fand, auf die Ottomane; er bemühte sich, alles zu vergessen. Doch ehe er in Vergessen sank, erscholl gleichsam gerade über ihm die Stimme Daisys. Er sprang heftig auf, die Stimme tönte schon in einer gewissen Entfernung und wurde leiser.
„Wo bist du? Wo?“ rief er, die ganze Wohnung durchsuchend. Sie mußte doch irgendwo sein, denn er roch den Duft ihres Parfüms, hörte ihre Schritte; das Rauschen ihres Kleides war deutlich zu vernehmen.
„Daisy! O Daisy!“ schrie er plötzlich auf, die Hände zum Spiegel ausstreckend, in dem ihre Umrisse dämmerten, als wären sie aus Nebelperlen gewebt, ihre veilchenblauen Augen schimmerten, ein Lächeln spielte um ihren Mund, doch ehe er hineilen konnte, war alles verweht und verschwunden.
Er wartete lange, auf die leere Fläche wie auf eine zugefrorene Tiefe starrend, die neidisch ihre unglaublichen Wunder vor der Sterblichen Auge birgt. Dann fiel er in stilles, düsteres Sinnen, so daß er gleichsam in Kraftlosigkeit versank, und blieb so, frei von allem Aufbäumen, von aller Freude und allen Schmerzen, vergessend und vergessen, fern sogar von sich selbst und nur so viel wissend, wie Sterne von sich wissen können, die durch die Unendlichkeit rasen.
Ihn weckte erst wieder das Geräusch des Lebens, das mit wildem, brutalem Getöse an die Fenster stürmte, Angst schnürte sein Herz zusammen und füllte seine Augen mit Tränen einer unerklärlichen Traurigkeit. Seine Augen schweiften ängstlich in der Wohnung
Władysław Reymont: Der Vampir. Albert Langen, München 1914, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Reymont_-_Der_Vampir.djvu/195&oldid=- (Version vom 1.8.2018)