Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.2.djvu/80

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in ihre Gedichte übertragen. Besonders aber bürgt für die Behauptung, daß die Troubadours die römischen Elegiker vor Augen gehabt haben, jene Nüchternheit des Geschmacks, von der ich oben geredet habe.

Wenn die Poesie eines unkultivierten Volkes eine gewisse Herrschaft der Vernunft über die Phantasie verräth, so läßt sich dieß nicht gut anders, als aus der Nachahmung solcher Muster erklären, die von einem gebildeten Geschmack hervorgebracht sind. Die Folge pflegt aber dann zu seyn, daß die Nachahmung der regelmäßigen, wohlgeordneten Originale, eben weil die Phantasie dadurch gezügelt wird, matt und kraftlos ausfällt. Dieß ist der Fall bey den Troubadours. Ihre Werke haben wenig dichterischen Geist. Dagegen ist ihnen die Gabe, sich mit Klarheit, Ordnung, Zusammenhang der Ideen auszudrücken, und mit wohlklingenden Worten zu mahlen, nicht abzusprechen: Vorzüge, die das Talent des Nachahmers geschmackvoller Muster leichter erreicht, als der Nachahmer genievoller, aber unregelmäßiger Produkte.

Endlich enthält die Art, wie die Troubadours die Liebe in ihren Gedichten behandeln, wirklich nur eine Ausbildung derjenigen Intrigue, aus welcher die römischen Elegiker ihre mehrsten Situationen hernehmen.

Beyde haben das mit einander gemein, daß sie lose, auf keine gesetzmäßige Verbindung abzweckende Liebesverständnisse zu den Situationen ihrer Darstellungen wählen. Beyde setzen daher freye Willkühr des Herzens, aber zugleich Hindernisse zum Voraus, welche sie zu überwinden haben. Beyde hängen