth, vorzieht. Sie ist es, welche nachher, als dieser aus Rechtschaffenheit sich verheirathet, ihn seiner Gattin abspenstig macht. Sie ist es, die dem Schwager ihres Tristans durch einen heimlich an ihn geschriebenen [137] Brief Hoffnungen giebt: sie ist es endlich, die ihrem Gemahl, als sie sich verrathen sieht, ihre Leidenschaft frech gesteht, und ihn sogar verläßt, um mit Tristan in einem doppelten Ehebruche öffentlich zu leben.

Tristan ist das Modell eines vollkommenen Liebhabers nach den Begriffen der damahligen Zeit, d. h. er ist höchst unternehmend zum Ruhm seiner Dame, und zugleich höchst empfindsam (langoureux.) Seine Bekanntschaft mit Yseult fängt damit an, daß diese ihn von seinen Wunden heilt. Inzwischen macht dieß keinen zärtlichen Eindruck auf sein Herz. Erst durch Eifersucht gegen Palamedes, der sich vor ihren Augen auszuzeichnen sucht, wird ihm der bloß eitle Gedanke eingeflößt, ihm den Rang abzugewinnen. [78] Als er gesiegt hat, wird er gefragt, wer den Preis davon getragen hätte? „Die schönste Demoisell, antwortet er, die ich je gesehen habe!“ Als er nachher Irland verlassen muß, vergißt er ihrer bald, wie der Autor sagt, und verliebt sich in die Frau des Segurades, mit der er auch eine sehr materielle Intrigue durchführt. Als er nachher seinem Onkle Marc schwört, daß er ihm die schöne Yseult als Gattin zuführen will, zeigt er keinen Schmerz darüber, sieht sie ohne Gemüthsbewegung wieder, reiset gleichgültig mit ihr ab, und wird nur gemeinschaftlich mit ihr durch einen Liebestrank, den Beyde aus Versehn mit einander leeren, von Liebe entflammt. Der Autor hat durch diese Maschinerie dem Interesse seines Werks unstreitig [138] geschadet; aber er hat sie für nöthig gehalten, um das Unsittliche in dem Verständnisse seines Helden zu mildern.

Von dieser Zeit an lebt Tristan mit Yseult in der engsten Vertraulichkeit, die aber durch die Eifersucht des Königs Marc oft unterbrochen wird. Endlich entschließt sich Tristan im Gefühl der Unrechtmäßigkeit seiner Verbindung, sich zu verheirathen. Allein er lebt mit seiner Gattin, ohne die Ehe zu vollbringen, und kehrt bald zu seiner Geliebten zurück. Der Verdacht einer von ihr begangenen Untreue stürzt ihn in Verzweiflung, und bringt ihn um seinen Verstand. Er erhält diesen endlich wieder, setzt den König Marc gefangen, und zieht mit seiner Dame zum König Artus. Allein unterdessen, daß er den St. Graal sucht, wird Yseult mit dem Könige Marc durch Vermittlung des Königs Artus wieder ausgesöhnt. Tristan sieht seine Dame noch einmahl, und da er nach Bretagne zurückkehren muß, nimmt er mit ihr die Abrede, daß sie lebendig oder todt wieder zusammen kommen wollen. Schiffe mit schwarzen Segeln sollen ihre Leichen überbringen. Weiße Segel aber sind das Zeichen ihres Lebens.

Tristan wird einige Zeit darauf, als er einen seiner Freunde auf einem verliebten Abentheuer begleitet, mit einem giftigen Pfeile verwundet. Er läßt seine Dame bitten, überzukommen, um ihn zu heilen. Seine Frau, die sein Verhältniß mit ihrer Nebenbuhlerin, und die zwischen ihnen getroffene Verabredung erfahren hat, bringt ihm die Nachricht, daß ein Schiff mit einem schwarzen Segel ankomme. [139] Tristan, der seine Geliebte für todt hält, stirbt vor Gram, und Yseult folgt ihm bald nach.

Ich übergehe eine Menge von Episoden: die Nebenbuhler, die Tristan an Palamedes und seinem Schwager Rehedin findet, von denen der letzte vor Liebe stirbt, der erste aber überall durch Heldenthaten um den Besitz des Herzens seiner Dame mit ihm wetteifert, sich aber weit weniger tapfer und edel darstellt u. s. w.

Das Charakteristische der Form, welche die Liebe in diesem Werke annimmt, ist die Mischung des Unternehmungsgeistes des Liebhabers und seiner Ruhmsucht mit der hinschmelzenden, weinerlichen Stimmung seines Gemüths. Man sieht, daß der Verfasser seine Helden besonders dadurch interessant zu machen sucht, daß er ihnen eine doppelte Art des Edelmuths: den rüstigen, wackern, und den hinschmelzenden, beylegt.

Inzwischen finden wir bereits einen Charakter, der über den Ernst in der Liebe spottet, und sie als ein Mittel zum geselligen Vergnügen betrachtet. Dieser Ritter heißt Dinadam. Er wird zwar nicht als der erste unter den Helden dargestellt, aber er ist doch Tristans Freund und Waffenbruder. Dieser Charakter kommt nachher in mehreren Romanen wieder vor. [79] Er beweist, daß es auch in der Welt der irrenden Ritter zwey Arten über die Liebe zu denken [140] gab, und daß selbst die leichtere nicht völlig getadelt wurde. Der Ausdruck der Leidenschaft ist übrigens äußerst naiv und wahr, und die Situationen haben zum Theil eine ergreifende Individualität.

Merkwürdig bleibt es zu gleicher Zeit, wie ausgebildet die Begriffe von Humanität und Courteoisie in diesem Romane, in Vergleichung mit den ältern Romanen vom Hofe Karls des Großen erscheinen. Hier ist der Held immer bescheiden: hier streiten Tristan und Lancelot um den Vorzug, ihr Verdienst dem Verdienste des Andern nachsetzen zu können: hier entläßt der Wirth seinen Gast, den er als den Mörder seines Verwandten erkennt, weil er die Rechte der Gastfreundschaft ehrt: hier befreyet der Ritter seinen Feind, der ihm den Tod geschworen hat, und nimmt Abrede mit ihm, sich an einem andern Orte auf Leben und Tod zu schlagen: hier endlich beweint der Nebenbuhler den Tod des begünstigten Liebhabers, um des Verlustes willen, den die Ritterschaft an ihm leidet.

Auffallend ist neben diesen Zügen von Edelmuth der Mangel an sittlichem Gefühle in so manchen andern Dingen. Tristan macht sich kein Gewissen daraus, seinen Freund auf einem verliebten Abentheuer zu begleiten, und den Gatten, der ihn verfolgt, über den Haufen zu stoßen. Yseults Verrätherey an Brangien wird mit der größten Gleichgültigkeit erzählt, u. s. w. Ueberhaupt erhalten alle Vergehen, zu denen die Liebe Veranlassung giebt, den Schein leicht zu verzeihender Schwächen.

Ungeachtet eine gewisse ferne Bekanntschaft mit verschiedenen Ideen der Morgenländer nicht zu verkennen [141] ist, so scheint mir doch ein vertrauterer Umgang mit den Werken der Römer noch mehr hervorzuscheinen. Verschiedene Situationen sind offenbar aus der alten Fabellehre entlehnt. So ist die Episode des Apollo, der seine Mutter Chlorinde heirathet, und seinen Vater Sadoc erschlägt, offenbar nach der Geschichte des Oedipus gebildet: so ist in dem Ausgange des Romans, dem Tode des Tristan, der durch die Verwechselung der Segel veranlaßt wird, die Geschichte des Theseus nicht zu verkennen. Was aber am allersonderbarsten ist, jene Enthaltsamkeit, die Tristan gegen seine Frau aus Liebe zu seiner Geliebten beobachtet, ist ganz im Geiste der griechischen Romane, und eine ähnliche Situation findet man namentlich im Achilles Tatius.

Ich wage es nicht, irgend einen der übrigen Romane von der Tafelrunde in das zwölfte und dreyzehnte Jahrhundert zu setzen. Die Gebräuche und Sitten der Romane Perceforest, Lancelot dü Lac, Bliomberis, und einiger andern, deuten, wie mich dünkt, auf eine spätere Zeit hin.

Inzwischen bin ich aller angewandten Mühe ungeachtet nicht so glücklich gewesen, irgend einen davon im Originale einzusehen. Ich kenne sie bloß aus Auszügen, welche St. Palaye und die Bibliothek der Romane davon liefern. Nach diesen zu urtheilen herrscht im Lancelot eine ähnliche Intrigue wie im Tristan. Aber die Gebräuche der Ritterschaft haben schon eine gebildetere Form erhalten, und die Huldigungen, welche der Muth der Schönheit bringt, nähern sich mehr den Lehnsgebräuchen. Lancelot erscheint als Dienstmann der Königin Genevieva; er wirbt um ihre Gunst durch Heldenthaten, [142] und wird förmlich von ihr zum Ritter angenommen.

In dem Romane Bliomberis ist die Intrigue noch um einen Grad mehr veredelt. Der Ritter steht in einem geheimen und verbotenen Verständnisse mit der unverheiratheten Tochter des Königs Pharamund. Diese verspricht demjenigen ihre Hand zu geben, der sich binnen zwey Jahren am mehrsten auszeichnen würde. Natürlich muß dieß Bliomberis seyn, und die Gefallenen richten sich dadurch wieder auf, daß die Dame demjenigen öffentlich angehören darf, der schon lange vorher das Recht gehabt hatte, ihr im Geheimen anzugehören.


Zehntes Kapitel.
Spuren einer edleren Denkungsart über die Liebe in der wirklichen Geschichte im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte.

Gehen wir auf die wirkliche Geschichte zurück, so finden wir im dreyzehnten und vierzehnten Jahrhunderte nur sehr schwache Spuren einer edleren Denkungsart über die Liebe, wie sie in den Werken der Troubadours erscheint.

Der Glaube an unschuldige Verbindungen zwischen Personen von verschiedenem Geschlechte außer der Ehe kann gewiß nicht ausgebreitet gewesen seyn, da wir so viele Satyren, so viel lustige Erzählungen aus diesen Jahrhunderten besitzen, die betrogene Ehemänner und Eltern zum Gegenstande haben. Gewiß ist auch die Idee, daß eine ungesetzliche Verbindung Nachsicht verdiene, [143] wenn nur der äußere Anstand bewahrt würde, nicht allgemein angenommen gewesen. Die Verdorbenheit der Sitten war zu groß, und die gesellige Kultur zu geringe, als daß der große Haufe auf diesen Vergleich zwischen dem sittlichen Gefühle und der Sinnlichkeit hätte gerathen sollen. Durch die Kreuzzüge ward ein sehr nachtheiliger Tauschhandel von Ueppigkeit und Lastern zwischen Europa und Asien eingeführt. Selbst der heilige Ludwig war genöthigt, durch gesetzliche Vorschriften den Handel einzuschränken, den Ehemänner mit der Keuschheit ihrer Weiber trieben. [80]

Von der Verehrung, welche dem weiblichen Geschlechte bey öffentlichen Gelegenheiten gezollt seyn soll, finden wir in diesen Jahrhunderten gar keine Spur. Selbst in der Romanenwelt erscheinen sie nicht öffentlich bey Tournieren, theilen nicht den Preis aus, und sind nicht Schiedsrichterinnen des Kampfes. Alles dieß gehört in spätere Zeiten.

Sicher hat man dem Ritter bey der Ertheilung seiner Würde die Verehrung des zärteren Geschlechts nicht weiter zur Pflicht gemacht, als in so fern dessen bedrängter Zustand seine Hülfe und seinen Schutz verlangte.

Wir haben noch die Formel, wornach Graf Wilhelm von Holland die Ritterwürde erhalten hat: [81] wir haben noch die Beschreibung der Feyerlichkeiten, mit denen die Ritter des heiligen Grabes und anderer Orden [144] aufgenommen wurden. Alles erstreckt sich auf die Verbindlichkeit, hülflose Wittwen und Waisen zu beschützen. [82]

Ich finde nur einen einzigen Zug beym Joinville, der auf den Einfluß schließen läßt, den das Frauenzimmer auf den kriegerischen Muth der damahligen Zeit gehabt haben kann. Joinville, der bekanntlich im Gefolge des heiligen Ludwigs war, vertheidigte mit dem Grafen von Soißons eine Brücke gegen die Saracenen. Bey dieser Gelegenheit sagte der Graf von Soißons: „Bey Gott! von diesem Tage wollen wir vor den Damen sprechen, wenn wir erst wieder daheim sind!“ [83] Diese Eitelkeit, die nichts für Liebe zu einer besondern Dame zeugt, legt der Denkungsart des Zeitalters nichts Charakteristisches bey.

In das zwölfte Jahrhundert gehören die berühmten Briefe der Heloyse an Abeilard. Man findet in ihnen den Ausdruck der heftigsten und dauerndsten Leidenschaft, aber nichts, was ihre Form, als diesem Zeitalter besonders angehörend, auszeichnete. Was sie mir merkwürdig macht, ist die auffallende Nachahmung der Alten, und besonders der Heroiden des Ovid, die sich so deutlich zeigen. Auffallend, und mit dem Geiste der in [145] den Werken der Troubadours herrscht, übereinstimmend, ist auch die Aeußerung Heloysens, daß sie lieber in ungebundener Liebe mit Abeilard leben, als seine Gattin hätte werden wollen, theils, um mehr von ihm geliebt zu werden, theils, um seinem Ruhme weniger zu schaden. Ein Gedanke, den man zwar schon bey den Alten findet, der aber Vieles in der Denkungsart des damahligen Jahrhunderts aufklärt. Endlich scheint auch der Umstand bemerkungswerth, daß Heloyse an ihrem Geliebten besonders zwey Vorzüge unwiderstehlich gefunden hat: seine Beredtsamkeit, und sein Talent für Dichtkunst und Musik. „Seine Gedichte, sagt sie, wären in Jedermanns Munde, und hätten ihr Lob und ihre Liebe eben so allgemein verbreitet, als Neid und Mißgunst unter ihrem Geschlechte erweckt.“

Wie sehr widerlegen aber auch diese Briefe die Meinung derjenigen, welche sich die edlere Liebe der damahligen Zeit rein von aller Sinnlichkeit vorstellen! Heloysens Liebe überlebte den Verlust körperlicher Freuden, aber sie beweinte ihn, und sehnte sich oft nach ihnen zurück.

Laßt uns aus allen diesen Zügen, welche die Welt der Dichtung, so wie die wirkliche im zwölften und dreyzehnten Jahrhunderte liefern, so viel schließen: daß nur wenig Menschen daran gedacht haben, ihre engeren Geschlechtsverbindungen zu veredeln: daß selbst von diesen wenigen kein Zusammenhang, keine Ubereinstimmung in ihrer Denkungsart über die Liebe zu erwarten sey: daß man bey ihnen keine Begriffe von reiner Seelenliebe annehmen dürfe: daß aber der Geschmack im Ganzen dahin gegangen sey, sich die Leidenschaft der Geschlechtssympathie als die Nährerin des kriegerischen Muths und [146] der Ruhmbegierde, und als die Beförderin des sympathetischen Edelsinns, der feineren Sitten, und der geselligen Unterhaltung zu denken, und daß man endlich diese Vorzüge besonders von einem ehelosen Verständnisse mit Damen von hohem Stande erwartet, und ihnen entweder unvermeidliche Fehltritte nachgesehen, oder vorausgesetzet habe, daß diese letzten, äußerer Hindernisse wegen, nicht leicht Statt finden könnten.

Darstellungen der Liebe unter dieser Gestalt haben besonders in Gedichten und Romanen gefallen. Hin und wieder, aber gewiß nicht häufig, sind wirkliche Verbindungen auf ähnlichen Grundsätzen gebauet gewesen.

Versteht man nun unter dem Worte Galanterie eine allgemein ausgebreitete und festgegründete Sitte, wornach der Einfluß edlerer Geschlechtsverbindungen auf das wirkliche Leben anerkannt und gebilligt würde, so läßt sich in diesen beyden Jahrhunderten nur der Keim dazu antreffen.


  1. Ich habe über den ersten Ursprung des Worts Galanterie aller Nachforschung ungeachtet keinen Aufschluß erhalten können. Ich selbst habe es in keinem Werke gefunden, dessen Verfertigung über das sechzehnte Jahrhundert hinauszusetzen [48] wäre. Herr Hofrath Eschenburg, an den ich mich um eine Aufklärung über diesen Punkt gewandt habe, hat mir folgende interessante Antwort ertheilt: „Ueber die eigentliche Entstehungszeit des Worts „Galanterie“ weiß ich Ihnen doch, nach allem Nachsuchen, keine gewisse Auskunft zu geben. In der Provenzalsprache aber war es wohl ganz gewiß nicht“ (Millot braucht es in einigen Uebersetzungen der provenzalischen Gedichte; da er die Originale aber nicht beyfügt, so kann man nicht beurtheilen, ob es sich in diesen findet.) „Auch habe ich, fährt Herr Eschenburg fort, des bekannten Alain de Chartrier Gedichte durchblättert. Von Courteoisie und Loyauté fand ich genug darin; aber das Wort Galanterie nirgends; selbst das Wort galant nicht. Dieß letztere soll indeß nach Patru in einer Note zu den Remarques de Vaugelas T. 3. p. 150. im Roman de la Rose vorkommen. Er führt zum Beweise die Stelle gegen das Ende des Romans an: Quand la douce saison viendra, Seigneurs galants qu’il conviendra. In meiner Ausgabe dieses Romans (Amstr. 1735 3 vol. 8.) steht aber seigneurs valets – – Menage hat Allerley über den etymologischen, nicht aber historischen Ursprung des Worts. Von dem sel. Reiske steht eine Abhandlung vom Urspr. des Worts Gala in den Schriften der Leipz. Ges. d. fr. Künste B. 3. S. 3. ff. wo er das Wort für arabisch hält, und von Challah, Feyerkleid, herleitet. Möglich indeß, daß gala und galant nichts mit einander gemein haben. [49] Aus den Ritterzeiten hat dieß letztere Wort wohl gewiß seinen Ursprung. Im Englischen hat sich der Begriff tapfer von gallant als Hauptbedeutung erhalten.“
  2. Ueber den Geist und die Geschichte des Mittelalters. Gotha 1786.
  3. Auf dem Concilio zu Mâcon, (im sechsten Jahrhunderte) stritt man noch weitläuftig darüber: ob die Weiber Menschen wären.
  4. S. Alexander history of Woman T. 1. Fabliaux et Contes du douxieme et troisieme Siecle par le Grand. T. II. p. 354.
  5. Schmidts Geschichte der Deutschen. Drittes Buch 7tes Kap. Meusels Geschichte von Frankreich: Allgemeine Welthistorie Th. 35. S. 139. 151.
  6. Schmidt a. ang. O. im 10ten Kap.
  7. Dieß ist um so glaublicher, da Europa durch die griechische Prinzessin Theophania, die Gemahlin Otto des Zweyten, mit dem griechischen Hofceremoniell bekannt geworden war. An diesem Hofe waren die Damen wegen ihrer Kultur in großem Ansehn. Mehrere Fürsten nahmen das Ceremoniel des kaiserlichen Hofes an.
  8. Und nicht bloß den Charakter der Galanterie, sondern auch der Ritterschaft überhaupt, ihrer Erziehung, Pflichten, Beschäftigungen, Tourniere, u. s. w. kann man vor dem angegebenen Zeitpunkte nicht bestimmen. Alles, was man von Zeugnissen über ihr früheres Daseyn beybringt, beweiset weiter nichts, als daß es zu allen Zeiten eine gewisse militärische Erziehung und Adoption, (Wehrmachung,) gewisse Grade im Militair, und gewisse kriegerische Vorübungen im Frieden gegeben hat.
  9. Mallet histoire de Dannemarc. St. Foix Essays historiques sur Paris. Rolland Prérogatives des Dames [55] chez les Gaulois. Warton’s History of Englisch Poetry, Meiners Geschichte des weiblichen Geschlechts, und Mehrere.
  10. Dahin gehören die Erzählungen von Regner Ladbrog, Prinzen von Dännemark, und von Harald mit den schönen Haaren, beym Mallet introd. dans l’histoire de Dannemarc chap. 12. p. 293. Edit. de Geneve 1763. in 12.
  11. Herrn Hofraths Eichhorn Allgemeine Geschichte der Kultur und Litteratur, erster Band. S. 251. u. ff.
  12. Als Beyspiele mögen Königs Magnus Laduläs Weiberfriede gegen die in Schweden so häufigen Entführungen, und die ebendaselbst hergebrachten Brautbegleiter dienen, welche das junge Ehepaar bewaffnet zur Kirche hin und zurückführen, und vor der Kirche Wache halten mußten, weil die Entführungen junger Frauenzimmer so häufig waren.
  13. S. Eichhorns Geschichte der Kultur. S. 435.
  14. S. Fischers Geschichte des deutschen Handels. Hannover 1785. Erster Theil. S. 381. Schon im Jahre 1106 zeigen sich landesherrlich bestätigte Innungen in Deutschland.
  15. Daher ihre verschiedene Nahmen. Sie hießen bald Inventores, Trubadores, Trouverres; (eigentliche Dichter,) [75] bald Joculatores, Mimi, Cantores, Chanteurs, Conteurs, Jongleurs, Singer, – (eigentliche mimische Declamateurs) – bald Ministeriales, Ménestriers, Minstrells, Fiedler, (eigentliche Musiker, welche die abgesungenen Lieder mit blasenden und Saiten-Instrumenten begleiteten.) S. histoire litteraire des Troubadours, vom Abbé Millot, T. 1. discours preliminaire, und dann besonders den Article Giraud Riquier im dritten Theile p. 329. worin dieser Troubadour selbst die verschiedenen Nahmen angiebt, und sie nach Rang und Würden ordnet. Im gemeinen Leben nannte man sie bald mit diesem bald mit jenem Nahmen, welches aber die eigentlichen Troubadours sehr ungern sahen. Die ältesten Geschichtschreiber nannten sie Mimos, Mimen. Witichind S. 636. beym Schmidt, Geschichte der Deutschen p. 373. Es ist eine ganz unerwiesene Behauptung, welche der Herr Hofrath Eichhorn in der Geschichte der Kultur des neuern Europa in den Erläuterungen und Beweisen p. 49. äußert, daß sie von Adel gewesen, und ihren Nahmen „Menestriers, Minstrells,“ von der lateinischen Benennung des Dienstadels, „Ministeriales,“ erhalten hätten. Die hist. des troubadours zeigt, daß sehr viele unter ihnen von geringem Stande gewesen sind, und die Benennung „Menestrier,“ welche offenbar davon herkommt, daß sie dem Talent der Deklamateurs und Sänger behülflich waren, diesen accompagnierten, (ministrare,) war an sich verächtlich, und ward von den Troubadours nicht gern angenommen. S. den angeführten Giraud Riquier in der hist. des troubad. T. 3. p. 329. und Velly hist. de France. T. 3. p. 239. Du Cange Dissert. V. sur Joinville nennt sie quasi parvos ministros, – petits officiers de l’hôtel du Roi.
  16. Hist. des troubadours, article Guillaume de Bergedan. Dieser Troubadour, der die Muhammedaner der Vielgötterey beschuldigt, war noch dazu aus Catalonien.
  17. S. was Deutschland anbetrifft: Schmidts Geschichte der Deutschen Th. 2. S. 370. ff. Edition von 1784. Daß die deutsche Aeneide des Heinrich von Veldek, der 1170 lebte, aus dem Französischen übersetzt sey, und diese französische Uebersetzung wieder aus einer provenzalischen herstamme, zeigt Bodmer in den neuen kritischen Briefen S. 89. Adenes, ein französischer Romanendichter übersetzte sogar den Aesop aus dem Griechischen ins Lateinische. Eichhorns Geschichte der Kultur. S. 86. Die Italiäner liebten besonders das Studium der ältern Autoren. Wilgard, ein Lehrer der Grammatik zu Paris, behauptete, daß die klassischen Autoren den Schriften der heiligen Väter vorzuziehen wären. Schmidts Gesch. d. Deutschen, Th. 3. S. 189. Daß die Mönche den Minstrells vorgearbeitet [79] haben, darüber siehe Herrn Hofrath Eschenburgs Gesch. der englischen Poesie in den Beyträgen zum Sulzer, im ersten Bande, 2ten Stücke. Vergl. Sprengels Geschichte von Großbrittanien: Allgemeine Weltgeschichte 47ster Theil. S. 230. u. ff. Bayle Dict. hist. critique, Artikel Averroes. Schon 1209 wurden auf einem Concilio zu Paris einige Bücher des Aristoteles zum Feuer verdammt, die aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt waren. Ich hatte bereits diese Note ausgearbeitet als ich des Herrn Professors Heeren Geschichte des Studiums der klassischen Litteratur. Göttingen 1797 zu Gesicht bekam. Ich finde darin nicht allein meine Vermuthung, daß die klassische Litteratur nie ausgestorben sey, bestätigt, sondern ich werde sogar durch die von ihm angegebenen Data auf die Vermuthung geführt, daß der ganze Geist der späteren Sophisten und Grammatiker sich fortdauernd in den Schulen des Abendlandes erhalten, und von Konstantinopel aus immer neue Verstärkung bekommen habe.
  18. Vielleicht aber haben die Troubadours auch gar keine bestimmten Muster unter den klassischen Autoren vor Augen gehabt; vielleicht hat sie nur der Ton geführt, der aus den Schulen herausschallete. Dieß ist gar nicht unwahrscheinlich. Ihre Ideen, ihr Ausdruck haben viel Aehnlichkeit mit demjenigen, was wir beym Philostrat, Aristenät, Alciphron und den griechischen Erotikern antreffen. Wie wenn die Nachfolger dieser Sophisten, die neueren Rhetoren, welche den Schulen vorstanden, die einmahl darin angenommene Vorstellungs- und Darstellungsart, selbst nach dem Verlust der Originale, beybehalten, sie in die Redeübungen wozu sie Anleitung gaben, übertragen hätten, und diese wieder durch einen oder mehrere ihrer Schüler, die sich in der Landessprache versuchten, nach der besondern Lage des Troubadours und seines Publikums verarbeitet, diesem letzten überliefert wären! Es ist damahls gewiß Mehreres aus den Schulen in die wirkliche Welt übergegangen, als wir gemeiniglich glauben. Die Briefe der Heloyse an Abeilard, sind sicher nach einer nahen oder fernern Kenntniß der Liebesbriefe im Geschmack der Sophisten verfertigt; und höchst wahrscheinlich sind die sogenannten Tençons Nachbildungen gewöhnlicher dialektischer Uebungen in den Schulen.
  19. Eichhorns Geschichte der Kultur. S. 20[WS 6]
  20. Z. B. Es traten hier die ersten Reformatoren der Kirche auf: die Albigenser, u. s. w.
  21. Hist. litt. des Troubadours. Paris 1774.
  22. S. Hist. des Troubadours unter diesen beyden Artikeln.
  23. Aehnliche Ideen liefern schon Philostrat und Aristenät. S. das 18te Buch.
  24. Im Grunde sind alle diese Ideen den christlichen Griechen nicht fremd gewesen. Man sieht dieß aus den Aethiopicis des Heliodorus.
  25. Der Marquis Malaspina verlangt Proben der Liebe und der Treue von seiner Geliebten. „Freund, antwortet ihm diese, durch Geduld und Unterwerfung gelangt man zum Ziele!“ Er beklagt sich über die Unerträglichkeit seines Uebels; sie giebt ihm einen Kuß auf Abschlag. Allein der Liebhaber bittet in Demuth und mit gefalteten Händen um etwas Höheres. „Marquis,“ sogt ihm die Dame, „ihr treibt die Anmaßung zu weit!“ – „Das rührt von dem Uebermaße meiner Liebe her! Ich sterbe vor der Begierde euch zu besitzen,“ erwiedert der Liebhaber. – „Ich will mich wohl hüten,“ antwortet die Dame.
  26. Guillaume IX. Comte de Poitou – Rambaud d’Orange.
  27. So konnte sogar der König Alphonsus von Aragonien sagen: qu’il avoit mis son coeur en trop haut lieu.
  28. Aehnliche Grundsätze habe ich aus dem Aristänet im achtzehnten Buche angeführt. Sie liegen auch bey den mehrsten griechischen Romanen zum Grunde.
  29. Artikel: Gui D’uissel, Alamanon, und Peyrols.
  30. Artikel: Comtesse de Dië, und Raimond Vidal de Besodin.
  31. 1229.
  32. Raimond Jordan, Vicomte de St. Antoni und Guillaume de St. Didier.
  33. Raimond Vidal de Besodin.
  34. Arnaud Daniel.
  35. Guillaume de Balaun.
  36. Bertrand de Born.
  37. Was Millot unter dem Artikel: Guillaume de St. Didier anführt, beweiset gerade das Gegentheil. Der Vicomte de Polignac sang seiner Gattin Verse vor, worin der Mann in die Intrigue einwilligt, aber ohne zu wissen, daß sie für ihn gemacht waren. Ohnehin ist das Ganze offenbar eine Dichterfiktion.
  38. S. besonders die Artikel: Arnaud de Carcasses, Pierre de Corbian, Gavaudin le vieux, Vaqueiras, Savary de Mauleön, Folquet, und andere mehr.
  39. S. besonders Bernard de Ventadour, und Doria, und Cigala.
  40. Giraud de Borneil, Deudes de Prades, Faidit, u. a. m.
  41. Folquet.
  42. Sordel.
  43. Guillaume de la Tour.
  44. Granet, Folquet, Marcabas, Hugues de St. Cyr, Guillaume de Bergedan, Arnaud de Carcasses, Pierre de Corbian, Figuieras, u. a. m.
  45. Sordel und Arnaud de Marsan.
  46. S. Corps d’extraits des Romans de Chevalerie par le Comte de Tressan. Paris 1782.
  47. Das Original dieses Romans enthält mehrere Stellen, welche den Anstand auf das gröblichste beleidigen, die Tressan aber verwischt hat.
  48. Beweise findet man beym Le Grand, Fabliaux, ou Contes du douxieme et troisieme Siecle: in den Geschichten: die drey Ritter mit dem Hemde: das Gespenst: das Lied von Laval: und das Thal der Ungetreuen. Ganz in diesem Sinne sind auch die Regeln der Liebe, die uns St. Palaye aufbewahrt hat. Es heißt unter andern darin: „Je freygebiger die Dame mit ihrer Gunst gegen euch ist, um so eifriger müßt ihr versichern, daß sie euch nichts gewährt. Laßt euch nie durch das Andringen eurer Freunde zur Verrätherey bewegen. Rühmt um so lauter die Tugend der Dame, je williger sie ist, euch damit ein Opfer zu bringen.“ S. 3ter Th. S. 399. in der deutschen Uebersetzung.
  49. Diese Denkungsart ist bey den Fabliers die häufigere. Man sehe die Erzählungen: das bezauberte Schwert: der übelgeschnittene Mantel: der Scharlachrock: die Franciskanerhosen u. s. w.
  50. Fabliaux et Contes du douxieme et treizieme[WS 12] Siecle par le Grand T. II. p. 61.
  51. Bodmers neue kritische Briefe. Zürich 1763. 13ter und 14ter Brief.
  52. In den eben angeführten neuen kritischen Briefen. S. 381.
  53. Er nennt es Meisterschaft über die Gedanken.
  54. Nach dem Originale in Gleims Gedichten nach den Minnesingern. Berlin 1773.
  55. Gleims Gedichte nach den Minnesingern. S. 26.
  56. Bayle Dict. phil. et crit. Article Fontevraux.
  57. Warton’s History of english Poetry. London 1774. p. 39. und Eschenburgs Geschichte der englischen Poesie. Nachträge zum Sulzer B. 3. St. 2. S. 267.
  58. Eichhorns allgemeine Geschichte der Kultur. Erläuterungen. S. 97.
  59. Mallet Introduction à l’histoire de Dannemarc.
  60. Die falschen Dekretalen, die Briefe Christi, u. s. w. dienen zum Beweise. Man nannte diese Verfahrungsart sehr naiv: pro pietate mentiri. Schmidts Gesch. d. Deutsch. 2. B. S. 375. Edit. 1784.
  61. Und diese lassen sich gleichfalls weit leichter aus der heiligen Schrift erklären. Z. B. aus Josuas Posaune und Gideons Schwert,[WS 13] aus Simsons Instrumente, womit er den Philistern vorgespielet hat, und welches noch jetzt in der Kunstgeschichte als ein Horn dargestellt wird, u. s. w.
  62. Ich habe diesen Roman in einer Edition, mit gothischen Lettern in Octav zu Paris bey der Wittwe Bonfons ohne Jahrszahl gedruckt, vor mir. Ich halte ihn für einen der älteren, [118] und vermuthe, das er unter Ludwig dem Siebenten oder Philipp dem Zweyten, (1068–1181.) verfertigt ist. Es hat aber offenbar ein älteres Gedicht dabey zum Grunde gelegen, dessen auch am Ende erwähnt wird.
  63. Der Auszug, der in der Bibliothek der Romane steht, weicht ganz von der Edition ab, die ich vor mir habe. In dieser steht ganz kurz: Cependant qu’il êtoit prisonnier, avoit fortifié leurs loyales amours, et par tant de fois, que la Dame se trouva grosse d’enfant. Jener Auszug schiebt hier Umstände ein, um den Fall des Mädchens zu beschönigen.
  64. Ha! Dame, disoit Ogier, laissez ces paroles; car Vous pouvez cognôitre la layouté, qui est en moi, et tant que Dieu me donnera vie, je ne Vous oubliérai. Mais pour l’amour de Vous ferais de beaux faits d’armes, quelque part que je sois, et moi retourné, s’il plaist à Vôtre pere, je Vous épouserai, et prendrai à femme.
  65. Car tout force surmonte à voir si noble image et si douce portraiture.
  66. Fauce putain, fauce paillarde.
  67. J’aimerai mieux endurer grand tourment, que de fausser ma loi.
  68. Bons passetemps.
  69. Pour la marier à son plaisir.
  70. Pourquoi m’est necessaire d’avoir quelque noble entendement.
  71. Dahin gehört vorzüglich: die Fee Morgue, das irdische Paradies, die Wundergeschichten in dem Gefängnisse des Königs Artur, der Brunnen der Jugend, und mehr als Alles das, das ganze Benehmen der Helden gegen ihre Freunde und Feinde, die Anhänglichkeit Caraheus an seinem Glauben u. s. w.
  72. [126] Unter andern der Umstand mit dem Holzscheit[WS 15], der aus der Fabel des Meleager genommen ist.
  73. Lancelot, Artur, Morgane und andere Personen aus dem Cyclus der Tafelrundemythen werden angeführt.
  74. Der Graf Tressan setzt sogar in dem Discours preliminaire zu dem Corps d’extrait de Romans de Chevalerie auch den Ogier ins vierzehnte Jahrhundert und nach allen Romanen von der Tafelrunde. Allein nach dem Grade der Kultur, die darin herrscht, zu urtheilen, muß er für älter gehalten werden.
  75. Ich habe folgende Uebersetzung zu Rathe gezogen: The brittish History, translated into English from the Latin of Jeffrey of Monmouth, by Aaron Thompson. London 1718. Das Original ist lateinisch geschrieben.
  76. Sprengel, Geschichte von England, (Allg. Weltgesch. 47ter Theil.) S. 91. behauptet, diese Sagen wären lange vor Gottfried bekannt gewesen.
  77. Der Graf Tressan behauptet in seinem Corps d’extraits de Romans, er sey zwischen 1110 – 1120 lateinisch geschrieben. Le Grand setzt ihn ans Ende des zwölften Jahrhunderts, und behauptet, er sey der erste, der ursprünglich in Prosa geschrieben worden. Ich weiß nicht, worauf sich diese Behauptung gründet. Aber ich halte ihn, nach dem geringern Grade von Ausbildung der Rittergebräuche zu urtheilen, für älter als die übrigen Romane von der Tafelrunde: z. E. Lancelot dü Lac, Perceforest, u. s. w. Aber wohl verstanden, in so fern wir diese in Prosa und weitläuftiger Ausdehnung besitzen. Denn kürzere Gedichte, welche sich mit den Begebenheiten dieser Helden, so wie auch Tristans, beschäftigt haben, sind gewiß schon früher vorhanden gewesen, da unser Roman darauf, als auf etwas Bekanntes, Beziehung nimmt.
  78. Son coeur monta en orgueil et en bombant pour la Demoiselle.
  79. Dinadam sagt unter andern: Oncques certes pour Dames ne pour Demoiselles ne me penay armes porter. Amours ne me poignent pas de si dures aiguilles, que j’en mette à mort mon corps pour elles. – Comment, sagt Yseult, Vous êtes Chevalier errant, et si n’aimez pas par amours?
  80. St. Palaye nach der deutschen Uebersetzung im zweyten Theile S. 265 bis 276. Meiners Geschichte der Weiber S. 246 und ff.
  81. Klübers Uebersetzung des St. Palaye S. 230 des ersten Theils.
  82. Diese waren befriedete Personen. In dem allemannischen und sächsischen Landrechte werden Geistliche, Frauenzimmer und Juden darunter gerechnet, und in eine Klasse gesetzt. S. Fischers Geschichte des deutschen Handels erster Theil S. 363.
  83. Et par la Creffe Dieu, encore parlerons nous, Vous et moy, de ceste Journée en chambre devant les Dames. Histoire du Roi St. Louis par Joinville, Edit. de du Cange à Paris 1668. p. 47.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: hinter Tons steht ein Komma (siehe Verbesserungen)
  2. Vorlage: hinter sondern fehlt sogar (siehe Verbesserungen)
  3. Vorlage: ahndet (siehe Verbesserungen)
  4. Vorlage: zurückhalten der
  5. Vorlage: zeigen
  6. Vorlage: S. 29. (siehe Verbesserungen)
  7. Vorlage: Montagnogout (siehe Verbesserungen)
  8. Vorlage: zuschieben (siehe Verbesserungen)
  9. a b Vorlage: die Noten 44 und 45 fehlen (siehe Verbesserungen)
  10. Vorlage: Geschlechtsverbinduug
  11. nicht korrigiert, entgegen den Verbesserungen
  12. Vorlage: troisieme (siehe Verbesserungen)
  13. Vorlage: Josuas und Gideons Posaune (siehe Verbesserungen)
  14. Vorlage: Holzschnitt (siehe Verbesserungen)
  15. Vorlage: Holzschnitt (siehe Verbesserungen)
  16. Vorlage: Roboaster (siehe Verbesserungen)
  17. Vorlage: Monmuth (siehe Verbesserungen)
  18. Vorlage: hinter schrecklichster fehlt das Komma (siehe Verbesserungen)
  19. Vorlage: nnd
  20. Vorlage: geliebte (siehe Verbesserungen)
  21. Vorlage: de (siehe Verbesserungen)