Seite:Reymont - Der Vampir.djvu/043

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Er antwortete nicht, denn der harte Ton ihrer Stimme hatte ihn unangenehm berührt.

„Sie hat ein merkwürdiges Gesicht, – es ist beinahe grauenerregend, und doch ist es schön,“ fuhr sie fort.

„Warum? Ich habe an ihr nichts Grauenerregendes bemerkt.“

„Ich möchte ihr nicht begegnen,“ sie schauderte ängstlich zusammen.

„Betsy!“ flüsterte er zärtlich.

Das Mädchen hob die erloschenen, erschrockenen Augen zu ihm auf, doch es schwieg und seufzte nur hin und wieder; er wußte nicht, was er sagen solle, da er eine peinigende Unruhe nicht verbergen konnte. Sie tat ihm leid, liebte er sie doch aufrichtig und tief. Vor einem Augenblick noch hatte er sich so glücklich und ruhig gefühlt, noch vor einem Augenblick hatte es ihm so wohlgetan, mit ihr zu gehen, mit ihr zu plaudern, sich mit ihr in Träumereien zu wiegen, ihr reizendes Gesichtchen anzuschauen; ihm war so selig zumute gewesen, ihre Liebe zu fühlen; und jetzt!

Jetzt hatte er Eile, von ihr loszukommen, sie machte ihn ungeduldig mit ihrem Schweigen, er hätte sich gern verabschiedet und wäre allein geblieben, aber er wagte es nicht. So wollte er sich denn in die frühere Stimmung zurückzwingen, doch es gelang ihm nicht.

Es befiel ihn eine völlige Willenlosigkeit, er erkaltete, er vergaß Betsy beinahe, und seine Gedanken jagten jener andern, jagten Daisy nach; er fand sie wieder, in dem verschlungenen schweren Nebelknäuel, er schleppte

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/043&oldid=- (Version vom 1.8.2018)