mit einem dumpfen und entsetzlichen Geräusch dahinwände.
Und wieder schien ihm London eine phantastische Wüste zu sein, die dumpf und tot und doch voll von merkwürdigen Erscheinungen wäre, voll von einem unaufhörlichen Werden von geheimnisvollen und schrecklichen Dingen, die er nicht verstehen konnte … Er fühlte nur, daß etwas um ihn herum entstünde, daß es da sei … So ging er also in der Stille der Bewunderung und einer unerklärlichen Zerknirschung umher, denn er begann gleichsam die Seele aller Dinge zu bemerken, die dem profanen Blicke verborgen …
Er ging in der Stadt umher wie in einem von Zaubererhand geschaffenen steinernen Märchen, das erfüllt war von leuchtenden, nie gesehenen Bäumen, und jeden Augenblick bemerkte er leidende, kranke Häuser, gebeugt von der Qual eines jahrhundertelangen Bestehens, voll von Wunden, Seufzern und Ermattung … Er fühlte das schmerzliche Beben der Bäume, die im Nebel ertranken und aus Sehnsucht nach der Sonne, nach den erfrischenden Frühlingslüften hinstarben, er hörte ihr Stöhnen, das nie verstummte … nie … und die Tränen, die leise an den kranken Ästen herabflossen.
Vor dem Towerturm blieb er in Gedanken versunken stehen; der stand da, düster sinnend, tragisch, als letzter aus längst entschwundenen Tagen, aber erhaben in seiner Einsamkeit und stolz abweisend den neuen Dingen und neuen Tagen gegenüber, diesen Tagen, die verächtlich zu den Füßen seiner unsterblichen Majestät dahinkrochen.
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/135&oldid=- (Version vom 1.8.2018)