Seite:Reymont - Der Vampir.djvu/128

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

roten Strieme losreißen; die plötzlich erwachte Erinnerung versetzte ihn zu Yoe unter den tollen Reigen der Geißler; und die Mädchen begannen, aufs tiefste gerührt, hocherfreut und setzt schon weniger schüchtern, abwechselnd von der Heimatsstadt zu erzählen, erweckten ihre Erinnerungen und erstrahlten im Glücksgefühl ferner Tage, die plötzlich in ihrem Gedächtnis emportauchten, im Gedanken an Jahre, die längst in den Staub der Vergessenheit versunken waren und jetzt in lauter Freude und Glück wieder auferstanden. Sie hatten aufgehört zu essen, sie schrieen immer lauter, lachten wie Kinder, betranken sich an Schnaps und Erinnerungen, sprangen fortwährend von ihren Plätzen auf, verstummten plötzlich ermüdet und von Tränen erfüllt, vergaßen ihn, sich selbst und die ganze Welt und brachen in langes, klägliches Weinen aus, aber auch da hörten sie nicht auf, ihre Erinnerungen weiterzuspinnen.

„Du, Sara, erinnerst du dich noch an den Gutsbesitzer? Denkst du noch daran: er hatte vier schwarze Pferde, wie Drachen, er fuhr immer in einem Wagen, der leuchtete wie ein Spiegel? Erinnerst du dich?“

„Und du, Rosa, erinnerst du dich noch an das Haus des Bürgermeisters?“

„Ich sollte mich nicht erinnern. Das war kein Haus, das war ein Palast! Zeig mir so einen Palast in London! Auf der ganzen Welt gibt’s keinen zweiten von der Art!“

„Und erinnerst du dich an den Berg hinter der Stadt? Und dahinter das Dorf?“

Empfohlene Zitierweise:
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/128&oldid=- (Version vom 1.8.2018)