Seite:Schiller-Galerie.pdf/268

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

sondern auch der Gebildeten auf eine solche wunderbare Erscheinung vorbereitet hatten.

Indem Johanna aber zugleich fühlt, dass sie durch diese kriegerische Mission aus dem Kreise ihres Geschlechts heraustritt, liegt der Gedanke ihr doppelt nahe, entspricht vollkommen der Denkungsart der Zeit, dass dies nur zu sühnen sei, indem sie, als Gott geweiht, der irdischen Liebe zu entsagen habe. Es ist weiter der feste Glaube an ihre Mission, wenn sie sich verpflichtet fühlt, keinen Feind zu schonen, und ohne Gewissensbisse auch den Knaben Montgomery niederstösst; wie sie denn demselben gegenüber den Glauben an ihre Verpflichtung zur Schonungslosigkeit auch ausspricht:

Ich bin nur eine Jungfrau, eine Schäferin
Geboren; nicht des Schwerts gewohnt ist diese Hand,
Die den unschuldig frommen Hirtenstab geführt.
Doch, weggerissen von der heimatlichen Flur,
Von Vaters Busen, von der Schwestern lieber Brust,
Muss ich hier, ich muss – mich treibt die Götterstimme, nicht
Eignes Gelüsten – euch zu bitterm Harm, mir nicht
Zur Freude, ein Gespenst des Schreckens, würgend gehn,
Den Tod verbreiten und sein Opfer sein zuletzt!
Denn nicht den Tag der frohen Heimkehr werd’ ich sehn –

so empfindet sie auch, nachdem sie so vollständig und unwiderruflich aus der Stellung gewöhnlicher Frauen herausgetreten ist, dass sie nicht wieder dahin zurückkehren kann, dass sie nicht nur Opfer schlachten, sondern auch selber eins werden muss. Als dieses verleugnete weibliche Herz aber doch seine Rechte geltend macht, wenn ihr die Liebe bei Lionel’s Anblick naht, so verwirrt sie diese Empfindung, erscheint ihr als Schuld:

Wer? Ich? Ich eines Mannes Bild
In meinem reinen Busen tragen?
Dies Herz, von Himmelsglanz erfüllt,
Darf einer ird’schen Liebe schlagen?
Ich, meines Landes Retterin,
Des höchsten Gottes Kriegerin,
Für meines Landes Feind entbrennen?

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Pecht: Schiller-Galerie. F. A. Brockhaus, Leipzig 1859, Seite 243. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Schiller-Galerie.pdf/268&oldid=- (Version vom 1.8.2018)