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I.

Das Relativitätsprinzip, welches wir Einstein[1] verdanken, behauptet, daß die Erscheinungen in einem System von Körpern nur von den Lagen und den Bewegungen jener Körper relativ zueinander abhängen, in dem Sinne, daß der Umstand, daß ein System von Körpern als Ganzes irgendeine konstante Translation hat, auf die sich in diesem System abspielenden Erscheinungen keinerlei Einfluß hat.

Beim ersten Anblick bekommt man vielleicht den Eindruck, daß letzteres selbstredend ist. Daß je etwas anderes erwartet wird oder wenigstens früher erwartet wurde, ist die Folge davon, daß man sich während langer Zeit allgemein vorgestellt hat, daß wenigstens bei elektrischen und optischen Erscheinungen ein „Lichtäther“ mitwirke. Dieser Lichtäther aber könnte in zwei Laboratorien, von denen das eine eine Translation relativ zum anderen hat, relativ zu diesen Laboratorien eine verschiedene Bewegung haben, und dieser Umstand könnte vielleicht einen Unterschied im Verlauf der Erscheinungen in diesen Laboratorien bewirken.

Das Einsteinsche Relativitätsprinzip hängt also eng zusammen mit der Rolle, die wir dem Lichtäther zuschreiben. Erinnern wir uns kurz an die alten Vorstellungen betreffs dieses Mediums.

Huygens[2] stellte sich den Lichtäther nicht so gar verschieden von der Materie vor. Fresnel, Cauchy ebenso. Nach ihnen besteht auch der Äther aus kleinsten Teilchen, Atomen. Ähnliche Vorstellungen findet man bei Maxwell[3] und Lord Kelvin[4]. Lodge[5] berechnete sogar kürzlich noch die Dichte des Äthers.

Hinsichtlich der Fortpflanzung der Lichtschwingungen wird der Äther in diesen alten Theorien als ein elastisches Medium betrachtet, und zwar, da die Lichtschwingungen transversal sind, als ein Medium mit den Eigenschaften eines festen Körpers. Die Himmelskörper würden aber bei ihrer Bewegung seitens dieses Mediums gar keinen Widerstand erfahren. Dieses stempelt den Äther schon als etwas sehr Besonderes.


  1. A. Einstein, Zur Elektrodynamik bewegter Körper. Ann. d. Phys. (4) 17 (1905), S. 891.
  2. Chr. Huygens, Traité de la lumière. Leiden 1690, Ostwalds Klassiker Nr. 20.
  3. J. C. Maxwell, On action at a distance. Nature 7 (1873), S. 323, 341.
  4. Lord Kelvin, Baltimore Lectures on molecular dynamics and the wave theory of light. London 1904.
  5. O. Lodge, The density of the aether. Phil. Mag. (6) 13 (1907), S. 488.
Empfohlene Zitierweise:
Hendrik Antoon Lorentz: Das Relativitätsprinzip. B.G. Teubner, Leipzig und Berlin 1914, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Relativitaetsprinzip_(Lorentz).djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)