Seite:Ramdohr-Venus Urania-Band 3.2.djvu/83

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

um eine genaue Bekanntschaft mit der schönen Litteratur der Araber und Perser, eine Nachahmung ihrer Meisterstücke, vorauszusetzen. Es ist hinreichend, wenn wir eine gewisse allgemeine Kenntniß von den Sitten des Orient, welche auf die Imagination und das Herz der Abendländer im Ganzen wirkten, annehmen, um den gleichgestimmten Ton in den Liebesgedichten beyder Nationen zu erklären. Eben so wird es nur mündlicher Ueberlieferungen, und einer oberflächlichen Kenntniß fremder Ideen bedurft haben, um den Troubadour mit gewissen Dichtungsarten, und mit dem Stoff zu manchen Erzählungen, Bildern, Mythen, fabelhaften Wesen, u. s. w. [1] der Orientaler bekannt zu machen. Auffallend bleibt es jedoch, daß wir von den arabischen und persischen Fabeln nur so wenig Spuren bey den provenzalischen Dichtern antreffen: auffallend ferner, daß die mystisch religiöse Idee der späteren Orientaler, nach welcher der Liebende sich durch die Liebe zur Kreatur näher mit Gott verband, – eine Idee, die dem Troubadour in seinen Verhältnissen so sehr brauchbar gewesen wäre, – so viel ich weiß, nirgends von ihm genutzt ward.

Woher kam es aber, daß die Provenzalen, welche die nächsten Nachbarn der Araber in Spanien waren, die Poesie gerade zuerst zu einer höheren Stufe der Ausbildung gebracht haben? Man kann darauf antworten, weil ihre Sprache, welche unter allen damahls lebenden der lateinischen am nächsten kam, am ausgebildetsten war: weil überhaupt in den Ländern, worin sie gesprochen wurde, ein großer Wohlstand,


  1. Eichhorns Geschichte der Kultur. S. 20[WS 1]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: S. 29. (siehe Verbesserungen)