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Richard Wagner’s „Judenthum in der Musik“.


Motto: Der Jude wird verbrannt.
Lessing.

Richard Wagner, der seit einiger Zeit die unentbehrliche Selbstverherrlichung wieder durch fleißige Broschüren-Fabrication betreibt, hat soeben eine neue Flugschrift unter dem Titel: „Das Judenthum in der Musik“ (Leipzig bei J. J. Weber) veröffentlicht. Das Scheußlichste in der gesammten Schöpfung sind die Juden, und Juden sind alle diejenigen, die Herrn Richard Wagner nicht anbeten – das ist ungefähr der leitende Gedanke dieses zwar dünnen, aber giftgeschwollenen Büchleins. Es ist Frau Marie Muchanoff, geborene Gräfin Nesselrode, dedicirt und beginnt mit der Klage, „daß jede der künstlerischen Leistungen Wagner’s in der Tagespresse nicht nur Deutschlands, sondern auch Frankreichs und Englands einer auf Herabsetzung ausgehenden Feindseligkeit begegne“. Den Grund dieser so weit verzweigten Feindseligkeit findet Wagner in einer allgemeinen, organisirten Verschwörung der Juden gegen ihn. Durch einen Aufsatz („Das Judenthum in der Musik“), welchen Wagner im Jahre 1850 in die Leipziger Musikzeitung drucken ließ, seien alle Feinde des Schweinefleisches auch die seinigen geworden und trachten seither auf alle mögliche Art sich an ihm zu rächen. Der Aufsatz soll nach Wagner’s Versicherung ein ungeheures Aufsehen gemacht und ihm die bitterste Feindschaft eingetragen haben, obwol merkwürdigerweise nicht der Name R. Wagner, sondern K. Freigedank darunter stand, und der Redacteur F. Brendel sich niemals herbeiließ, den wahren Verfasser zu verrathen! Es gehört in der That Wagner’sches Selbstbewußtsein dazu, um zu glauben, daß die gesammte Kunstwelt und Journalistik noch immer an einen vor 19 Jahren erschienenen pseudonymen Aufsatz in der Leipziger Musikzeitung denke, und daß jegliche seither von Wagner erlebte Unannehmlichkeit nichts als Rache der Juden gegen jenes Feuilleton sei. Ich bekenne, erst heute durch Wagner’s Flugschrift von jenem Artikel und seiner illustren Herkunft Kenntniß erhalten zu haben. Dasselbe dürfte bei der großen Mehrzahl meiner Collegen der Fall sein. Allein das glaubt Wagner nimmermehr, er ist überzeugt oder stellt sich mindestens so (denn manchmal zögert man wirklich, ihn für so borniert zu halten, wie er sich in der neuen Broschüre darstellt), daß alle seine Gegner nur geschworne Hänge-Gendarmen eines großen jüdischen Rachecorps sind. Trotzdem man aus diesen fabelhaften Wirkungen schließen sollte, jener Aufsatz von „K. Freigedank“ sei allenthalben ebenso bekannt, wie der kurz nachher erschienene „Propheten“-Marsch von Meyerbeer, findet es Wagner dennoch für zweckmäßig, ihn neuerdings abzudrucken, wofür wir ihm aufrichtig dankbar sind.

Anfangs geht es über die Juden im Allgemeinen los. Da es dem Verfasser um „die Rechtfertigung seines unüberwindlichen Widerwillens gegen jüdisches Wesen“ zu thun ist, so malt er natürlich ohne alles Licht. Die äußere Erscheinung des Juden ist ein „unangenehmes Naturspiel“, aber beileibe kein Unglück für den Juden, weil er „bei diesem Unglücke sich ganz wohl fühlt“. Auf der Bühne könne man sich „keinen antiken oder modernen Charakter von einem Juden dargestellt denken, ohne unwillkürlich das bis zur Lächerlichkeit Ungeeignete einer solchen Vorstellung zu empfinden“. (Ob sich Wagner’s christliches Gemüth wirklich gesträubt hätte, durch das Talent der Bettelheim, Csillag, Sontheims’s Erfolge zu erringen?)

Der gebildete Jude ist „der herzloseste aller Menschen und steht nur im Zusammenhange mit denen, welche sein Geld bedürfen“. (Aus solchen Begegnungen scheint Wagner seine gesammte Kenntniß der gebildeten Juden geschöpft zu haben.) Endlich geht der Verfasser auf das Verhältniß der Juden zur Kunst über. „Was der gebildete Jude auszusprechen hatte, wenn er künstlerisch sich kundgeben wollte, konnte natürlich nur das Gleichgiltige und Triviale sein, weil sein ganzer Trieb zur Kunst ja nur ein luxuriöser, unnöthiger war.“ Nach Wagner muß jede künstlerische Thätigkeit eines Juden „nothwendig die Eigenschaft der Kälte, der Gleichgiltigkeit bis zur Trivialität und Lächerlichkeit an sich haben“. Und welche Namen nennt er unmittelbar nach dieser Thesis? Keinen geringeren als Mendelssohn-Bartholdy’s, oder wie er mit verlogener Empfindsamkeit sagt, „des frühe verschiedenen Mendelssohn-Bartholdy“. Wagner behauptet, Mendelssohn habe es trotz seines Talentes nie ermöglichen können, auch nur ein einzigesmal die tiefe, Herz und Seele ergreifende Wirkung auf uns hervorzubringen, welche wir von der Kunst erwarten. Ich glaube, daß Tausende unserer Leser mir beistimmen werden, wenn ich Herrn Wagner versichere, daß das einfachste Lied Mendelssohn’s (von seinen großen Schöpfungen gar nicht zu reden) uns mehr an „Herz und Seele“ dringt, als zehn Opern à la „Tristan und Isolde“. Man kann sich vorstellen, wie laut und hitzig Wagner’s Hepp, Hepp! nun hinter Meyerbeer erschallt. Meyerbeer’s Kunst habe eigentlich nur darin bestanden, „zu täuschen, und dieses namentlich damit, daß er jenen von uns näher charakterisirten (jüdischen) Jargon seiner gelangweilten Zuhörerschaft als modern-pikante Aussprache aller der Trivialitäten aufheftete, welche ihr so wiederholt oft schon in ihrer natürlichen Albernheit vorgeführt worden waren“. Meyerbeer ist für Wagner (der das Publicum niemals mit Opern wie die „Hugenotten“ durch volle 40 Jahre „getäuscht“ hat) eine „tragikomische Erscheinung, wie überhaupt das Kaltlassende, wirklich Lächerliche das Bezeichnende des Judenthums“ bildet. Nur bei eingetretener completer Lebensunfähigkeit der Musik konnten Juden in dieselbe eintreten. „Erst wenn der innere Tod eines Körpers offenbar ist, gewinnen die außerhalb liegenden Elemente die Kraft, sich seiner zu bemächtigen, aber nur um ihn zu zersetzen; dann löst sich das Fleisch dieses Körpers in wimmelnde Viellebigkeit von Würmern auf.“ Nachdem

Empfohlene Zitierweise:
Eduard Hanslick: Richard Wagners Judenthum in der Musik. Oesterreichische Journal A.G., Wien 1869, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Richard_Wagners_Judenthum_in_der_Musik.pdf/2&oldid=- (Version vom 1.8.2018)