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Wahnmoching noch einmal ein dionysisches Zeitalter erleben werden — —“

„Meinetwegen — erleben Sie es,“ entgegnete der Philosoph trocken. — „Es ist ja im späteren Altertum schon einmal vorgekommen, daß die dionysischen Kulte eine wohlgeordnete patriarchalische Weltanschauung wieder über den Haufen rannten und — —“

Adrian horchte gespannt auf: „Was? das wußte ich ja gar nicht.“

„Nun, dann wird es Sie sicher interessieren, daß auch damals die Frauen wieder zu Mänaden und Hetären wurden, und — hören Sie nur gut zu, Adrian — auch damals lernte ein ernüchtertes Zeitalter wieder den Rausch einer tieferen und glühenderen Lebensempfindung kennen — was, so viel ich weiß, die verborgene Hoffnung Wahnmochings ist. Eben jene nächtlichen dionysischen Feste mit rasenden Tänzen, die Opfertiere, die von den Mänaden zerrissen und roh verschlungen wurden.“

„Pfui Teufel,“ sagte der Panther.

„Weil in ihrem Blut der Gott selbst enthalten war.“

„Stierblut,“ fiel Adrian, sich plötzlich erinnernd, ein.

„Ja, Stierblut, weil der Gott in der Gestalt eines Stieres erschien und man somit seine Substanz in sich aufnahm — aber bitte, lesen Sie es lieber in Ihrem Bachofen nach, ich habe nicht die Absicht, hier weitere Vorträge zu halten.“

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Fanny Gräfin zu Reventlow: Herrn Dames Aufzeichnungen. Albert Langen, München 1913, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reventlow_Herrn_Dames_Aufzeichnungen.pdf/136&oldid=- (Version vom 1.8.2018)