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kranken Gehirn, die trugen auf dem Deckel eines vermoderten Sarges eine symbolische weiße Hostie und warfen sie unter markerschütterndem Getöse, unter Schmähungen und Gegröhl Baphomet zu Füßen.

Dann begannen im Lichte gleichsam alle Gespenster der mittelalterlichen Kathedralen aufzutauchen, alle Larven der Versuchung und der Angst, die sich in der heiligen Seele verbergen, sie erschienen schweigend, düster und trugen heilige Bücher, Symbole, Bilder, Meßgewänder und warfen dies alles auf einen großen Haufen; sieben blutige Blitze schossen aus den Augen Baphomets, sieben Blitzstrahle trafen die geschändeten Heiligtümer, Flammen loderten empor, und alle diese Höllenerscheinungen begannen einen wilden, tollen Reigen um den Scheiterhaufen zu tanzen.

Beißender, schwarzer Rauch verhüllte die Gestalt Daisys und stieg in hohen, wirren Säulen empor und verhüllte die Grotte mit einer düsteren, undurchdringlichen Wolke.

Zenon neigte sich in sich selbst hinein, wie über die Schwelle einer unbekannten Welt, er schaute auf die Geheimnisse, und die Augen seiner Seele eilten zum ersten Male weit über ihn selbst hinaus, weit hinaus über die dummen, trägen Gedanken von Tatsachen und sichtbaren Dingen; zum ersten Mal durchmaßen sie einen unübersehbaren Raum, zauberhafte Fernen, flogen sie über Höhen und unergründliche Abgründe dahin, so daß er geblendet zurückwich, voll von jener heiligen Stille der Ahnungen und Visionen; der Hauch einer unsterblichen Macht wehte durch seine Seele.

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 166. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/166&oldid=- (Version vom 1.8.2018)