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unterschreibt sie das Todesurtheil endlich doch, nicht ohne vorher noch einmal das Register der Heuchelei aufgezogen zu haben, nur nach langem Kampf, und nicht ohne das Vorgefühl, dass ihr ihr Zweck mislingen wird:

 Ach, wie sehr befürcht’ ich,
Wenn ich dem Wunsch der Menge nun gehorcht,
Dass eine ganz verschiedne Stimme sich
Wird hören lassen – ja, dass eben die,
Die jetzt gewaltsam zu der That mich treiben,
Mich, wenn’s vollbracht ist, strenge tadeln werden!

In diesem Moment der letzten sinnenden Erwägung hat der Künstler die Elisabeth aufgefasst, und wir glauben, dass es vollkommen zu rechtfertigen ist, wenn er das Mächtige, Grossartige, wahrhaft Königliche in ihrem Wesen vor allem uns zur Erscheinung zu bringen gesucht hat.

Wenn Elisabeth auf die Gewissheit hin, dass das Urtheil bereits vollzogen sei, ausruft:

Ich bin Königin von England! . . . .
Jetzt endlich hab’ ich Raum auf dieser Erde.
– Was zittr’ ich? Was ergreift mich diese Angst?
Das Grab deckt meine Furcht, und wer darf sagen,
Ich hab’s gethan! Es soll an Thränen mir
Nicht fehlen, die Gefallne zu beweinen! –

so ist dies wenigstens wahr, wenn nicht edel, und dass die Heuchelei, mit der sie den Schein der That von sich abzuwälzen sucht, keinen Glauben findet, dass die That ihr selbst nicht die Frucht bringt, welche sie davon erwartet, da sie ihr den Geliebten raubt – das Weib also besiegt wird, während die Königin triumphirt –, das eben ist das Tragische in dem Geschick der grossartigen Frau.



Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 204. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/229&oldid=- (Version vom 1.8.2018)