Seite:Reymont - Der Vampir.djvu/188

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Noch lauschte er diesen in der Stille ersterbenden Tönen, als der Spiegel plötzlich von einem Blitze erhellt wurde; in den Tiefen des Spiegels schien etwas zu werden, Gruppen von Bäumen und Blumen tauchten hervor wie aus sonnendurchleuchtetem Nebel.

Er blickte sich ängstlich um, das Zimmer wurde langsam dunkel und versank in Nacht, doch dort hinter der Spiegelfläche, in einer wundersam aufleuchtenden Helle, tauchte gleichsam die Vision eines Tropenwaldes auf, ein hoher Palmenwald überdachte einen unendlich langen Weg, – wie ein grüner Tunnel. Er näherte sich, er konnte die Augen nicht losreißen, denn aus jenen Tiefen kam ihm Daisy entgegen.

„Komm!“

Er sah die Bewegung ihrer Lippen, ihre rufenden, glühenden Augen. Er erbebte in den tiefsten Tiefen, er hatte die Stimme erkannt und ging zu ihr, ging gleichsam in jene Spiegeltiefen hinein; er hatte das Bewußtsein davon verloren, was mit ihm geschehe, doch ging er mit einem freudigen Beben, weil er die Gesuchte endlich gefunden hatte. Er schritt durch das dunkle Speisezimmer, immer auf Daisy starrend, die auf ihn zukam.

Er kam plötzlich zur Besinnung: er befand sich in der Orangerie.

Ja, Daisy erwartete ihn dort am Springbrunnen mit einer Magnolienblüte in der Hand; Bagh schmiegte sich zärtlich an ihre Kniee und schaute ihr in die Augen.

„Da bin ich,“ flüsterte er, vor ihr stehenbleibend.

„Sie haben eine widerspänstige Seele.“

Er schaute sie verständnislos an.

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Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/188&oldid=- (Version vom 1.8.2018)